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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.10.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-10-24
- Erscheinungsdatum
- 24.10.1899
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- Deutsch
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7856 Nichtamtlicher Teil. W 248, 24. Oktober 1899. Diese Theorie ist schon über ein halbes Jahrhundert alt. Trotzdem sich alle wirtschaftlichen Verhältnisse in dieser Zeit völlig umgestaltet haben: der Buchhandel ist konservativ, er läßt sich eine seiner Grundanschauungen nicht so leicht rauben; er ist auch dieser Theorie treu geblieben, denn sie ist ja nebenbei auch so furchtbar bequem, wenn es sich darum handelt, ein Geschäft zu erwerben. Die Theorie des Firmenwertes ist grundfalsch; sie wird gegenwärtig nur einseitig dem Interesse des Ver käufers, nicht auch dem des Käufers gerecht. Entstanden zu einer Zeit, wo der Buchhandel noch konzessioniert, so gar hin und wieder privilegiert und so einigermaßen gegen Konkurrenz geschützt war, kann man ihr für eine weit zurück liegende Vergangenheit eine gewisse Berechtigung nicht ab streiten; aber seit Einführung der Gewerbefreiheit und Frei zügigkeit hat sie jede Berechtigung verloren. Von allen ver schiedenen Zweigen des Handels ist heutzutage gerade der Buchhandel derjenige, bei dem irgend ein erheblicher Betrag als Firmenwert beim Geschäftskauf nicht in Anschlag gebracht werden sollte. Denn die Bücherware ist überall die gleiche; sie kann von dem einen nicht in besserer Qualität geliefert werden als von dem andern. In anderen offenen Geschäften kann man eine Ware in verschiedenen Qualitäten und zu den ver schiedensten Preisen, bald teuer, bald billig, bald gut oder- schlecht erhalten, man konkurriert in der Güte und im Preis; im Buchhandel fällt dies weg. Kunden kann sich also ein Buchhändler nicht erwerben dadurch, daß er bessere oder preiswertere Ware als sein Kon kurrent liefert. Ein Sortimentsgeschäft beruht fast ausschließ lich auf den persönlichen Eigenschaften seines Besitzers. Dessen Kenntnisse, persönliche Liebenswürdigkeit und Gewandtheit — denn Bücher zu verkaufen ist eine Kunst und eine Wissen schaft—, dessen Exaktheit, dessen persönliche Beziehungen, dessen Stellung im öffentlichen Leben geben allein den Ansschlag für das Gedeihen des Geschäftes. Alle diese Eigenschaften lassen sich aber weder kaufen noch übertragen. Je tüchtiger der Geschäftsvorgänge! war, um so schwieriger wird es der Nachfolger haben. Aber nicht allein daß beim Bcsitzwechsel durch den Weg fall persönlicher Beziehungen sich ein Teil der Kundschaft verliert, so kommt es sehr häufig auch vor, daß unvermutet neue Konkurrenz entsteht, daß z. B. der seitherige Gehilfe die Gelegenheit des Besitzwechsels wahrnimmt, um sich selbst zu etablieren, oder daß der Hauswirt erscheint und eine Miet steigerung vornimmt u. s. w. u. s. w. Die Erkenntnis, daß der durchschnittliche Reinertrag der letzten drei, fünf oder sechs Jahre, der durch die Verzinsung des für den Firmenwert bezahlten Kapitals sich mit der Uebernahme von Haus aus zudem verringert, nicht mehr erzielt werden kann, stellt sich sehr rasch ein. Die Enttäuschung ist um so größer, als der Käufer zumeist glaubte, sich, ungefähr wie man sich ein Zinshaus kauft, eine bestimmte Rente seiner Arbeit er worben zu haben. Unter diesem Trugschluß kommen die meisten Käufe zum Abschluß. Dabei darf nicht übersehen werden, daß inr Sortimente große Betriebe, wie man sie früher kannte, immer seltener werden. Die noch bestehenden gehen trotz aller Gegenan strengungen wenn auch langsam, so doch unaufhaltsam zurück. Was man früher als ein mittleres Sortimentsgeschäst be zeichnet^ gilt heute schon als ein großes. Die Höhe des dem Einzelnen bei der gegenwärtigen Konkurrenz im Sortiments betriebe möglichen Umsatzes ist in einen: offensichtlichen