Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.12.1877
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- 1877-12-17
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- 17.12.1877
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-V 2S2, 17. Deccmber. Nichtamtlicher Theil. 5019 Nichtamtlicher Theil. Eine literarische Weihnachtsbctrachtung. Von Johannes Proelß.») Die poetisch-sinnige Sitte der Deutschen, das Christfest durch ein gegenseitiges Sichbeschenken zu feiern, hat im Verein mit dem im Großen und Ganzen sich geltend machenden Mangel an Sinn für edlen Luxus es sür Viele, die dem gebildeten Deutschland ange hören, zur üblen Gewohnheit werden lassen, gewisse Anschaffungen fürs Haus aus diese willkommene Gelegenheit zu verspanen. Zu edlem Luxus gehört besonders auch die Bereicherung der Privatbibliothek durch Werke der schönen Literatur, durch Bücher, deren Besitz nicht durch irgend ein praktisches, zwingendes Bedürsniß gefordert ist. Durch das Herannahen des diesjährigen Christfestes angeregt, unsere Leser auf einige neuere Erscheinungen des deutschen Buch-und Kunst handels, welche sich besonders zu Weihnachtsgeschenken empfehlen, hinzuweisen, drängt sich uns diese Betrachtung mit besonderer Leb haftigkeit aus und macht den Wunsch in uns rege, bei dieser Gelegen heit die Kauflust derselben aus die Erzeugnisse der Literatur mit be sonderem Nachdruck zu lenken. Jetzt nun vollends, wo alle Welt, bis hinaus zum Millionär über die schlechten Zeiten klagt und sich auf das „Allernothwendigste" beschränken zu müssen behauptet — wozu allerdings gar vieles gerechnet wird, dessen des Leibes Nahrung und Nothdurst füglich recht gut entrathen könnte —, erscheint es uns als eine Pflicht, die Mahnung auszusprechen, beim Entwürfe der Wunschzettel die Nahrung und Nothdurst des Geistes und des Gemüths nicht zu vergessen und bei den Kaufexpeditionen in die Stadt nicht an den Läden der sehnsüchtigen Sortimentsbuchhändler vorbeizugehen, welche wahrlich Ursache haben, in erster Reihe das Lied von der schweren Noth der Zeit anzustimmen. Nicht aus letzterem Grunde. Sondern es liegt auf der Hand, daß ein gesundes Literaturleben nicht bloß das Schaffen der Schrift steller, sondern die rege Theilnahme des Publicums an demselben als Basis voraussetzt. Und es ist nicht zu leugnen, daß gegenwärtig hier ein Mißverhaltniß besteht, daß ein inniges Interesse an der literarischen Production der Zeitgenossen selbst in „literarisch ange regten" Kreisen sehr zu vermissen ist. Auf keinem wirthschaftlichen Gebiete ist ein so schroffer Contrast zwischen Angebot und Nach- srage, wie aus dem des Bücherwesens. Wohl tragen hier die ge- sammten Zeitverhältnissc die Schuld. Die Zahl Derer, welche sich berufen oder unberufen der Literatur widmen, ist eine weit größere als je, während zugleich die literarischen Interessen aus geschicht licher Nothwendigkeit beim Publicum hinter den politischen zurück- getreten sind. Die Fülle des Werthlosen, welche, marktschreierisch mit dem Ellenbogen der Reclame sich vordrängend, dem oberfläch lichen Betrachter zunächst als die Literatur der Gegenwart sich an kündigt, hat zudem ein gewisses Mißtrauen gegen die zeitgenössische literarische Production überhaupt hervorgerufen, und die Fülle guter geistiger Unterhaltung und Belehrung, welche unsere perio dische Literatur dem Publicum kostenlos, bequem und in will kommen kleinen Rationen darreicht, hak das große Publicum theils der Buchliteratur entfremdet, theils geradezu unfähig gemacht, größere Werke zu lesen. Doch alles dies und die vielen andern Motive entschuldigen nicht zur Genüge den Grad der Theilnahm- losigkeit, unter welchem die zeitgenössische Literatur zu leiden hat. Auch Frankreich und England haben eine Blüthe der periodischen *1 Wir Iheiten hier den allgemeinen Theil eines Aussatzes mit, welchen die soeben erschienene Nr. 6 der „Allgemeinen Literarischen wie die in ihm geltend gemachte Auffassung das Interesse des Buch handels in besonderer Weise berührt. D. Red. Presse wie nie zuvor zu verzeichnen, auch dort steht das politische Leben im Vordergrund, aber wie anders achten diese Nationen auf die Regungen ihres geistigen Lebens, wie gestaltet sich das Erschei nen eines neuen Werkes irgend eines ihrer geachteten Schriftsteller zu einem Fest; Jeder setzt seine Ehre darein, es kennen zu lernen, es gelesen zu haben; Auflage folgt auf Auflage; Wochen entscheiden über den Ersolg eines Buchs, wozu bei uns Jahre gehören, und keine Saison vergeht ohne eine Reihe „literarischer Ereignisse". Werfen wir jetzt einen Blick über das literarische Leben des nun zu Rüste gehenden Jahres und suchen wir aus der Menge der Einzelerscheinungen bezeichnende Merkmale für dessen Gesammt- charakter zu erspähen, so tritt uns vor allem ein negatives ins Be wußtsein: der gänzliche Mangel solcher literarischen Ereignisse, deren Erfolg den Beweis lieferte, daß sie sür das deutsche Publicum wirklich dergleichen gewesen. „Nun", höre ich fragen, „was hat denn das vergangene Jahr gebracht, das wirklich geeignet gewesen wäre, allgemeines Aussehen zu erregen?" Dem erwidern wir, daß, wenn auch größere poetische Erzeugnisse ersten Ranges ausgeblieben sind, doch eine ganze Reihe von Werken erschienen sind, deren Publication in England und Frank reich ihrem Ersolg nach ein Ereigniß geworden wäre. ... Und wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß die Zahl wirklich gediegener, harmonisch durchgearbeiteter Bücher im Verhältniß zum statistischen Wachsthum der typographischen Production überhaupt von Jahr zu Jahr eine kleinere wird, so haben doch auch in diesem Jahr die Gebiete der Aesthetik und Philosophie, der Cultur- und Kunst geschichte, der Länder- und Völkerkunde sehr werthvolle Bereiche rungen erfahren, von denen allerdings anzunchmen, daß verhältniß- mäßig nur wenige in den Privatbesitz Derer, für die sie bestimmt, übergegangen sind. Das literarische Schaffen unserer Tage hat wohl sein charak teristischstes Merkmal in der Neigung der Schriftsteller, sür die Aus sprache ihrer Gedanken und Ideen die kurzen Formen des Essay, der Plauderei, der Novelle, der Skizze und ähnlicher Gattungen zu wählen. König Feuilleton herrscht nicht nur in der periodischen Presse, sondern auch in der Bücherwelt. Dasjenige Publicum, welches hierin eine Schattenseite erblickt, pflegt die Schuld davon einzig den Schriftstellern zuzuwälzen. Es hat hierzu aber nur ein halbes Recht. Jede Literatur ist das Product der Gesammtverhältnisse ihrer Zeit. Die Abneigung im größeren Theil des lesenden Publicums selbst gegen umfangreiche Bücher, dessen eigene Vorliebe für die kurzen Formen, bedingt durch den Hochdruck des modernen hastigen Lebens, welcher Stimmung und Sammlung nur selten und bei den Wenig sten auskommen läßt, haben den größeren Theil der Berlagsbuch- händlcr entmuthigt, ihr Geld in großen, gediegenen, aber keinen ge wissen Absatz verbürgenden Büchern anzulegen, die sich so oft als hoffnungslose Experimente darstellten. Ein Autor — und sein Rus kommt dabei nur wenig in Betracht — findet heute zehnmal leichter einen Abnehmer und zehnfache Honorirung sür eine Arbeit kurzer Fassung, als für die Resultate jahrelanger hingebender Arbeit. Und „am Golde hängt, nach Golde drängt" bis zu einem gewissen Grade auch jeder Arbeiter auf geistigem Felde. Die Zahl derjenigen vornehmen Geister, welche unbeeinflußt bleiben von diesem Ver langen der Zeit, ist eine sehr kleine, und es ist nicht zu verwundern, daß wir dieselben Autoren, welche noch vor 10 Jahren mit Stolz und Verachtung auf die Leute, welche sür „ungelehrte" Zeitschriften schrieben, herunterblicktcn, in unseren Tagen unter deren vorderen Reihen sehen. Das macht, die periodische Literatur erfreut sich gegenwärtig bei uns einer nie dagewesenen Blüthe, und ihr Sirenen gesang hat die bedeutendsten Köpfe der Nation in ihren Dienst zu 682»
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