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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.11.1926
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1926-11-04
- Erscheinungsdatum
- 04.11.1926
- Sprache
- Deutsch
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258, 4, November 1926. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. für Wohnung, Nahrungs- und Genußmittel im losscntlichen glelch- gcblieben, dagegen die Uinsätze für Bekleidungs- und Haushaltungs- gegcnständc, insbesondere aber für Luxusartikel ganz gewaltig zurückgegangen sind. Da leider das Buch, zumindest das zu kaufende Buch in Zeiten wirtschaftlicher Not leider noch immer gern als Luxus betrachtet wird, kann es nicht wundernehincn, daß die sinkenden Umsätze insbesondere den Buchhandel in Mitleiden schaft gezogen haben. Schließlich ist noch darauf hinznweisen, daß im Gegensatz zur Vorkriegszeit jede Dcpressionslage der deutschen Wirtschaft dadurch verschärft wird, daß der Baumarkt infolge der Zwangsbclvirtschaftung nicht mehr in Zeiten des Tiefstandes eine Belebung der Neubautätigkeit aufweist, wie es vor dem Kriege der Fall war, als die Geldflüssigkeit hauptsächlich zu diesem Zweck« ausgenutzt wunde, sondern die Zwangswirtschaft folgt der Kon junktur und verschärft diese. Zeigt somit ein überblick über die allgemeine Wirtschaftslage, daß von der Konjunkturseile gesehen sin gewisser Umschwung in absehbarer Zeit zu erwarten sein dürfte, wenn auch der Zeitpunkt namentlich bezüglich der einzelnen Branchen noch keineswegs sestgelegt werden katin, so werden auch zweifellos für den Arbeits markt Erleichterungen zu erwarten sein, nur muß man sich vor dem Trugschluß hüten, daß damit schon das Problem der Arbeits losigkeit überhaupt gelöst fei. Das wäre ebenso gefährlich, wie wenn ein Geschäftsmann von dem Umschwung -der Konjunktur alles Heil erwarten wollte, weil er dabei die Notwendigkeit der Umstellung auf die siugetretenen Strukturverände rungen der 'deutschen Wirtschaft völlig außer acht läßt. Wir müssen damit rechnen, daß uns infolge dieser Struktur veränderungen sine chronische Arbeitslosigkeit noch auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus belasten wird, eine Arbeitslosigkeit, die schon seit Jahren besteht und nur durch eine überspannte Sozialgesetzgebung und die Scheinkonjunktur der In flationszeit verschleiert worden, nun aber seit dem Eintritt der Krise im Herbst vorigen Jahres mit aller Plötzlichkeit ans Tages licht getreten ist. Prüft man, inwieweit sich die Struktur unseres Wirtschastskörpers geändert hat, so kann man sich nicht damit begnügen, lediglich die deutsche Wirtschaft ins Auge zu fassen, denn wir haben nicht nur in der deutschen, son dern auch in der europäischen und darüber hinaus in der ganzen Weltwirtschaft seit und durch den Krieg beträchtliche Strukturver änderungen zu verzeichnen. Das Institut für Kon junkturforschung hat einen interessanten Vergleich mit der Zeit von 1874—95 gezogen. Damals wie heute litt Europa unter einem lang-anhaltenden, nur durch kurze Konjunkturwellen unterbroche nen Deprossionszustand. Die Ursache war, nicht wie man -damals glaubte, in irgendtvelchen Veränderungen des Geldmarktes zu erblicken, sondern, wie wir heute wissen, in dem Aufschwung, den die überseeischen Siedlungsgebiete, insbesondere die Vereinigten Staaten von Nordamerika genommen hatten. Sie machten plötz lich mit ihren Rohstoffen, insbesondere aber mit ihren Agrar produkten der europäischen Wirtschaft aufs schwerste Konkurrenz und zwangen dadurch die Volkswirtschaft der europäischen Staaten, sich diesem w c l t w i r t s ch a f t l i ch e n W a ch s t u m s p r o z e ß anzupassen. Auch heute ist die Haupturfache -der europäischen Krisis in einem derartigen Wachstumsprozeß zu erblicken, der aber im Unterschied zu damals sich nicht auf Rohstoffe und land wirtschaftliche Erzeugnisse erstreckt, sondern eine Folge der schon vor dem Kriege bemerkbaren, durch den Krieg aber forcierten