Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.03.1927
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- 1927-03-22
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X; 68. 22. März 1927. Redaktioneller Teil. als »Gleichstellung« behandelt werden dürfe; vielmehr müsse aus dem Zusammenhang sowie aus etwaigen sonstigen Nebenumständen der Kernpunkt des Vergleichs, das sogenannte tertlrun cowparatlonls, er forscht werden. Ob das Schwurgericht diese Regel beobachtet habe, sei mindestens zweifelhaft. Dann heißt es wörtlich weiter: Wird aber insbesondere darauf Bedacht genommen, daß das Gedicht die im Frühling unter dem Wechsel der Naturgewalten sich vollziehende Erneuerung der Natur schildert, und wird aus diesem Zusammenhang heraus der Kernpunkt des Vergleichs ermittelt, so kann auch sehr wohl der Gedanke in Betracht kommen, daß die Erneuerung der Natur im Frühjahr, edenso wie die geistige Erneuerung, die im Er- lösungswerk Christi gipfelt, teilweise sich unter Weh vollzieht, das bei den niedrigen Geschöpfen, ebenso wie beim Mensch gewordenen Gott, nach irgendeinem Ausdruck ringt. Der Kernpunkt des Ver gleichs wäre dann die Äußerung des — einen Durchgangspunkt der Erneuerung bildenden — Wehs, nicht die Art, in der dieses Weh zum Ausdruck gebracht wird. Wäre das der Sinn des Gedichts und der beiden Verse, dann käme eine Gotteslästerung nicht in Frage, mag auch die Fassung geschmacklos sein und auf viele Menschen abstoßend wirken. Wäre allerdings die Äußerung zwei- oder mehrdeutig, wäre dabei das Merkmal der beschimpfenden, Gott lästernden Äußerung gegeben und hätte dies der Angeklagte mindestens als möglich erkannt und dennoch gewollt, dann würde die bloße Möglichkeit einer anderen, den Begriff der Gotteslästerung nicht erfüllenden Deutung die Anwendung des § 166 StrGBs. nicht ausschließen. Honorare für Karikaturenzeichner in England und Amerika. — Die bei amerikanischen und englischen Tageszeitungen so stark in Auf nahme gekommenen »cowic strips« und »cartoons« haben bei den Lesern eine immer noch anhaltende Beliebtheit errungen. Die Folge davon ist, daß sich die Verleger um die besten Zeichner streiten und ihnen außerordentlich hohe und Hefte Jahreseinkommen gewähren. Die beiden höchstbezahlten cartoon-Z^ichner in London haben ein Jahres einkommen von 4006 bzw. 4500 Pfuud, also 80 000 bzw. 90 000 Mark jährlich. Sie stehen aber noch weit zurück gegen ihre amerikanischen Kollegen, von denen die bekanntesten und gesuchtesten über 100 000 Dollar jährlich beziehen. Der bekannteste unter den amerikanischen Zeichnern, Harry (Bud) Fisher, der Verfasser der von glänzendem Publikums erfolg gekrönten Serie »Mutt und Jeff«, hat ein Jahreseinkommen von 250 000 Dollar, wie in dem von seiner Gattin zurzeit anhängig gemachten Ehescheidungsprozeß festgestellt wurde. Der verhandelnde Richter konnte sich nicht genug über diese Einnahmen wundern für »das kindlichste und sinnloseste Zeug, das er je gesehen hätte«. »Wie ist es nur möglich«, so fragte der Richter, »daß sich jemand 'findet, der derartige Honorare für dergleichen zu zahlen bereit ist«. Die Erklärung ist darin zu suchen, daß sich zur Ausbeutung der »Car toons« besondere Syndikate bilden, die den Absatz an eine große Zahl von Blättern in die Hand nehmen und trotz der riesigen Hono rare für die Zeichner noch .erhebliche Überschüsse aus dem Vertrieb ziehen, vorausgesetzt natürlich, daß der betreffende »cartoon« ein schlägt. Die Zahl derartiger Syndikate geht in den Vereinigten Staa ten schon in drei oder vier Dutzend, und als natürliche Reaktion tritt auch nicht selten schnell eine Übersättigung des Publikums ein. Ein zelne Karikaturenzeichner verstehen es indessen, sich lange in der Gunst des Publikums zu halten. Als Ganzes betrachtet find die Karikaturen sowohl in England wie noch mehr in Amerika dauernd bei großen Leserschichten beliebt und entsprechen in ihrem grotesken Humor der allgemeinen Neigung. Die Senckenbergische Bibliothek in Frankfurt a. M. — Am 28. Februar 1907 wurde die Senckenbergische Bibliothek als öffent liche Bibliothek der Allgemeinheit übergeben. Entstanden ist die Biblio thek viel früher. Sie ist ein Teil der von Johann Christian Sencken- berg 1763 ins Leben gerufenen Stiftung. Wesentlich vermehrt wurde die Bibliothek Lurch die Bücherbestände der Senckenbergischen Natur- forschenden Gesellschaft (gegründet 1817), des Physikalischen Vereins (gegründet 1824), des Geographisch-Statistischen Vereins (gegr. 1836) urrd des Aerztlichen Vereins (gegr. 1845). Die Bibliothek diente bis 1907 hauptsächlich den Mitgliedern der Senckenbergischen Stiftungs- Institute und der oben genannten Vereine. Im Juli 1907 fand der Umzug der Bibliothek, die bis dahin am Eschenheimertor gewesen war, in das neue Bibliotheksgebäude an der Viktoria-Allee statt, wo auch die Naturforschende Gesellschaft und der Physikalische Verein neue prächtige Gebäude errichtet hatten. Ungefähr gleichzeitig wurde in räumlicher Verbindung mit den genannten Instituten die Akademie für Handels- und Sozialwisscnschasten eröffnet. Diese Vereinigung wissen- 326 schaftlicher Institute war die Vorstufe der Frankfurter Universität, die 1914 ins Leben trat. Die Senckenbergische Bibliothek wurde damit Universitätsbibliothek für die Fächer der Naturwissenschaften und der Medizin (daneben Geographie). Die Bibliothek blühte seit 1907 sichtlich auf und vermehrte ihre Bestände beträchtlich, wozu der städtische Zuschuß (seit 1910/11) wesentlich beitrug. In eine sehr schwierige Lage geriet die Bibliothek in den letzten Kriegsjahren und in der sich daran anschließenden Inflation. Eine Wendung trat dadurch ein, daß die Universität 1922 einen namhaften Zuschuß gewährte und daß 1923 die Senckenbergische Bibliothek in den Etat der Universität völlig übernommen wurde. Damit begann für die Bibliothek eine neue Blütezeit, soweit dies in der Nachkriegszeit überhaupt nröglich ist. Die Bibliothek übernahm unter anderem den gesamten Tausch verkehr der Naturforschenden Gesellschaft und dehnte ihn sehr wesentlich aus. Die Bibliothek unterhält derzeit mit rund 1000 gelehrten Ge sellschaften, Akademien, und Instituten einen sich über den ganzen Erd ball erstreckenden Tauschverkehr, hauptsächlich mit den Veröffentlichun gen der Naturforschenden Gesellschaft. Die Bibliothek hat heute etwa 2000 laufende, darunter rund 1200 ausländische Zeitschriften. Sie besitzt damit von allen deutschen Bibliotheken (außer der Preußi schen Staatsbibliothek) die meisten ausländischen Zeit- und Gesell schaftsschriften auf dem Gebiete der Naturwissenschaften. Die Zahl der Zeitschriften könnt« durch Ausdehnung des Tauschverkehrs leicht gesteigert werden, wenn dem nicht Personalmangel und Geldmangel (Bindekosten!) entgegenständen. Die Bibliothek zählte 1907 75 000 bibliographische Bände, heute über 175 000; sie hat also in den 20. Jahren ihren Bestand weit mehr als verdoppelt. Zur Geschichte der Initiale. — In der Preußischen Akademie der Wissenschaften sprach Professor Adolph Goldschmidt über »Die figu rierten Buchstaben der mittelalterlichen Handschriften« und wußte ihre Geschichte in fesselnder Weise als Spiegelung der großen in Europa wirkenden Kulturen darzustellen. Die Verschmelzung von Buchstaben und Bild ist ein Vorgang des Mittelalters. Während im Altertum Bild und Schrift als etwas völlig Verschiedenartiges nebeneinander stehen, gehen beide etwa seit- dem 7. Jahrhundert eine Verbindung miteinander ein; entweder wird dabei der Buchstabenkörper selbst aus figürlichen Bestandteilen zusammengesetzt, oder eine bildliche Dar stellung wird in den im übrigen intakten Buchstaben hineingestellt oder ihm irgendwie angegliedert. Im ersten Fall sind die figürlichen Bestandteile meist rein ornamentaler Natur, phantastisch und ohne Zu sammenhang mit dem Text, im zweiten dagegen verbildlichen sie diesen irgendwie. Die erste Art, von neuen nordalpinen Volkselementen, be sonders von England und Nordfrankreich ausgehend, hat ihre Aus bildung durchaus im Abendland erhalten, während die zweite ihre Anregungen fast stets von Byzanz und Italien empfangen hat, also von den Trägern antiker Tradition, wie dies ja auch dem übrigen Gegensatz der abstrahierenden und der naturnahen Kunst der beiden Kulturen entspricht. Es läßt sich dementsprechend im Abendland ein Wechsel in den beiden Arten beobachten, der offenbar mit stilistischen Einflüssen der byzantinischen Kunst zusammenhängt. So treten in den karolingischen Schreiberfchulen unter östlichem Einfluß die sachlichen Jnitialbilder in Gegensatz zu den angelsächsisch-nordfranzösischen Phantasiebuchstaben, machen sich auch wieder seit dem Ende des 11. Jahrhunderts unter byzantinischem Einfluß geltend und bleiben durch die Gotik weiter bestehen, bis seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, wohl im Anschluß an die im Buchschmuck Heranwachsenden Drolerien, wieder eine besondere Beliebtheit phantastischer Figurenalphabete her vortritt, die sich erst in der Renaissance allmählich verliert. Die 6. Neichsschulmusikwoche in Dresden. — Die 6. Neichsschul- musikwoche wird vom Ministerium für Volksbildung und dem Zentral- institut für Erziehung und Unterricht in der ersten Hälfte des Oktober in Dresden veranstaltet werden. Steinzeit-Ausstellung in Köln. — Die 49. Tagung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft soll in diesem Jahre vom 14.—16. Sep tember in Köln abgehalten werden. Mit der Tagung wird eine Aus stellung aus der mittleren Steinzeit verbunden, in der die Kölner Sammlungen, wohl die größten in Deutschland, zusammen mit aus wärtigen Sammlungen gezeigt werden sollen. Biicherbeschlagnahmc. — Im Verfolg eines Verfahrens gegen die Anzeigenv-erwaltung des »Simplicissimus« erschienen am 11. März in den Räumen der Firma Fackel-Verlag, Versandbuchhandlung, Inh. G. Bowitz in Statt gart drei Kriminalbeamte nebst einem Dienst mann und nahmen von den Lagerbeständen der Firma zahlreiche
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