Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.05.1874
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- 1874-05-27
- Erscheinungsdatum
- 27.05.1874
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- Deutsch
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gekommen, hatte Geschäfte und Menschen studircn können, war jetzt Besitzer einer angesehene» Buchhandlung, und mit allen Verhält nissen und Persönlichkeiten im Buchhandel vertrant, wie ich bald merkte. Wer war froher als ich! Ich hatte einen guten Freund und Führer gefunden, der sich sosort bereit erklärte, sein vorher bestelltes Logis in Leipzig mit mir zu theilcn. Nachmittags kamen wir in Leipzig an. Der Besuch beim Commissionär, das Erste, was ich unter nahm, imponirtc mir gewaltig. Welche Verhältnisse und welch' ein Treiben! Im ersten Stockwerk eine Reihe von Comptoirs, die Casse von der Buchhalterei getrennt, zusammen ein Personal von einigen 30 jungen Leuten, unten ausgedehnte Packlocalitätcn, an den Wänden kastcnartige Fächer für die Committenten, der Größe der Geschäfte entsprechend, und da wirthschafteten einige 20 Markt- Helfer in den Ballen, Kisten, Pallete» und Körben mit einer Ge wandtheit und Schnelligkeit, die mich in Erstaunen setzte-, dazu kam und ging fortwährend Rollsuhrwcrk der verschiedene» Bahnen, da zwischen gingen Post- und Tclcgraphcnbeamte ab und zu, kurzum Las Ganze war ein Bild fortwährender emsiger Bewegung; und doch ging cs so sicher, still und planmäßig dabei zu, daß man wohl merkte, ein Jeder kannte seinen Platz und seine Arbeit genau, und erfüllte, unbekümmert um die klebrigen, gewissenhaft seine Pflicht. Hier ging mir das Verständlich für unsere äußeren Verkehrsformen aus, die ja zum allergrößesten Theile auf unbedingtem Vertrauen zu Leipzig basircn. Wo die Maschine, welche das Getriebe im Buch handel in Bewegung setzt und unterhält, mit solcher Präcision, wie hier, arbeitet, da ist das Vertrauen ein gerechtfertigtes. Inzwischen hatten sich noch einige Committenten cingcjundcn, wir machten uns miteinander bekannt, und wunderten bei strömendem Regen zum „Schützcnhauje", einem wunderbaren Conglomcrat von chinesischen und griechischen Tempeln, Nadeln der Kleopatra, hän genden Gärten der Scmiramis, Alpenglühen und bengalischer Be leuchtung und was weiß ich noch, dazwischen an mehreren Stellen Jahrmarkts-Bänkclsängcrci. Mir war der Kops ganz verwirrt, als man mich bei empfindlicher Kälte in allen diesen Herrlichkeiten umher- führte und wir dann in einen eleganten großen Saal traten, wo, wie mir Gustav sagte, die erste Versammlung der College» staltfand. Es war eine durch einander wogende große Geselljchast, einzelne Grup pen saßen beim Wein, überall gab es Begrüßungen, doch sah ich auch Manchen, dem es ging wie mir, er stand allein, gaffend, rathlos. Mir kam der Gedanke, daß die Anwesenden hier doch aus geschäftlichem Interesse sich zusammcnfinden, sich aber zum großen Theil persönlich nicht kennen; weshalb wird nicht eine Einrichtung getroffen, die Per sonen äußerlich zu erkennen, ohne daß erst eine Vorstellung durch einen Dritten nölhig ist? Gustav, dem ich meine Idee mitthciltc, meinte zwar, das sei nicht nöthig, da eine große Zahl der Herren sich persönlich kennte und ein regelmäßig wicdcrkehrcnder stabiler Stamm von Meßbesuchern da sei; mir scheint aber doch, daß es den Berkehr mit den Geschäftsfreunden wesentlich erleichtern würde, wenn jeder Anwesende sichtbar eine Karte mit seiner Firma trüge, sodaß man vorkommcndensalls sich selbst vorstellen kann. Mir persönlich würde eine solche Einrichtung an jenem Abend sehr willkommen gewesen sein, da ich meinen Mentor, der durch seine Bekanntschaften viel in Anspruch genommen war, selten an meiner Seite sah. Aus diesem Grunde, und da mir hier zu geschäftlichen Gesprä chen kaum Gelegenheit geboten schien, zudem auch die Musik ohne Rücksicht aus die Unterhaltung die rauschendften Weisen spielte, sodaß mir Kopsschmcrz drohte, ging ich in die unter» Räume des Hauses, mich an den komischen Vorträgen zu ergötzen. Hier saß und stand die Zuschauermengc dichtgedrängt; aus der Bühne wechselten Gc- sangsvorträge mit Ballet- und