Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.03.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-03-28
- Erscheinungsdatum
- 28.03.1899
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18990328
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189903280
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18990328
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-28
- Monat1899-03
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2372 Nichtamtlicher Teil. 72, 28. März 1899. Ich denke, daß die Proben genügen, um einen Begriff von der Schreibweise Hildebrandks zu geben, die er zur Er reichung seines Zweckes für am meisten angebracht hält. Dieser letzte Zweck ist aber die Erreichung des ewigen Urheberrechtes. Gerade so gut, meint Hildebrandt, wie man ein ewiges Eigentum an einem Stiefelknechte habe, müssen auch der Autor, der Komponist, der Erfinder, der Bildhauer rc. rc. ein ewiges Eigentum an ihren Geistesprodukten haben. Es ist aber doch wohl nicht zu verkennen, daß ein Stiefelknecht und Goethes Faust (diese Gegenüberstellung rührt von Hildebrandt her, der zwischen beiden keinen Unterschied entdecken kann) zwei verschiedene Dinge sind. Damit der Verfertiger von Stiefelknechten diese Her stellen kann, muß er Holz haben, sowie Säge, Messer, Meißel, Hammer, vielleicht auch Maschinen. Da nun diese Sachen leider keine Geisteserzeugnisse sind, sondern körperliche Dinge, an denen der Vorbesitzer ein ewiges Eigentumsrecht besitzt, so muß er sie mit blankem Gelde bezahlen. Außer diesen körperlichen Gegenständen benutzt er aber noch geistige Errungenschaften. Der Erfinder der Säge oder des Messers ist der Gläubiger des Stiefelknechtfabrikanten, denn ohne diese Instrumente wäre er nicht imstande, sein Fabrikat so herzustellen, wie es gewünscht wird. Das alles ist nötig, um einen Stiefelknecht zu machen. Darin hat Hildebrandt also recht: »Auch der Erzeuger eines Stiefelknechtes hat die Gesamtkultur seiner Zeit als ein Geschenk des vor ihm ge wesenen Geschlechtes erhalten, und dennoch vererbt sich der Stiefelknecht von Besitzer zu Besitzer uud wird nicht Gemein gut«. Wir wollen das festhalten; denn aus dieser Erkenntnis hätte Hildebrandt zu der ganzen Absurdität eines ewigen Urheberrechtes kommen müssen. Können wir nun Goethe mit dem Stiefelknechtfabrikanten vergleichen? Goethe gebar den Faust in seinem Gehirn. Das wäre also gleichbedeutend mit der Idee des Stiefelknecht herstellers, wenn wir einmal annehmen, es habe vorher noch nicht ein solches nützliches Möbel gegeben. Um den Faust und den Stiefelknecht zu verkaufsfähigen Gegenständen zu machen, bedarf Goethe Tinte, Feder, Papier, Lettern, einer Druckerpresse rc., der Fabrikant Holz, Säge rc. Giebt nun Goethe Exemplare seines Faust und der Fabrikant Exemplare seiner Stiefelknechte gegen Geld fort, so kann man wohl einen Unterschied zwischen einem Geisteswerke und einem Stiefel knechte ignoriren. Der Käufer des Stiefelknechtes, sagt Hilde brandt, ist nun ewiger Eigentümer desselben,- er kann ihn also beliebig verwenden, warum nicht auch der Käufer von Goethes Faust diesen? Nein, zu diesem Schlüsse kommt Hildebrandt doch nicht; der ist mir aus der Feder entschlüpft. Der Stiefelknechtbesitzer ist also ewiger Eigentümer, der Faust besitzer — nicht? Ja, das wäre doch gerade das Gegenteil von dem, was Hildebrandt beweisen will. Es scheint also doch noch einen kleinen Unterschied zwischen Goethes Faust und einem Stiefelknechte zu geben. Dieser Unterschied wäre nur dann nicht vorhanden, wenn dem ersten Stiefelknecht- Hersteller ohne irgend eine Gegenleistung während der Zeit seines Lebens und dreißig Jahre später seinen Erben das alleinige Recht zugesprochen würde, solche Möbel herzustellen. Nun kommen wir auf die, auch von Hildebraudt zu gegebene Wahrheit zurück, daß der Stiefelknechtfabrikant eben falls die Gesamtkultur seiner Zeit benutzt. Das Messer, die Säge, der Hammer sind nicht seine Erfindungen; benutzt er zur Herstellung seiner Ware die Dampfkraft, so ist er der Schuldner des Entdeckers dieser Kraft und des Erfinders der Dampfmaschine. Nun denke sich