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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.11.1925
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- 1925-11-12
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- 12.11.1925
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X- 285, 12. November 1825. Redaktioneller Teil. Haupt gesagt ist. Im Zusammenhang damit muß jedoch daran erinnert werden, daß der Börsenvercin mit der Stiftung des Lehrstuhls für Buchhandclsbetricbslehre an der Handelshochschule zu Leipzig gerade die Durchführung des hier vertretenen Pro gramms besonders erleichtert hat und bewußt hat fördern wollen. Die Handelshochschule zu Leipzig läßt sich die Ausbildung von Lehrern für Handelsschulen und gewerbliche und kaufmännische Fortbildungsschulen ganz besonders angelegen sein. Durch die Errichtung des neuen Lehrstuhls ist nun die Möglichkeit geschaffen, baß die künftigen Handclslchrer sich auch buchhändlerische Fach- kennlnisse erwerben können. Es werden also künftig Lehrkräfte, wie sie hier gewünscht werden, zur Verfügung stehen. Sache der örtlichen Buchhandelsvereinigungen wird es lediglich sein, bei den Handels- und Fortbildungsschulen ihres Bereichs darauf zu dringen, daß dort solche Lehrkräfte, die sich Kenntnisse der Buch handelsbetriebslehre erworben haben, bevorzugt mit herangezogen werden. Dann wird die Einrichtung entsprechender Sonderklassen oder.Sonderkurse keine Schwierigkeit mehr machen können und allgemein durchzuführen sein, wie es hier mit Recht vorgeschlagen ist. Red. Das Buch und der Schmöker. Von F. M. Hu ebner tm Haag. Das Entgegenkommen der Schriftsteller gegen die Wünsche der Leserschast ist heute weitaus größer als in den Jahren vor dem Kriege. Wenn der Wunsch der meisten Leser in erster Linie darauf geht, unterhalten zu werden, so tragen dem nicht nur die Schreiber von Beiträgen in Magazinen, nicht nur die Verfasser wohlfeiler Kolpor tagelieserungen, sondern ebensogut auch jene Autoren Rechnung, die von Thomas Mann bis Wassermann, von Döblin bis Edschmid als die führenden Vertreter der Romankunst gelten. Trumpf ist das Stoff liche, das zwar auch als gedanklicher »Stoff« (Philosophie, Religion) auftreten kann, dem es aber doch eben hauptsächlich aufgegeben wird, den Leser in Gang zu bringen. Immer soll der Leser in Fieber sein, seine Phantasie angckurbelt, sein Lebensgesühl, wie man so schön sagt, »er höht« werden: Die Bücher unserer Romanciers pressen heute auf wenigen Seiten so viel Leidenschaften, so viel Ungeheuerlichkeiten zu sammen, daß den Leser in der Tat jenes Keuchen, jenes fieberhafte Gefühl des In-Bann-geschlagen-seins befällt, nach dem er giert. Die Schriftsteller eisern weniger nach der Wirkung des Buches als Kunst werk denn nach der suggestiven Macht des Fabelschmökers. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Schriftsteller meinen, durch dieses Entgegenkommen, durch dieses Sich-Anbequemen an die stofflich eingestellte Phantasie der Leser das Buch als solches zu retten. In Wirklichkeit haben sic dazu beigetragen, die Krisis des Buches zu ver schärfen. Genüsse, die wohlfeil zu erlangen sind, schätzt man gering. Die so kleine Anspannung und Mitarbeit, die unsere Schriftsteller von ihren Lesern fordern, bewirken es, daß diese den Inhalt des Buches gar nicht als ihren Erwerb, als eine schöne Frucht geistig ge sammelter Stunden zu betrachten vermögen. Das sogenannte hohe literarische Kunstwerk wird gleich rasch, gleich ehrfurchtslos verschlun gen wie der Zeitungsroman, denn da .hier wie dort die Geschehnisse in einer körperhaften Nacktheit gezeigt werden, braucht die Phantasie sich gar nicht erst von der Welt abzuwenden; der Leser kann unmittel bar aus seinen Tagesbeschäftigungen in den Traum schlüpfen: wie aus den Hausfluren die Kinospielzettel, so locken ihn jetzt die In halte der Romane, der Kulturuntergangsbroschüren, der Religions- traktate, hcreinzutreten. Nur daß sich ihm nicht eine Stunde der Einkehr, der Stille, der Läuterung bietet, sondern geistiges Nar kotikum. Nicht weil die Literatur sich vom Leben entfernte: umgekehrt, weil die Schriftsteller es den Lesern zu leicht machen, sinkt die Ach tung vor dem Buche. Da die Tatsache, daß die Menschen sich vom Buche abwenden, damit gleichbedeutend ist, daß sie sich von der Litera- tur abwenden, daß die Bezeichnung »ein literarischer Roman«, »ein literarisches Theaterstück« allbereits kein Lob mehr, sondern eine Ver urteilung enthält, diese Tatsache macht den Zusammenhang der Krise des Buches mit der Krise der literarischen Kunst überhaupt deutlich. Die brennendste Frage der Schriftsteller, die jetzt zu lauten scheint: Wie vermeide ich literarisch zu sein, wie komme ich zum Volk, wie er reiche ich den Geist und die Wirkung des Schmökers?«, müßte sic an gesichts der in allen Ländern drohenden Gefahr nicht viel mehr lauten: Wie halten wir die Literatur am Leben?