gymnastischen Vorstellungen, den meisten Anklang aber fanden die naiv-gemüthlich in sächsischem Dialekt vorgelragenen Posten in Costüm. Ich hatte meine Freude an dem harmlosen, dankbaren Publicum, sollte aber bald gewahr werden, daß die Bühne doch nicht allein die Aufmerksamkeit fesselte, denn als ich nach dem Bortrage eines Liedes über die „Kemiedlichkeit" mich entfernen wollte, war mein Regenschirm fort, und die am Tisch Sitzen den erklärten auf Befragen sehr höflich, daß den der Herr mitge nommen habe, der soeben gegangen sei, während ich dem Vortrag lauschte. Diese Gemüthlichkeit war mir sehr störend; mein schöner, neuer Regenschirm — meine Frau hatte ihn mir noch so auf die Seele gebunden — und dabei fiel draußen derRegen inStrömen! Nimm's kaltblütig, dachte ich, das soll mir die Meßstimmung nicht verderben; indessen zog ich cs doch vor, dieses harmlose Völkchen zu verlassen und meinen Gustav wieder auszusuchen. Der war gerade im Begriff, mit einer größern Gesellschaft nach Auerbach's Keller auszubrechen. Nun bin ich zwar sonst ein streng solider Mann, der Abends nie kneipen geht; ich hatte auch an dem sauren Fcstwein, der heute hier verabreicht wurde, hinlänglich genug, jedoch die Gelegenheit, den weltberühmten Auerbach's Keller kennen zu lernen, war zu verlockend, und so entschuldigte ich mich vor meinem Gewissen ganz gern mit der Ausrede, daß ich schon des Regenschirmes wegen Gustav nicht ver lassen könne. Also mit! Wir fanden zahlreiche Gesellschaft vor, lauter Buchhändler, mit denen ich bald bekannt wurde; das war so eine Gelegenheit zum Gespräch, wie ich sic mir gewünscht hatte, und hier bekam ich denn auch mancherlei zu hören, was mir neu war; so übernahm cs Einer, den Beweis zu führen, daß wir demnächst an dem neuen Gelde 5 hh extra verdienen würden. Ich bin ein zu einfacher Mann, um einen so gelehrten Bortrag, wie ihn jener College hielt, verstehen zu können; die Sache mußte aber doch wohl ihren Haken haben, denn der Gute erntete von der Gesellschaft nur Spott. Ernst hafter wurde die Discussion über das Meßagio geführt, für dessen Beibehaltung die Sortimenter die verschiedenartigsten Momente geltend machten; namentlich imponirte mir ein Rheinländer durch seine Begründung; er bekannte ganz offen, das Meßagio habe bis jetzt jedesmal die Unkosten seiner Meßreisc gedeckt, und er habe gar keine Neigung, diese Reise fortan aus seiner Tasche zu bezahlen; das wäre das Mindeste, was die Verleger dem Sortimenter leisten müß ten dafür, daß sie Einem das ganze Jahr hindurch nur Acrgcr und Verdruß bereiteten. Und nun ging das Klagen an über die viele» Baarpackcte, den immer kleiner werdenden Rabatt, die Entziehung der Freiexemplare, das Streichen der Disponcnden und Ueberträge, dazu der übermäßig lange Credit, den das Publicum verlange rc. Zu letzterem bemerkte Gustav, daß das ja doch jeder Sortimenter nach Belieben handhaben könne, bei ihm z. B. würden jetzt die Rech nungen vierteljährlich ausgczogen und versandt, und weit über die Hälste der Außenstände ginge jedesmal prompt ein. „Mein Publicum", so fuhr Gustav fort, „hat sich, trotzdem die Concurrcntcn längeren Credit als ich geben, keineswegs an der Ein führung dieser Maßregel gestoßen, denn Jeder weiß, daß wir seit 66 in einer Periode fortwährender Veränderungen aus wirthschaft- lichcm Gebiet lcbcn, und bei der sichtbaren Preissteigerung aller Lebensbedürfnisse wird der Uebergang zu kürzeren Kreditfristen von den Kunden fast durchgängig richtig gewürdigt und wohlwollend acccptirt. Ist Einer darunter, der sich dadurch gcnirt fühlt, so kann dem ja länger crcditirt werden, im großen Ganzen ist es aber doch ein gewaltiger Unterschied, ob ich mein Geld im Jahre viermal oder einmal umsetzcn kann; ich vermehre das Bctricbscapital dadurch ganz erheblich, und bin außerdem in der Lage, schlechte Zahler leichter erkennen und ausmerzcn zu können, als wenn ich nur einmal ini Jahre meine Fühlhörner in die Kundschaft ausstrecke. Ueberhanpt — fuhr Gustav in der Beantwortung der weiteren Klagen des Rhein länders fort — sollte der deutsche Sortimenter vor allen Dingen erst
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