Herr Hildebrandt in seinen Jdcalzustand des ewigen Urheberrechts! Alle Dampfmaschinen der Welt werden von den Nachkommen James Watts geliefert; denn niemand anders darf den Dampf benutzen, um einen Kolben in einem Cylinder hin und her zu treiben, als der Inhaber des Patents Nr. 560, der eben James Watt hieß, trotzdem dieser Mann nichts weiter that, als daß er eben das letzte Glied an eine Kette von Erfindungen und Erfahrungen anschloß, ohne die er höchst wahrscheinlich niemals eine Dampf maschine erfunden hätte, gerade so wenig, wie George Stephenson die Lokomotive erfunden hätte, wenn nicht die Dampfmaschine vor ihm erfunden gewesen wäre. Sein Verdienst, das selbst verständlich nicht verkleinert werden soll, beschränkt sich im wesentlichen auf die Erfindung des Röhrenkessels, mit Hilfe dessen nur der nötige Dampf auf kleinem Raume erzielt werden kann; denn vor Stephenson sind schon Dampfwagen gebaut worden. Mau ersieht schon au diesen zwei Beispielen, zu welchen Zuständen die Idee des geistigen Eigentums führen würde. Ob zur Herstellung des Stahles für das Messer des Fabrikanten der Erfinder des Puddelverfahrens oder Bessemer oder Thomas einzig berechtigt ist, bleibt mir zweifel haft. Um das Holz für die Stiefelknechte zu bestellen, braucht der Fabrikant Tinte, Feder und Papier, und alle diese Gegen stände sind nur die Nachkommen der Erfinder anzufertigen berechtigt, oder sie haben doch zeitlich beschränkte Privilegien dafür zu vergeben. Wenn nun einem Nachkommen des Papier-Erfinders plötzlich die Idee käme, er wolle einmal sehen, wie die Welt ohne Papier aussähe, und untersagte jegliche Fabrikation? Aber wozu solche Lächerlichkeiten, die sich notwendiger weise aus dem ewigen Urheberrecht ergeben, noch weiter spinnen? In Wirklichkeit wäre beim Bestehen des ewigen Urheberrechts — und die Erfinderidee fällt doch in erster Linie darunter — die Herstellung auch nicht des geringsten Gegenstandes mehr möglich. Und ebenso, wenn es auch nicht so in die Augen springt, wäre noch nicht einmal Hildebrandts Broschüre möglich gewesen ohne dje Benutzung geistiger Er rungenschaften, auf die Herr Hildebrandt nach seinen Grund sätzen keinen Anspruch erheben kann. Robert Blatchford stellt in seinen Briefen über den Sozialismus das Abhängigkeits verhältnis der neuen Urheber von den alten sehr anschaulich mit folgendem Beispiel dar*): »Stelle dir einen direkt am Rande eines Baches stehenden Apfelbaum vor, von dem ein Apfel ins Wasser gefallen ist. Auf dem Baume sitzen einige Affen, von denen der eine den heruntergefallenen Apfel bemerkt uud einen über dem Wasser hängenden Zweig dazu benutzen will, den Apfel herauszufischen. Er probiert es, kann aber die Wasserfläche nicht erreichen. Mit Hilfe eines zweiten Affen wird eine kleine, vom Gezweige herunterhängende Kette gebildet, allein wieder umsonst, denn die Kette ist immer noch nicht ausreichend. Sie holen sich dann einen dritten Affen dazu, und dieses letzte Glied der Kette holt den Apfel herauf. Wenn nun dieser dritte Affe, der nur durch die Mithilfe der anderen zwei das Wasser erreichen konnte, den Apfel ganz allein fiir sich als seine eigens verdiente Beute beanspruchen würde, könnte man so etwas billigen? Ganz genau dasselbe gilt von jedem Erfinder« und, können wir hinzusetzen, von jedem Schriftsteller. Und endlich, ist das ewige Urheberrecht auch nur mora lisch, vom Standpunkte des einfachen Rechtsgefühls aus zu vertreten? Als Gegenleistung jeder Arbeit gilt auf der ganzen Welt oder soll doch gelten der angemessene Arbeitslohn; in Wirklichkeit erscheint freilich oft der Lohn aus volkswirtschaft lichen Gründen nicht angemessen. Zu diesen, in ihrem Arbeits lohn verkürzten gehört auch nach Ansicht der Verfechter vom ewigen Urheberrecht der Schriftsteller. Ist das nun richtig? Der Schriftsteller leistet Arbeit, wie auch der Stiefelknechtmacher. *) Im Reiche der Freiheit! (Nsrris LvAlanck) von R. Blatch ford, ein Buch, das in England in mehr als einer Million Exem plare verbreitet ist, übersetzt von H. Wright. Wien 1899, Brand. Seite 76.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder