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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.09.1909
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1909-09-20
- Erscheinungsdatum
- 20.09.1909
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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»V 218, 20. September 1SÜS. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 10793 können. Eine schlechte Nachahmung wird man leichter als fremde Zutat erkennen, während bei einer gewandten Nachahmung oder Ergänzung stets der Verdacht einer Fälschung vorliegt, der mißtrauisch gegen das Ganze macht. Der äußerst gewandte Hand schriftenfälscher Constantin Simonides hat in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts den englischen, französischen und deutschen Gelehrten, darunter besonders Dindorf, Lepsius, Tischen- dorf, mit seinen gefälschten Handschriften viel zu schaffen gemacht. Behauptete doch Simonides, den von Tischendorf zwischen 1844 und 1859 auf dem Sinai entdeckten Ooäex Liuaitieus 1840 auf dem Berge Athos geschrieben zu haben? Den modernen Fälschungen alter Handschriften wird durch die raffiniertesten Mittel, durch Färben, Beizen, Räuchern usw. der Anschein des Alters zu geben versucht. Reproduktionen von alten Handschriften sind manchmal in allen Einzelheiten so täuschend hergestellt, daß sie den Leicht gläubigen und Laien irreführen können. Durch ihren leicht begreiflichen Wunsch, vollständige und schöne Exemplare seltener Werke zu besitzen, geben Sammler und Liebhaber nicht selten Veranlassung zu Täuschungen und Fäl schungen. Sie erwerben ein kostbares Werk, dem aber ein Blatt oder ein Bild fehlt, die nun mit der Hand oder auf photomecha nischem Wege verblüffend ähnlich auf Veranlassung des Besitzers hergestellt und dem Werke einverleibt werden, so daß nur die genaueste Prüfung den Unterschied zwischen dem echten Teil und der unechten Ergänzung aufzufinden vermag. Schließlich geht das so vervollständigte Exemplar in andere Hände über oder wechselt mehrmals den Besitzer, bis man nickt mehr weiß, daß das Exemplar mangelhaft ist. Vor einer solchen Täuschung schützt nur die genaueste Untersuchung aller Einzelheiten bis auf das Wasserzeichen des Papiers herab und die Vergleichung mit einem unzweifelhaft echten vollständigen Exemplar einer öffentlichen Bibliothek. Die Reproduktion kann nämlich noch so gelungen sein, sie wird dennoch immer irgendeine kleine Abweichung oder Unregelmäßigkeit zeigen, die mit der Lupe vielleicht zu ent decken ist. Vor Jahren tauchte ein Exemplar des berühmten Briefes des Christoph Columbus vom 14. März 1493 über die Entdeckung Amerikas auf, von dem man nur ein Exemplar in der Ambrosiana in Mailand kannte. Das Exemplar wurde für 18000 Mark nach New Jork verkauft, stellte sich aber schließlich als eine Photo lithographie nach einem kalligraphischen Faksimile des Exemplars der Ambrosiana heraus. In Handschriften und Inkunabeln ist öfter der Platz für Initialen, Miniaturen und sonstige Verzierungen ausgespart, aber seinerzeit nicht ausgefüllt worden. Dafür geschieht dies gelegent lich in unserer Zeit von fingergewandten Künstlern nach alten echten Vorlagen, wodurch ein Anlaß gegeben ist, derartig ver schönte Exemplare um ein Vielfaches im Preise zu steigern. Daß reiche Sammler in vielen Fällen grundsätzlich nur voll ständige, sehr gut erhaltene und wo möglich in den ersten Einband gebundene Exemplare seltener oder wertvoller Schriften kaufen, ist nur anzuerkennen. Dem Sammler, der zu wissenschaftlichen Zwecken alte Bücher sammelt, wird es aber niemand verdenken, wenn er seltene Exemplare in defektem Zustande kauft und sie aus anderen defekten Exemplaren zu vervollständigen sucht; denn er sagt sich: lieber ein unvollständiges Exemplar des Werkes als gar keins. Vielleicht gelingt es ihm auch, ein zweites Exemplar aufzutreiben, was freilich oft sehr zweifelhaft und kostspielig ist. Gelingt dies aber, so kann ihm niemand verwehren, das zweite oder schlechtere Exemplar zur Vervollständigung des besseren Exemplars zu benutzen. Derartige Ergänzungen sind manchmal sehr schwer zu entdecken. Einen besonderen Fall berichtet Eudel (1.6 t,rugua.Z6, p. 255). Dem Pariser Buchhändler Porquet, einem seinerzeit ausgezeichneten Kenner, wurde einmal eine Inkunabel zur Prüfung vorgelegt, die anscheinend zu keiner Beanstandung Anlaß gab. Sie zeigte zwar Wurmlöcher, die aber in alten Büchern öfter Vorkommen. Dem Herrn Porquet siel es aber auf, daß mitten zwischen den wurm zerfressenen Blättern auch ein Blatt ohne Wurmloch war. Da lag der Hase im Pfeffer! Das Blatt ohne Wurmloch