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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.10.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-10-01
- Erscheinungsdatum
- 01.10.1914
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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Redaktioneller Teil. 228, 1. Oktober 1314. Freilich, wir müssen »suchen«. Und das Sortiment mutz auch zu kleinen Opfern bereit sein — es soll nicht das Soll und das Haben mit jener Peinlichkeit beobachten, die sich wohl im Frieden, nicht aber jür einen Krieg ziemt, in dem es den Einsatz von Gut und Blut und Deutschsein gilt. Wer meint, das Lesebedllrfnis des deutschen Volkes gehe in dieser Zeit nicht über die Spalten der Tageszeitungen und die Kolumnen der aktuellen Literatur hinaus, der befindet sich in einem bequemen Irrtum der wartet - was ihm im Frieden niemals eingefallen wäre — aus ein forderndes Publikum. Woher soll denn aber das Publikum diese »For derung« nehmen? Wer soll es auf die Neuerscheinungen der Gesamtliteratur aufmerksam machen, heute, da die Presse auch nicht den geringsten Raum für Buchbesprechungen, Titel hinweise übrig hat? Ist es nicht Pflicht des Sortimenters, seine Kundschaft aus die Erscheinungen des Büchermarktes hinzuweisen, »Propaganda« zu machen? Oder soll der Verlag gezwungen sein, zur Selbsthilfe zu greifen, seine Werke auf eigene Faust zu vertreiben? Dann liegt die Gefahr nahe, datz dem Sortiment für immer der Vertrieb der jetzt von ihm stiefmütterlich behandelten Literatur entzogen bleibt. Will man das? Gewitz nicht, und nicht zum letzten im Interesse der Literatur selbst! Aber dann heitzt es eben: nicht nur für den Augenblick arbeiten, nicht ganz in der Kriegs- literatur aufgehen, die sich von selbst verkaufen wird, sondern etwas, etwas wenigstens an die Gesamtltteratur und damit an die Zukunft denken! Datz das deutsche Volk, trotz des Schlachtenlärms, mit stillen Büchern Zwiesprache halten kann und will, ist eben auch eine Stärke, ein Beweis seiner Inner lichkeit, ein Zeugnis seiner Kulturhöhe. Diesen Willen zu unterstützen, ihm die grotze Möglichkeit zu geben, aber ist in dieser Zeit mehr denn je — die nationale Pflicht des Sortimenters. Franz Dülberg eröfsnete das Nürnberger Stadttheater mit Worten, die auch der Literatur zukommen: Ist denn ein solches Spiel nicht Frevel In dieser Zelt, wo alles: An das Steuer, Zur Waffel ruft? Nein, es ist Pflicht und Nutz! Der Drang der Stunde, der das Hirn zerschnürt. Das Greisen nach gewors'nem Zeitungsblatt, Das Eilen, Rennen, Fragen, Bangen, Jubeln Will eine Pause, sonst zersprengt es uns. Und auch Karl Hans Strobls Artikel »Kriegsdiätetik der Seele« (Der Tag Nr. 219) gehört hierher, in dem er sagt: Das gleiche gilt von den Büchern, die zu lesen not tut. Not tut, denn ich glaube, weniger als je sollte in diesen Zeiten die Zeitung unsere einzige Lektüre sein. Die Zeitung befriedigt unsere erste, Helge Neugierde, sie ist unerläßlich, denn von Stunde zu Stunde ändert sich jetzt das Antlitz der Welt, und da wir mit unserem ganzen Sein un- auslöslich in bas Geschehen dieser Tage verflochten sind, haben wir ein Recht darauf, die Wahrheit des Augenblicks zu erfahren. Aber die Zeitung zieht uns auch wieder allzusehr in die Verworrenheit des Ge schehens nieder, sie vereinzelt uns mit unseren Kräften, sie reibt uns an hundert verschiedenen Nachrichten, und es bleibt unserer Seele das Be dürfnis, über die Wahrheit des Augenblicks zur Wahrheit der Dauer vorzudringen. Darum müssen wir der Auswahl der Bücher, die wir lesen, besondere Aufmerksamkeit zuwendcn. Abgetan sei alle leichte und seichte, platte und stumpfe Ware des Marktes. Wir sind unendlich reich an Schätzen, jede einigermaßen wohlbestelltc Bücherei ist eine Hausapotheke für den Kriegsbedarf. Dars ich einiges von dem nennen, ivas sich bewährt? Als Antwort auf die jetzt so ungemein wichtige Frage: Was soll ich lesen? Da sind vor allem in langen Reihen die Klassiker des Altertums. In kühler, gemessener Ruhe sind die Be gebenheiten der Vorzeit ausgezeichnet, Leidenschaften, Verbrechen und Heldentaten wie in gesponnenes Glas gefaßt, und was unserer Seele als Gewinn davon cingeht, ist die Kühle der Betrachtung, die Größe der Erhebung über den Moment. Von den Engländern nach Canada verschleppt, später in Polen zu Kriegszeiten, fand Seumc im Biwak oder in den Kasematten unter dem Pfeifen der Kugeln seine Auf richtung und seelische Beruhigung in den schmalen Bändchen der klas sische» Autoren, die niemals in seinen Taschen fehlten. Auch aus neueren Geschichtswerken großen Stils kann derselbe Gewinn gezogen werden, ob sie nun nähere oder weit entfernte Völker, solche, die schon erloschen sind, oder solche, die noch leben, behandeln: namentlich aber aus solchen, in denen die Schicksale unseres eigenen Volkes anfgc- 1470 