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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.05.1922
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- 1922-05-03
- Erscheinungsdatum
- 03.05.1922
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- Deutsch
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rung meiner Rechte erreicht, daß das Geschehene rückgängig gemacht nnd der feste Ladenpreis für meine Bücher wieder eingesührt wurde. Aber die dazu gepflogenen Verhandlungen haben mich doch auch einen Blick in jetzige buchhändlerische Vorgänge tun lassen, wie ihn leider der Buchautor, mag er dem Buchhandel auch mit stärkster persönlicher Anteilnahme gegenüberstchen, sonst kaum zu tun pflegt. Ich bin über zeugt, daß es Zeit wäre, in all diesen Fragen, wie dies ja auch der letzte Geschäftsbericht des Börsenvereins im Bbl. Nr. 84 vom 8. April in Aussicht stellt, auch die Schriftsteller mit zu Rate zu ziehen, und zwar nicht die weltfremden Autoren, sondern diejenigen, denen der Umsatz ihrer Bücher und die Art ihrer Verträge eine wirkliche Anteilnahme au den Vorgängen im Buchhandel zur selbstverständlichen Pflicht machen. Als ich für den festen Ladenpreis gegen den Mindestverkaufspreis meinem Verleger gegenüber eintrat, wurde mir mancherlei entgegen gehalten. Man sagte mir, der ernsthafte Autor werde durch den Mindest- verkaufspreis keineswegs geschädigt, da sich ja die Beteiligung statt wie bisher vom Ladenpreise vom Mindestverkaufspreise berechnen ließe. Auch sei die Konkurrenz der Buchhändler untereinander nicht zu be fürchten: die Preise inkl. der Zuschläge würden sich vielmehr innerhalb der einzelnen Orte, ja innerhalb der Orte untereinander schon durch den Koukurrenzzwang einander sehr schnell angleichen; und unter anderem wurde mir auch entgegengehalten, daß sogar eine Reihe or ganisierter Berliner Schriftsteller den Mindestverkaufspreis der leich- /tercn Beweglichkeit des Buches wegen forderten, eine Tatsache, die leider nur für die völlige Kurzsichtigkeit des deutschen Schrifttums in allen Fragen praktischer Natur spricht. Ist es gestattet, einmal kurz darzulegen, wie sich ein Autor, der seinen Beruf ernst nimmt und dabei seit jungen Tagen enge praktische Fühlung mit dem Buchhandel hat, die Folgen der Einführung des Mindestverkaufspreises vorstellt? Wir alle, Autoren und Verleger, schimpfen mitunter reichlich auf den Sortimenter, besonders auf den kleinen. Es läßt sich nicht leugnen, daß hier in Betrieb und Organisation Schwerfälligkeiten und Hemmungen vorliegen, die hochgradig veraltet sind und die Anpassung des ganzen Buchgewerbes an die veränderten Zeitverhältnisse behindern und erschweren. Aber ich möchte doch den Kulturmenschen in Deutsch land sehen, der ernsthaft seine Zustimmung zur Einführung einer Maßnahme wie die des Mindestverkaufspreises geben könnte, die selbst verständlich auf die Dauer gar nichts weiter bedeuten würde als die Erdrosselung des Kleinsortiments. Ich möchte-um nichts in der Welt die Erinnerung an den schmalen Laden missen, bei dem ich langsam vom Neclamheft zu raffinierteren literarischen Bedürfnissen vor wärtsschritt, und wie mir wird es den meisten Menschen von lite rarischer Bildung gehen. Das große Sortiment ist ein vornehmes Geschäft, das dem kleinen Kunden sicherlich schon aus praktischen Grün den nicht mit derselben Liebe begegnen kann wie dem großen. Das ist aus natürlichen Gründen nicht möglich. Viele werden sich gleich mir aus den Jahren ihrer ersten und süßesten literarischen Bedürfnisse noch daran erinnern, daß sie sich überhaupt in den großen