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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.04.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-04-21
- Erscheinungsdatum
- 21.04.1909
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
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- Saxonica
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^ so, 21 April 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandet 4793 Verbreitung guter Literatur befassen, nicht größere Mittel zur Verfügung stehen, wird es leider auch kaum möglich sein, einen sehr wichtigen Bertriebszweig dafür zu benutzen bez. auszubilden: die Kolportage. Es ist schon oft gezeigt worden, daß die großen Erfolge der Schundliteratur zum Teil daraus beruhen, daß ein ganzes Heer von Kolporteuren sich mit ihrem Vertrieb abgibt. So etwas läßt sich nur organisieren, wenn ohne Bedenken eine bestimmte Summe dafür ausgegeben werden kann, die sich im ersten Jahre vielleicht noch nicht wieder einbringt, wenn sie sich auch nach einigen Jahren bezahlt macht. Die Kolportage guter Bücher aber wäre überaus notwendig. Versuche sind in dieser Richtung bereits verschiedentlich gemacht worden.*) Gegenwärtig ist der Kolportagevertrieb guter billiger Literatur und nur guter Literatur unter Ausschluß aller Schundliteratur nir gends im Gange. Nur hier und da kümmert sich etwa ein Volks schullehrer in der Großstadt oder aus dem Dorfe darum und läßt durch seine Schüler gute Bücher verkaufen, ohne selbst Gewinn da von zu haben. Aber das sind Ausnahmen. Das Fehlen guter Kolportage beraubt daher die gute Literatur einer der wichtigsten Möglichkeiten ihrer Verbreitung. Das müßte anders werden. Hoffnung dazu besteht indessen erst, wenn die Kapitalkraft unserer gemeinnützigen Gesellschaften bedeutend gestärkt ist. Noch auf einem anderen Wege könnte die Kolportage guter Bücher gefördert werden: durch den Sortiments-Buchhandel. Augenblicklich wendet dieser meines Wissens die genannte Ber- triebssorm fast gar nicht an. Das könnte auffallend erscheinen, erklärt sich aber eben wieder dadurch, daß jede Kolportage viel Geld kostet und sich nur bezahlt macht, wenn ein recht hoher Ab satz damit erzielt werden kann. Außerdem ist der Buchhandel meist nicht geneigt, außerhalb des Kundengeschäftes größere Agitation zu treiben. Selbst wenn aber der Sortimentsbuchhandel seine Abneigung gegen den Kolportagevertrieb wie überhaupt gegen jedes Heraus treten aus dem eigenen Kundengeschäft festhalten sollte, so könnte er doch allen Bestrebungen zur Verbreitung guter Literatur einen sehr großen Dienst erweisen, indem er sich der Förderung des Ab- satzes dieser Sammlungen eifrig annähme. Gegenwärtig ist dies doch erst in beschränktem Maße der Fall. Dies soll kein Vorwurf sein; die Dinge haben sich nun einmal historisch so entwickelt. Der Sortimentsbuchhändler, der für sein Geschäft eine Unmenge von Spesen zu tragen hat, muß naturgemäß dahin streben, aus dem Verlaus der Bücher, die er vertreibt, einen zureichenden Gewinn zu ziehen, und da ist es ihm selbstverständlich lieber, wenn er ein Buch für 5 oder wenigstens für 2 Mark verkaufen kann, als wenn ihm nur ein Heft für 1V oder 20 Pfennige abgenommeu wird. Sollte der Buchhandel indessen nicht auch aus dem Verkaufe billiger Bücher sehr viel höheren Gewinn ziehen können als gegen wärtig? Ich glaube diese Frage bejahen zu müssen. Nur müßte sich der Sortimentsbuchhandel zu einem Grundsätze bekennen, der auch sonst im modernen Geschäftsleben von größter Bedeutung geworden ist — zu dem Grundsätze: großer Umsatz, klei ner Nutzen. Nicht nur die Warenhäuser verdanken ihre Er- folge diesem Geheimnis, sondern unser ganzes modernes Wirt schaftsleben baut sich mehr oder weniger daraus in die Höhe. Die Massenhastigkeit der Erzeugung und des Verbrauches, das unge heure Anschwellen unserer Großstädte, das außerordentliche Anwachsen unserer gesamten Bevölkerung überhaupt — alles das vereinigt sich zu einem Gesamtbilde, dessen Entstehung nur durch jenen Grundsatz erklärlich ist, wie es anderseits ihn auch wieder auf das wirksamste fördert. Natürlich eigncu sich nicht alle Zweige des Wirtschaftslebens in gleicher Weise zur Anwendung dieses Grundsatzes. Die National ökonomie hat uns gezeigt, daß auch in der Erzeugung der Güter *> Nähere Mitteilungen hierüber finden sich in meinem Buche »Freie öffentliche Bibliotheken (Volksbibliotheken und Lesehallen)« S. 322 s. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. nicht überall der Fabrikbetrieb, also die Massenerzeugung, sieg reich sein kann. Ebenso wird auch der Massenverbrauch sich nicht für alle Dinge erzielen und erstreben lassen. Daß er aber für Bücher erzielt werden kann, das hat uns der Erfolg der Schund literatur mit entsetzlicher Deutlichkeit gezeigt. Und da wäre es jammerschade, wenn wir für ihre Bekämpfung einen der wichtigsten Faktoren unseres Kulturlebens, eben den Buchhandel, entbehret: sollte». Jeder Buchhändler von echtem Schrot und Korn sieht aus die Schundliteratur verächtlich und feindlich herab. Er sollte auch zur Tat schreiten: er sollte also die Sammlungen guter billiger Bücher vorrätig halten und Absatz dafür zu erzielen suchen, auch wenn der Verdienst, den er an diesen Sammlungen hat, notge drungen nicht über etwa 30U, angesetzt werden kann. Aber diese Bücher verkaufen sich ja auch viel leichter als teurere, ohne daß sie doch letzteren dieAbsatzmöglichkeit erschweren. Denn wer für die eigene Büchersammlung ein schönes Buch er werben, oder wer einem Verwandten oder einem Freunde ein Buch schenken will, der wird dafür stets teurere Bücher wählen und nicht ein Heftchen zum Ladenpreise von 10 oder 20 Pfennigen. Diese werden dagegen gern als Zugabe gekauft, sie eignen sich auch als Geschenke für alle möglichen kleinen Gelegenheiten oder als Belohnung, und auch der Arbeiter und Handwerker hat die kleine Summe leicht dafür übrig. tztun könnte mir entgegengehalten werden ( alles das ist ja ganz schön und gut — aber Arbeiter und Handwerker kommen eben nun doch einmal nicht in un sere Buchhandlungen! Leider ist das im allgemeinen richtig. Aber muß es auch so bleiben? Wenn diese Kreise bisher nicht zu den Kunden der Sortimentsbuchhandlungen gehörten, so war der Grund einmal, daß gute billige Bücher früher nicht existierten und daß sie bis vor kurzem von manchen Buchhand lungen nicht vorrätig gehalten wurden — und zweitens war die Fernhaltung von Arbeiter» und Handwerkern, überhaupt von Angehörigen der weniger wohlhabenden Bevölkerungsschichteu darin begründet, daß viele Sortimentsbuchhandlungen bisher nicht zu dem modernen Grundsätze übergehen wollten, daß es jedem Vorübergehenden gestattet sein sollte, sich in einem Geschäft danach umzusehen, ob er etwas Passendes finden könne, und den Laden unangefochten wieder zu verlassen, wenn er sich nicht zuni Kaufe entschließen kann. f^Dieser Grundsatz der Abschaffung des morali- s ch e nIK a u s z w a n g e s ist bekanntlich in den Bereinigten Staaten von Nordamerika allenthalben zum Durchbruch ge kommen. Man denkt nicht daran, ihn wieder fortzuwünschen. Ganz im Gegenteil: die Erfahrung hat gelehrt, daß das Publikuni entschieden mehr kauft, wenn man es keinem Zwang unterwirft. Natürlich gibt es Leute, die dies mißbrauchen und die sich etwa in großen Wäsche- oder in Modewaren-Geschäften stundenlang die ver schiedensten Waren vorlegen lassen, ohne auch nur für einen Cent zu kaufen. Aber alles in allem betrachtet, wird doch die Kauflust der Menge dadurch erheblich gesteigert. Die Regel ist, daß jemand, der ein Geschäft betritt, ohne sest entschlossen zu sein, etwas zu kaufen, es verläßt, nachdem er mehrere Einkäufe gemacht hat. Denn gerade der Umstand, daß ihm die Verkäuferinnen alles, was er zu sehen wünscht, in der liebenswürdigsten Weise vorlegen, ohne ein schiefes Gesicht zu ziehen, wenn sie es nachher unverrichteter Dinge wieder sortpacken müssen, reizt dazu, sich viele Dinge anzu sehen, die man sonst nicht näher betrachten würde, weil man den moralischen Kaufzwang, der bei uns in Deutschland herrscht, fürchtet. Entschließt sich der Buchhandel dazu, den moralischen Kauf zwang bei sich abzuschassen, so würde meiner Ansicht nach sein Ein kommen nicht unerheblich wachsen. Denn er würde dann Zuspruch auch von allen denen haben, deren Beziehungen zur Literatur recht oberslächlich sind und die eine Buchhandlung das ganze Jahr vielleicht nur einmal betreten. Haben sie ein Geschenk zu machen, so wählen sie dies lieber in einem Warenhaus oder in einem Bijou- 623
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