« Wie es in der Architektur nur die Baumeister sein können, die zu sorgen haben, daß das Vermögen des künstlerischen Bauens und der Geschmack daran nicht untergehcn, so ist es den Schriftstellern auf- gegeben, daß sie nicht etwa gleich Georg Kaiser die Grenzen ver wischen, sondern mit Strenge beides, Literatur und Kolportage, scheiden. Den Spottnamen des Ästhetentums haben gewisse kleine Gruppen von Schriftstellern in Frankreich allzeit nicht als Rüge, sondern als Aus zeichnung empfunden, und sie haben durch ihre Absonderung nicht allein dem Stand der Schriftsteller gedient. Der Drang, populär zu schrei ben — wofür es keineswegs nötig ist, sich an den Geschmack der prole tarischen Volksschichten zu halten — (man kann auf Popularität ebenso durch das Mittel einer gewissen talmihaften Kultivierung hinstrebcn), diese so lächerliche wie instinktlose Anbiederungsweise der Schriftsteller setzt den Sinn der Literatur als solchen der Verkennung ans, in sofern Literatur, obschon sie aus der Masse der Lebenden geistig wächst und ohne die Mithilfe der Ausnehmenden nicht zu Gehör kom men könnte, ihre Stellung, wie jede andere Kunst auch, gegenüber und auf der anderen Seite der Lcsergemeinde hat. Sodaß die Frage, wie es zu verhüten sei, daß die Literatur infolge des Mangels an an spruchsvollen Lesern verschwinde, durch die andere ergänzt werden muß, wie man der Literatur ihren eigenen Hoheitsbereich nicht außer halb, aber gegenüber der Laienschaft verbreitern und sichern könne. Um den Leser auf seine Seite zu ziehen — wie fehlgreifend, im ganzen, ist schon diese Absicht —, trachtet der Schriftsteller unserer Zeit, seine ganze Kraft in die Erzeugung von Anschaulichkeit zu legen. Beschreibungen von Zimmern, von Anzügen, von Gesichtern, von Tasel- frcuden, die Romanschriftsteller können sich in allem nicht genug tuu, die Wirklichkeit des Lebens dem Leser auf den Seiten des Buches ein zweites Mal auszutischen. Die sogenannten expressionistischen Romane machen nur scheinbar dieses Bestreben um Anschaulichkeit nicht mit. Es ist wahr, die Beschreibung der sinnlichen Dinge wird hier ver nachlässigt: diese werden wohl gar in eine willkürliche Verzerrung gerückt; dafür sieht man das Bemühen, das Unsichtbare der Gemüts zustände, die Dynamik der erzeugenden Leidenschaften so handgreiflich zu machen, daß eben diese Gemütszustände auf den Leser realiter über gehen: das Buch als Schmöker. Anschaulichkeit ist, sofern man sich über den Begriff verständigt, ein durchaus untergeordneter Kunstzweck. Hölderlins EmpedokleS- Noman zum Beispiel ist unanschaulich, seine Wirkung nicht sensationell, der Genuß des Buches erschütternd. Dieses Buch zwängt den Leser' nicht ein, es unterjocht ihn nicht; die Wirklichkeit, die darin zur Form wurde, läßt den Leser in einem Zustande der Freiheit, darin ev nicht nur den Gegenstand des Buches, sondern auch sich und sein sowie alles Leben überschwebt. Die Anschaulichkeit des Schmökers sperrt den Leser in den Käsig ganz bestimmter Vorstellungen, der ihm zwar auch erlaubt, Lebensvorgänge nachzuempfinden, aber eben nur im schmalen Ausschnitt eines Bildes hinter Käfigstangen. Die realistische Anschaulichkeit macht aus dem Leser den Unterworfene», jenen trägen Räkler auf dem Divan oder im Lederstuhl, der froh ist, sich vergessen und an fremdes Schicksal sich backenglühend verlieren zu dürfen: die dichterische Anschaulichkeit hingegen setzt den Leser in Fühlung mit dem Unsichtbaren und Ewigen; sein Ich wird größer zugleich und freier. Literatur ist nicht Schriftstellerei, sondern Dichtung. Die schrift stellerischen Bestandteile in einem Buche, also sein Gehalt an realisti scher Anschaulichkeit, können keine nachdrücklichere Wichtigkeit bean spruchen als die von bloßen Hilfskonstruktionen, damit am Körper haften sich das Unkörperhaste, der dichterische Geist einsange und fest- halte. Der dichterische Geist strömt niemals aus den Vorgängen, den Schauplätzen, den Handlungen und Gesprächen schlechthin. Er entwickelt sich als das Aroma um die Körperhastigkeiteu herum, als die letzte und feinste Zutat aus der Hand des Urhebers. Die große Erzählerkunst selbst eines Thomas Mann spitzt ihr Wollen vorwiegend darauf zu, anschaulich zu sein, wobei es das Gleiche ist, ob der Schriftsteller ein Menschengesicht, einen mit Speisen, bestellten Tisch, oder einen begrifflichen Gehirnvorgang anschaulich zu machen sucht. Es ist überaus fraglich, ob diese Art der Anschaulichkeit, die uns Heutige anspricht, weil sie von Aktuellem handelt, noch in zwanzig, noch in zehn Jahren die Kraft der Überzeugung haben wird. Fene Kraft dichterischer Überzeugung nämlich, die um ein Werk herum be stehen bleibt, wenn der sinnfällige Inhalt, wie etwa im altgriechischen Epos, uns längst gleichgültig, ja unverständlich geworden ist. Es kann nicht daraus ankommen, die Dinge richtig, wohl aber darauf, sie dichterisch zu beschreiben. Nicht die sinnfällige, sondern die visionäre Bedeutung der Körper im Raum ist die durch die Zeiten fortlebcnde. Eine Prosa, der es aus die Erweckung von deutlichen Neiz- 2326*
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