Laden nicht hineingetrauten, weil sie die elegante Bedienung, die ihnen mit einer höflichen Verbeugung entgegenkam, nicht durch ihre bescheidenen Wünsche täuschen wollten. Auf dem Kleinsortiment beruht ein gutes Teil unserer allgemeinen deutschen literarischen .Bildung. Ich als praktisch denkender Autor, der an sich gewiß den Partienbezug des Großsortiments richtig zu würdigen weiß, möchte doch daneben nicht den Kleinsortimenter missen, der ein Exemplar bezieht, es erst selbst liest und dann seinen Kunden empfiehlt. Es ist unmöglich, die Lite ratur durchaus dem Muster des sonstigen Warenhandels anzupassen. Es ist etwas in ihr, das darüber hinaus reicht: das Buch ist Ware, aber es ist außerdem noch etwas ganz anderes. Es besteht ein Unterschied dazwischen, ob ich Wurst fabriziere oder Bücher. Sogar im praktischen Sinne. Das Kleinsortiment verbreitet ein individuali siertes Bedürfnis nach dem Buche durch ganz Deutschland. Seine Er drosselung würde allmählich dazu führen, daß das Buch überhaupt nur noch nach Druck und Einband bewertet wird. Wir sind schon viel zu weit auf diesem Wege vorwärts gegangen, viel zu oft schon stehen das Leder des Einbands und das Leder des geistigen Inhalts in einem traurigen Widerspruch zueinander. Wir wollen nicht die Basis untergraben, ohne die die Beschäftigung mit dem Buche für Autor, Verlier und Sortimenter ihre besten Reize verliert. Eine zweite praktische Folge für den Schriftsteller: Im Augen blicke, wo das Buch durch den Mindestverkaufspreis der allgemeinen Warenkonkurrenz unterworfen und Angelegenheit rein kaufmännischer Spekulation wird, scheidet der Autor als maßgebenber Faktor für den Absatz eines Büches in unerhörtem Grade aus. Wie die Dinge jetzt nach der alten guten Weise liegen, hat das Buch einen bilden den und einen künstlerischen Wert: Autor, Verleger und Sortimenter verdienen nicht nur Geld, sondern haben auch eine kulturelle Aufgabe. Im Augenblicke, wo die Konkurrenz nicht im geistigen Sinne, son- / dcrn im rein kaufmännischen Sinne einsetzt, kann es für den Händ ler, der die Konkurrenz schlagen will, nur noch darauf ankommen, möglichst billig und dabei möglichst das zu bieten, was die große Masse des Publikums will, damit er die Vorteile dieses Massen- bezugs für sein Geschäft weitestgehend nutzbar machen kann. Das gute Buch, das schon immer keinen ganz leichten Stand hatte, wird mehr und mehr verschwinden. Schinderhannes wird König der deutschen Literatur sein. Der Autor wird überhaupt kaum ein geistiges An recht mehr an sein Buch haben. Man wird bei ihm nur noch das und das Buch, in dem und dem Umfange, mit dem und dem Inhalt und in der nnd der Qualität bestellen, gleichsam als ob er eine Stoff- sabrik oder eine große Bijoutericmanufaktur wäre. Der Mindestoer kaufspreis steht am Eingang zu einer furchtbaren Nivellierung der ganzen Literatur; ist dieser Schritt erst einmal getan, wird uns nichts die weiteren Schritte ersparen können. Für keinen Schriftsteller kann der Gedanke sympathisch sein, daß eine Art Shopping wie nach anderen Waren auch im Buchhandel zur Regel wird. Gewiß, der durch den wechselnden Markwert bedingte Wechsel des Ladenpreises muß mancherlei Verwirrung Hervorrufen. Aber immerhin weiß doch jed-er, daß dieser Zustand einmal wieder ir gendwelcher Stabilisierung weichen muß. Erst dann wird sich der Wert des festen Ladenpreises von neuem in vollem Lichte zeigen. Ein ständig unbestimmter Preis des Buches würde dem Buche seine ganze geistige Vornehmheit rauben, würde es völlig seines Charakters entkleiden. Es ist doch nicht wünschenswert, daß, wie