war aus einem andern Exemplar des Werkes eingesetzt, denn die geheimnis vollen Bücherwürmer haben nicht die Gewohnheit, wenn sie ihre Stollen durch ein Buch fressen, plötzlich vor einem Blatte Halt zu machen, dieses zu verschonen und sich auf dem nächsten Blatte Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang in der bisherigen gleichen Richtung weiter durchzufressen. Wird ein defektes Werk auf solche Weise aus einem zweiten Exemplar ergänzt, so sollte jedenfalls vermieden werden, daß der Defekt einem Exemplar einer späteren Ausgabe entnommen wird. Dem ersten Besitzer mag dies ja unbenommen sein, aber die späteren Besitzer, die von der Ergänzung vielleicht gar nichts wissen, kann der Borwurf unlauteren Gebarens treffen. Es braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß der rechtliche Handel in seinen Katalogen und bei Angeboten ausdrücklich auf solche Ergänzungen aufmerksam macht. Das Papier spielt bei solchen Ergänzungen und Fälschungen überhaupt eine große Rolle. Der bekannte Fälscher W. H. Jre- land, der zahlreiche Shakespeare-Manuskripte fabrizierte, erzählt in seinen »6ouk688ioo8«. welche großen Schwierigkeiten esihm machte, das geeignete alte Papier dafür aufzutreiben. Das Papier, bezw. das Wasserzeichen in demselben bietet manchmal eine Handhabe zur Aufdeckung von Fälschungen oder von unberechtigten Ausgaben. So gibt es z. B. von dem Werke Byrons: »LvAli8ll Larck8 avck Leoteb ksvi6W6l-8« mehrere unechte, d. h. unberechtigte Ausgaben- Das Werk erschien ursprünglich ohne Datum (1809), von Caw- thorne herausgegeben, und kann in dieser ersten Ausgabe am besten durch das Wasserzeichen, die Zahl 1805, festgestellt werden. Das »Athenaeum« vom 5., 19., 26. Mai und 2. Juni 1894 enthält eine Artikelreihe über diese unechten Ausgaben (8Iat6i-, Handb. f. Büchersammler 1906). Die Geschichte der Fälschungen bietet verschiedene Beispiele dafür, daß sehr gelehrte Herren durch Spaßvögel, Betrüger und dumme Jungen zur Abfassung umfangreicher Werke veranlaßt worden sind. So erschien 1726 von dem Professor Joh. Barth. Beringer ein Foliant mit zahlreichen Abbildungen von vorsintflut lichen Versteinerungen, Spinneweben, sechsflügeligen Schmetter lingen, androgynen Urfröschen und andern Seltsamkeiten unter dem diesen Ungeheuern entsprechenden Titel: »lütllosrapbiiw ^Vire6buiA6N8i8 ckue6uti8 lapickum ÜAuratorum a, potioro in86eti- ü»ui-i8«. Alle diese Dinge hatte Beringer unter Beihilfe seiner Schüler selbst gefunden und ausgegraben. Aber noch während des Druckes des angeführten Werkes wurde er inne, daß seine Schüler ihn schändlich hintergangen hatten, indem sie jene sogenannten urweltlichen Versteinerungen selber in Kalkstein geritzt, das Ganze heimlich vergraben und dann im Beisein ihres Lehrers frohlockend wieder aufgefunden hatten. Der gute Professor mußte in einem Anhang zu seinem Werke mit blutendem Herzen Aufschluß zur Steuer der Wahrheit geben und ließ das Werk zurückziehen. Hierher gehört auch das »Buch der Wilden« des Abbe Do- menech, das Anfang der sechziger Jahre vorigen Jahrhunderts in kostbarer Ausstattung mit Tafeln in Paris erschien. Die Sudeleien eines deutschen Hinterwäldlerjungen wurden von dem leichtgläubigen Abbe mit einem grundgelehrten Kommentar ver sehen, der die Zeichnungen des dummen Jungen als Ausfluß der tiefsten kosmogonischen Offenbarungen der Indianer pries und eingehend erläuterte. Vor einigen Jahren tauchte ein Exemplar dieses Werkes wieder einmal im Handel auf. In ähnlicher Weise wurden Boucher de Perthes, der Herzog von Luynes, der Chemiker A. Meillet hinters Licht geführt. Auch in den bekannten: Fälschung Eingang gefunden. Viollet gibt auf Tafel 37 des 2. Bandes die Abbildung eines gefälschten alten Leuchters wieder, den A. Fould, der bekannte Minister Napoleons III., seinerzeit für 26 000 Franken gekauft, später aber als unecht zurück gegeben hatte. Wenn man Ende des achtzehnten Jahrhunderts in Lyon Erstausgaben von Racine, in Rouen Erstausgaben von Möllere mit unzulänglichen technischen Mitteln täuschend herstellte, so können die heute auf photomechanischem Wege hergestellten Faksimile-Ausgaben alter Schriften wohl niemand mehr ernstlich beirren. Ebenso dürften die Praktiken leicht aufzudecken sein, wenn gewissenlose Menschen neuere Ausgaben mit Titeln der ältesten Ausgabe versehen oder die Jahreszahlen ändern, um das Buch älter zu machen. Der Einband des Buches muß gelegentlich auch zu absicht lichen oder unbewußten Täuschungen herhalten. Ein unberührtes, d. h. unbeschnittenes und unanfgeschnittenes Exemplar eines be- 1403
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