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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.05.1927
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- 1927-05-06
- Erscheinungsdatum
- 06.05.1927
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X- 106, 7. Mai 1927. Redaktioneller Toll. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Reichspost würde bald erkennen, daß ihre Einnahmen aus den Verlagsbetrioben sich mit der Portoerhöhung nicht etwa steigern, sondern wesentlich mindern würden. Der schlimmste Fehler, der heute im Augenblicke der Gesun dung der deutschen Wirtschaft gemacht werden kann, ist die Be steuerung der Werbung. Und darüber kann doch kein Zweifel bestehen, daß die Werbung auf deni Postwege scharfe Drosselungen erfahren wird, wenn man sie durch die Erhöhung des Portos unter Strafe stellt. Durch eine Drosselung der Werbung würde aber die gesamte Papier verarbeitende Industrie schweren Schä digungen ausgesetzt sein. Im Gegenteil, die Werbung must weiter verbilligt werden. Aus einer gesteigerten Werbung ergeben sich erst die Vorteile, aus denen dem Reiche neue und erhebliche Ein nahmen erwachsen. Eine Verteuerung der Produktion aber, die sich aus gesteigerten Unkosten gezwungenermaßen ergeben muß, vermindert' die Absatzmöglichkeiten, schafft deshalb neue Arbeits losigkeit und muß neue Lohnforderungen zur Folge haben, weil ja durch die Preissteigerung der Bedarfsartikel die Kaufkraft des Lohngeldes eine weitere Absenkung erfährt. Neue Lohnforde rungen haben weitere Preissteigerungen zur Folge. Die Ver- kaussinöglichkeiten im In- und Ausland sinken, und es folgen weitere Entlassungen -und Iveitere Lohnforderungen, bis wir schließ lich als das Ergebnis des glorreichen Gedankens der billigen Portoerhöhung auf 2 Millionen Arbeitslose mit einem Aufwand von 2 Milliarden Jahresunterstützung bei einer unheimlich passiv gewordenen Handelsbilanz und bei einer neuen Verelendung der deutschen Wirtschaft angekommen sein werden. Und das alles, weil die Reichspost ihre Einnahmen um 100 Millionen steigern will. Und gerade in einem Augenblicke, da man durch eine beginnende Gesundung der deutschen Wirtschaft allein an Arbeitslosenunterstützung 500 Millionen erspart und bald 1 Milliarde ersparen kann, wenn nicht diese blöde Störung der bO^igen Portoerhöhung austritt. Hier muß das Reich eintreten, falls wirklich die Not der Post das erfordert, die Reichspost aus der ersparten Arbeitslosen unterstützung subventionieren, um die von mir oben kurz skizzierten schwersten Schädigungen der deutschen Wirtschaft zu verhüten. Selbstverständlich werden jetzt auch Stimmen laut, daß die längst angesagte neue Inflation durch die Portoerhöhung auch den mit Blindheit Geschlagenen erkenntlich werde. Denn die Brief marke galt ja immer als ein kleines Zahlungsmittel, und wenn.in diesem Zahlungsmittel eine Entwertung um 50^ eintritt, so sei damit auch dargetan, daß die Reichsmark ihre Kaufkraft um 50N eingebüßt habe. Es wird bald ersichtlich sein, daß das mobile Kapital Anlage im Auslande sucht. Kurz, die Gefahren sind so vielfältiger Art und so stark drohend, daß alles getan werden sollte, um den Plan einer Portoerhöhung allerschnellstens in der Versenkung verschwinden zu lassen. Will die Reichspost ihren mit ebensoviel Hingabe wie Kurzsichtigkeit verfolgten Plan nicht ganz fallen lassen, so mag man ihr eine Steigerung solcher posta lischen Gebühren zusprechen, die sich auf effektiv abgeschlossene Ge schäfte beziehen, also aus den Zahlungsverkehr. Einer Erhöhung der Gebühren für -den Postscheck- und Postanweisungs-Verkehr würde ich mich nicht ernstlich widersetzen, auch -tvcnn sie besser unterbliebe. Aber die Werbung, die erst einen Geschäftsabschluß herbeiführen soll und die zu 95—99N ergebnislos bleibt, darf man nicht unter eine neue schwere Steuer setzen. Die Reichspost klagt auch im wesentlichen darüber, daß sie -beim Telcgrammverkehr starke Zuschüsse leisten-müsse. Dann möge sie auf Mittel und Wege bedacht sein, diese Zuschüsse durch eine bescheidene Erhöhung zu mindern. Also hier könnten kleine Kon zessionen -gemacht werden. Im Interesse der gesamten deutschen Wirtschaft aber muß heute laut und vernehmlich die Forderung erhoben werden: Keinerlei Verteuerung des Verkehrs! Post und Reichsbahn haben den Verkehr durch Verbilligung zu fördern, um die deutschen Be triebe wirtschaftlicher zu gestalten. Der Nutzen des Reiches, der sich aus der Wirtschaftlichkeit der Betriebe ergibt, wird schließlich hundertfach größer sein als die Mehreinnahmen der Reichspost