Rückgänge begriffen. Die Neisebuchhandlungen sind dagegen zu immer größerer Ausdehnung gelangt, und ein Jahres umsatz von vielen Hunderttausenden ist bei ihnen nichts Außergewöhnliches. Im Börsenblatt habe ich folgende Anzeige gefunden: »In einer freundlich gelegenen Kreisstadt Thü ringens von annähernd 4000 Einw. ist ein kleineres, aber solides Sortiment mit Nebenbranchen in folge späterer anderweiter Unternehmungen des jetzigen Inhabers zu verkaufen. Der Umsatz der letzten vier Jahre beziffert sich im Durchschnitt auf über 7000 die Lager- und Realwerte betragen 1500 das Erträgnis 12—1300 Forderung inkl. 1000 ^ guter Außenstände 6000 ^8. — Für einen jungen Mann, der bescheidene Ansprüche macht und dem das Leben in einer kleinen Stadt Zusagen würde, ist vorstehendes Angebot zu empfehlen.« Sie ist ein drastisches Beispiel für buchhändlerisches Denken. Für ein Geschäft, das 12—1300 ^ jährlich ab wirft, wird ein Käufer gesucht, der fiir eine Selbständigkeit mit einem Ertrag, der einem mäßigen Gehilfengehalt an nähernd gleichkommt, 3500 zahlt. Rechnet man zu den 3500 ^ und den 2500 fiir vorhandene Werte noch 1000 Betriebskapital, die zusammengerechnet zu nur gegen 250 ^ Zinsen repräsentieren, so bleiben in Wirklichkeit aber nur ungefähr 1000 übrig. Für eine Arbeitsgelegen heit also, bei der beinahe 1000 verdient werden können, werden 3500 verlangt — dem Nichtbuchhändler ist Der artiges völlig unverständlich. Wenn der jetzige Inhaber infolge späterer anderweiter Unternehmungen sein Geschäft aufgeben will, so mag er froh sein, wenn er jemanden findet, der ihm seine Lager- und Realwerte zu angemessenen Preisen abnimmt, seine Außenstände übernimmt und in seinen Miets vertrag eintritt. So wird jeder erfahrene Geschäftsmann sich äußern, wenn man ihm die Sache zur Begutachtuug unterbreitet. Ein sogenannter Firmenwert könnte bei einem Geschäfts kaufe nur dann in Frage kommen, wenn die Erträgnisse des zu kaufenden Geschäftes so bedeutend wären, daß er aus ihnen längstens innerhalb dreier Jahre amor tisiert werden könnte. Wenn die Aussicht dazu nicht vorhanden ist, dann ist ein Firmenwert ein Unding. Der Käufer giebt - gewöhnlich seine sämtlichen dispo niblen Mittel durch die Bezahlung des Firmenwertes, der auf sachverständige Beratung hin, weil es sich um eine ganz besonders hochgeachtete u. s. w. Firma handle, nicht nur auf das drei- bis vierfache, sondern sogar ans das fünf- bis acht fache des drei- bis fünfjährigen Durchschnitt-Reingewinns häufig bewertet wird, dran und ist nun nicht mehr in der Lage, irgend etwas für die Hebung des erworbenen Geschäfts auf zuwenden. Jeder unerwartete Verlust, jedes unvorhergesehene Ereignis ruft gefahrdrohende Schwankungen hervor. Er ist immer noch glücklich daran, wenn er wenigstens alles aus Eigenem bezahlt hat und nicht noch ständig Zinsen an einen Dritten abführen muß. M Will sonst im kaufmännischen Leben jemand sein Ge schäft aufgeben, so ist er sehr zufrieden, wenn er jemanden findet, der ihn: Vorräte, Einrichtung rc. rc. zu zivilen Preisen abnimmt. Gelingt ihm dies nicht, so veranstaltet er einen Ausverkauf und liquidiert. Im Buchhandel muß beim Erwerb von Geschäften auch eine andere Wertbemessung oder mit anderen Worten ein Gesundungsprozeß baldigst ein- treten. Mit Idealwelten, wie Firmenwert, darf nicht mehr gerechnet werden, sondern nur mit wirklichen Werten. Auf die seitherige Weise dürfen im Buchhandel ungezählte Summe:: nicht mehr verschleudert werden, die, zur Erweiterung des Geschäfts verwandt, Leben und Freudigkeit an der Thätigkeil geschaffen hätten. Wer ein Geschäft kaufen will, erwäge nüchtern und lasse sich nicht mehr durch eine sachverständige veraltete Tradition, eine graue Theorie beeinflussen. Mit den Klagen über den ungenügenden Ertrag der Geschäfte stimmen die Preise nicht überein, zu denen Verkäufe
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