heute ein« Haus frau der andern rät, in ein bestimmtes Seifengeschäft zu gehen, weil dort die Seife um ein paar Groschen billiger ist. Ähnliches auch für das Buch zur Regel wird. Weder Autor, noch Verleger, noch Sorti menter können ein Interesse daran haben, ihren durch den festen Ladenpreis geschaffenen Sonderstandpunkt auf diese Weise für etwas hinzugeben, das sich im letzten Grunde als ein armseliges Butter brot entpuppen wird. Das Buch ist so auskalkuliert, daß jede Ein führung eines derartigen Konkurrenzprinzips nur damit enden kann, allen Beteiligten das Leben nicht leichter, sondern saurer zu machen. Schon die gegenwärtige Lage des veränderlichen Ladenpreises hat den Zwischenhandel und damit auch den Namschbetrieb im Buchhandel in einer Weise gestärkt, die ich objektiv nur als äußerst ungünstig bezeichnen kann. Das Uberhandnehmen des Zwischenhandels ist ein böser Schaden, da der Buchhandel ihn weniger verträgt als irgendein anderer Zweig der deutschen Wirtschaft. Ein praktisches Beispiel möge wieder zur Erläuterung dienen. Von einem recht gut gehenden Buche von mir waren von der zweiten Auflage, die damals 8 Mark pro Exemplar kostete (Verkaufspreis), noch etwas über 1000 Exemplare vorhanden. Ein Großhändler kaufte vom Verleger den ganzen Nest nnd hielt ihn zunächst zurück. Da das Buch ständig verlangt wurde, mußten wir die dritte Auflage hcrausbringen, die bei genauester Be rechnung unter 25 Mark pro Exemplar Ladenpreis bei- unverändertem Inhalt und Umfang nicht herzugebcn war. Nun war der Augenblick des Zinischenhändlers gekommen, der bei dem hohen Rabatt, den er bei seinem großen Bezug erhalten hatte, Partien der zweiten Auflage billiger abgeben konnte, als dem Verleger die Herstellung der dritten möglich war. Tie Folge davon war ein Stocken im Absatz eines sonst durchaus gangbaren Buches, und es brauchte mehr als ein halbes Jahr, d. h. eine neue völlige Verschiebung aller Preise, bis das Buch seine alte Zugkraft zurückgewonnen hatte. Das sind jetzt Ausnahmefälle infolge von Ausnahmezuständen. Im Augenblick, wo der feste Ladenpreis verschwinden würde, würden sie zur Regel: ivir alle wären wehrlos der Spekulation des zahlungs kräftigen Zwischenhandels, sei es Warenhaus, Großsortiment, Namsch- buchhandel, ausgeliefert: die gesamte Organisation des deutschen Buch handels stände in Gefahr, zu einer bloßen Posse zu werden. Ich weiß nicht, ob ich in allem, was ich ausftthre, bedingungslos recht habe, und ich beanspruche das auch gar nicht. Unmöglich kann ein Autor, auch der interessierteste nicht, die Organisation des Buch handels und seine Lebensbedingungen bis in jede Einzelheit beherrschen. Aber das Wesentliche vermag er sicher bei einigem praktischen Ver stände so klar und deutlich zu sehen wie jeder Interessent. Und darum bilde ich mir «in, daß in meinen Ausführungen, mag man sie an- schen wie man will, Wahrheit genug enthalten ist, um ihnen als Ansichtsäußcrung des deutschen Schrifttums zu einem brennenden Problem des deutschen Buchhandels einig« Beachtung zu schenken*). *) Der Verfasser täuscht sich in der Annahme, daß seine Ausführun gen Interesse finden werden, sicherlich nicht. Im übrigen können wir ihn beruhigen. Die von der Redaktion in dieser Frage kürzlich ange- stcllte Umfrage hat ergeben, daß sich der Buchhandel so gut wie ein stimmig dem Gedanken einer völligen Abkehr vom System des festen Ladenpreises gegenüber ablehnend verhält. Auch die kürzlich abge haltene Wirtschaftskonferenz hat den Gedanken überhaupt nicht ausge nommen. Red. 625
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