infolge der Portoerhöhung, die nur erträumt ist und an deren Stelle durch Abdrossclung der deutschen Wirtschaft schließlich eine Minderung der Einnahmen der Reichspost ersichtlich werden wird. 548 Ein Wort zur Schutzfristfrage*). Von Stefan Zweig. Der Kampf um Beibehaltung oder Verlängerung -der gegen wärtigen Schutzfrist geistigen Eigentums beginnt nun in das ent scheidende Stadium zu treten. Beide Parteien haben ihre Posi tionen bezogen, wobei nicht unerbaulich ist, daß die beiden preußi schen Akademien, diejenige der Dichter und diejenige der Wissen schaft, sich mit ihren Ansichten feindlich gegcnübcrstchen. Alle erdenkbaren Argumente sind -vorgebracht, und ohne sie im einzelnen widerlegen zu wollen, muß doch befremdet bemerkt werden, daß cs ausschließlich materielle und zeitliche Vorteile sind und solche, -die einzelnen Klassen gelten, welche der Verlängerung aus ein halbes Jahrhundert das Wort reden. Die momentane Notlage des Buchhandels, di« Schwierigkeit einzelner Verleger, die Be fürchtung, daß der Absatz freigewordener Autoren den neuzeitlichen schade — -solche durchaus sachliche, aber vielleicht allzu sachliche Argument«, -sollen -sie wirklich vorwa-ltend sein in einer Angelegen heit, die für Jahrzehnte Bildung und Prägung einer ganzen Na tion bestimmt? Ich bin mir bewußt, mit -einer Abweisung der Schutzsristver- längcrung auf ein halbes Jahrhundert in Gegensatz zu einer Reihe unserer wesentlichsten Künstler zu kommen. Aber ich persönlich glaube, erwerbstechni-sche Erwägungen, Vorteil« momentanen Ab satzes und die Interessen von Urgroßnichten und Enkelerben, alle diese Nutzargumente müssen gerade bei uns zurücktreten vor dem absoluten Standpunkt, der lieber die Privilegien einer einzelnen Klasse vermindert sehen -will, als dem Trieb nach Freiheit und Volksgemeinschaft -sich entgegenzusetzen, -der unbewußt jedem Werke zugrunde liegt. -Wer immer im schöpferischen Sinn bemüht ist, hat Teil an einem wunderbaren Vertrauen, das das Publikum dem Schassenden -entgeg-enbringt. Denn noch immer besteht in den breitem Massen der L-esen-den und Genießenden die (vielleicht -schon -hinfällig gewordene) Gläubigkeit, die Künstler, sie allein seien noch die einzigen in einer längst kommerziell gewordenen Welt, die aus freudiger oder schmerzlicher Notwendigkeit wirken, gleichgültig -gegen Gewinn und schon gar gegen den Gedanken, bis -in ein nächstes Jahrhundert Nachfahren und Erben eine ausgiebige Pfründe zu schaffen. Dieser Glaube des Volkes an den Künstler als -an -den letzten dieser Zeit, -der sich noch nicht dem Gelde unter worfen hat — nun, -er mag ja manchem ein Lächeln abfordern, der un-sern literarischen und theatralischen Betrieb von nahe kennt. Aber cks kaota, er ist da, dieser Glaube im ganzen Volk, unzerstör bar, unabänderlich, eine herrliche elementare Macht, die nicht zu schwächen und nicht zu enttäuschen unser aller gemeinsame mora lische Pflicht ist. Darum hat eine Frage, die über ein halbes Jahrhundert hinaus wirkt, -das Anrecht, nicht bloß von einer momentanen kommerziellen Krise aus betrachtet zu werden: für die Geistigen ist jeder andere Standpunkt -als jener -des Geistes Niederstieg und Abweichung. Von -diesem Standpunkte aus, einzig also auf -das Schicksal des Werkes, -die Möglichkeit seiner Wirkung in kommenden Zeiten blickend, möchte ich mitten in die Argumente eins werfen, das auf den ersten Blick vielleicht paradox erscheint. Ehe man nämlich feststellt, ob di« Schutzfrist erweitert werden soll, käme da nicht auch die Frage zurecht, ob dieser Termin nicht eigentlich schon verlängert worden ist? Sind denn wirklich dreißig Jahve Schutz frist -dasselbe im Jahre 1867 und 1927? Auf dein Gcsetzpapier wohl, daran zweifelt niemand, aber nicht im innern Ablauf, im seelischen Gewicht. Denn der Rhythmus unserer Zeit ist ein unendlich geschwinderer -geworden. Rascher werden Werte ver mittelt, rascher im Organismus der Nation umgesetzt und vor allem rascher wieder ausgeschieden. Gleichgültig, ob man dieses Phänomen beschwingteren Umsatzes leidenschaftlich bejaht oder als bedauerlich amerikanisch verneint, — der Rhythmus einer Zeit kümmert sich nicht um uns und unsere Urteile. Er ist da und setzt seinen Willen, seine Kraft in allem durch: er verändert die Geltungsdauer jeder Frist. Und in diesem Sinne glaube ich, kein Paradox zu wagen, wenn ich behaupte, -daß dreißig Jahre (einzig im Sinne der Wirkung, nicht in dem des Erwerbs) heute für ein *> Zuerst erschienen im Berliner Tageblatt vom 22. April 1927.
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