zeichnet sind. Jetzt ist der Zeitpunkt für Ranke und Mommsen, für Treitschke und Snbel. Aber man wirb sich jetzt auch gern an Werke wenden, die weniger durch das Gewicht rein wissenschaftlichen Wertes als vielmehr durch ihr ethisches Pathos bedeutsam sind, und vielleicht wird so mancher jetzt Schillers historische Schriften hervorholen, seinen »Abfall der Niederlande«, seine» »Dreißigjährigen Krieg«, dem man dann gleich und mit Genuß der Ricarda Huch »Großen Krieg tu Deutschland« folgen lassen möge. Oder man wird sich auch erinnern, daß im Werk Goethes eine »Campagne in Frankreich« zu finden ist, das Beste, was wohl ein »Kriegsberichterstatter« bis heute zu schreiben vermocht hat. Reben ihm gelten nur noch vielleicht Fontanes wunder volle Auszeichnungen »Kricgsgefangen« und »Aus den Tagen der Okkupation«. Unter der reichen Literatur der Lebenserinnerungen hat man nur allzusehr die Qual der Wahl. Die französischen »Memoiren« aus der galanten Zeit, die in Hansen auf unseren Büchermarkt ge worfen wurden, gehen uns jetzt weniger an als je: aber man greife etwa, um die Erscheinungen des Krieges im Wechsel eines Jahrhunderts vor sich vorbeiziehen zu lassen, nacheinander zu des derben »Magister Laukhards Abenteuern und Schicksalen«, zu Wenzel Kinners »Er innerungen eines alten Liitzower Jägers« und zuletzt zu einem Buch aus dem Jahre 187V, etwa Florian Kuhnhausers »Kriegserinnerungen eines Soldaten des k. baycr. Jnsanterie-Lcib-Regiments«. Dann mag man den Widerhall der Kämpse in den klassischen Briesbüchern Nach lesen, in denen Moltkes und Bismarcks, dessen »Gedanken und Er innerungen« uns eigentlich immer zur rechten Hand liegen sollten. . . . So leitet ein Buch zum andern über, mahnt eines ans andere, eine unabsehbare Reihe guter Freunde, starker, wehrhafter Geist, an denen unsere Seelen immer neue Kraft gewinnen können. Deutschland ist auch in diesem Belang gut gerüstet, nicht bloß durch sein Heer und seine Volkswirtschaft, sondern auch durch den unausschöpsbaren Born an geistiger und moralischer Energie, die, in Tausenden von Bänden bereitgeftellt, uns zur Kriegsdiätetik der Seelen zur Verfügung steht. Otto Riebicke (Berlin-Wilmersdorf). Gleichzeitig mit diesem Artikel geht uns aus dem Leser kreise ein kleiner Aufsatz des bekannten Kunstschrtftstellers Cornelius Gurlitt im »Dresdner Anzeiger«, überschrieben »Vornehmsein«, zu, den wir an dieser Stelle zum Abdruck bringen, weil auch er den Buchhändler an eine nationale Pflicht mahnt: die Pflicht, sich seiner Verantwortlichkeit in allen den Fällen zu erinnern, wo berechtigter Nationalstolz sich in lächerliche Phrasendrescherei, Witz und Geschmack in Unsinn und Ruppigkeit Verkehren. Weder der Verlag noch das Sortiment sollte seine Hand dazu bieten, den Instinkten der großen Masse aus so plumpe Weise, wie das jetzt Vielfach geschieht, zu schmeicheln, sondern Sorge tragen, datz jeder sich der Größe und des Ernstes dieser Zeit bewußt wird und daraus einen inneren Gewinn für sein künftiges Leben schöpft. Dazu kann der Buchhandel viel beitragen, indem er alles beiseite läßt, was nur eine Bereicherung des Büchermarkts und nicht auch zugleich eine Bereicherung unseres Lebens darstellt. Dann wird sich zu dem Verdienst, der uns jetzt nötiger ist als je, auch das Verdienst gesellen, an der Rüstung unseres Volkes mitzuarbeiten und es gleich geschickt für die jetzige Kriegs- wie für die künftige Friedensarbeit zu machen. In diesem Sinne wird man auch Gurlttts Mahnung: »Vornehmsein« für den Buchhandel, deuten können: In einem deutschen Witzblatte sah ich einen dcuischcn Soldaten dargcstellt, der mit einem Kolbcnschlage unsere sieben Feinde er schlägt. Das ist zwar nicht witzig, dafür aber um so alberner. Wir haben es mit sehr ernsthaften Gegnern zu tun, darunter mit zwei der ersten Kulturvölker der Belt, und wir dienen unserer Sache nicht, wenn wir diese als schwächliche Hallunken hinstellen: Weder hebt das den Mut der Mutigen, noch tröstet es in den Tagen des Ringens die Zaghaften. Wir wissen, datz das französische und bis zu einem be stimmten Grade das russische Heer zu den besten in der Belt gehören, und daß die englische Flotte die stärkste ist. Wir kennen die Zähigkeit und Ausdauer des englischen Volkes in Verfolgung seiner Ziele und müssen damit rechnen. Und wir wollen uns die Großtaten unserer draußen im Feuer stehenden Soldaten dadurch nicht verkümmern lassen, daß die Gegner als Windbeutel und Schwächlinge, als Dnmm- köpse und Liederjane htngcstellt werden. Wir wollen sorgfältig daraus achten, wo unsere Feinde wider Menschlichkeit, Völker- und Kriegsrccht handeln, um ihnen die Summe ihrer Schandtaten am Tage der Ab rechnung vor Augen zu halten und um das tun zu können an gerechten Handlungen, was zum Schutze unserer Leute und unserer guten Sache
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