Industrialisierung, das ist Ausbreitung der Fertigwarenindustric in den überseeischen Siedlungsgebieten, ist. Verstärkt werden die Nachteile für die europäische Wirtschaft noch durch das Streben der Einzelnen Volkswirtschaften nach Autarkie, das sich nament lich in dem Ruf nach hohen Schutzzöllen äußert und zu großen Komplikationen der Handelsvertragsverhandlungen führt. Diese Tendenz der Abschließung läuft dem weltwirtschaftlichen Ideal des Buchhandels strikt zuwider, der von jeher für die Zollsrcihcit alles Geistesgutes eingetr-eten ist, sie erschwert aber auch -den Um- stcllnngsprozeß der europäischen Volkswirtschaft, -die sich erst all mählich der ungeheuren Gefahren bewußt wird, die -darin be stehen, daß sie zwischen -den amerikanischen und den asiatischen ISI6 Wirtschaftskörper -eingezwäugt ist und sich nur behaupten kann, wenn sie sich so bald wie möglich den wirtschaftlichen Struktur veränderungen anpaßt. Darin liegt -das europäische Wirt- schastsschicksal, und es ist kein Zufall, daß gerade heute die durch den Krieg zerrissenen Fäden internationaler Verstän digung aus industriellem und handelspolitischem Gebiete wieder geknüpft werden. Also auch in Europa haben -wir «inen Depressionsznstan-d zu verzeichnen, -der sich in einer beträchtlichen ArbeitÄosigkeit in fast allen europäischen Staaten äußert und ebenso den ehernen Zwang zu einer Umstellung des Wirtschaftsapparates und der Wirtschafts politik in sich schließt. Neben diesen allgemein europäischen Er scheinungen tveist aber die deutsche Wirtschaft noch beson dere Strukturveränderungen auf, die zu einer Ver mehrung des Angebots und zu einer Verminderung des Bedarfs an Arbeitskräften geführt haben. Vermehrt worden ist das An gebot einmal durch eine Verschiebung des Arbeitsalters, das etwa das lb. -bis 60. Lebensjahr umfaßt, innerhalb der Bevölkerung nach oben. Denn während l907 diese Quote nur 57,5 Prozent betrug, belief sie sich schon 1920, wo sie -letztmals festgestellt wurde, auf 63 Prozent und -dürfte in der Folgezeit eher noch höher als niedriger geworden fein. Ein ivciterer Zuschuß von Arbeits kräften ergibt sich ans der Umstellung der Heeresorganisation mit ihren Auswirkungen auf die Rüstungsindustrie und alle -die Ge werbe, die vor dem Kriege an Heereslieserungen beteiligt waren. Vor -allem aber ist die Zahl der Erwerbstätigen gegenüber den Vorkriegszeiten durch die zunehmende Berufstätigkeit der Frau und den Zustrom aus -der Rentnerklasse vermehrt worden, sodaß wir »ach sachverständigen Schätzungen einen Zuwachs an Er werbstätigen von -etwa 314 Millionen zu verzeichnen haben. Dieser vcr-mehrlen Zahl von Menschen, -die sich im Arbeitsprozeß betätigen wollen, steht ein ebenfalls aus Strukturveränderungen znrückzufü-hrender Rückgang -des Bedarfs an Arbeitskräften gegen über. In erster Linie ist hier -der verringerte Auslan-dabsatz zu nennen, der Million Menschen freig-estellt hat. Dem ver ringerten Auslandabsatz schließt sich in Verschärfung -der Lage ein Rückgang des Jnlandabsatzes an, d. h. der Arbeit für den sogenannten Mehrverbrauch, der über das Existenzmiuimum der Bevölkerung hiuansgeht und vor dem Kriege begreiflicherweise erheblich höher war als heute, und ebenso der Rückgang für die Arbeit -der Kapitalbildung, wobei insbesondere an den Rückgang des Beschäftigungsgrades der Banken, Sparkassen und des ganzen Finanzgewerbcs erinnert -sei. Man kann deshalb annehmen, daß die zuvor errechnet! Zahl von 3>/- Millionen Zuwachs an Er- Ivcrbstäligen durch -die Verringerung des Bedarfs noch erhöht, keinesfalls aber durch den Bedarf ganz oder teilweise absorbiert wird. Nach alledem müssen wir uns darauf gefaßt machen, daß trotz eines etwaigen Konjunki-urwechsels eine beträchtliche chronische Arbeitslosigkeit bestehen bleiben wird, bis der Umst-ellnngsprozcß, d. h. die Anpassung unserer Industrie, unseres Handels und unseres Gewerbes an die veränderte Struktur des deutschen Wirl- schaftskörpers und darüber hinaus der europäischen und Welt wirtschaft beendet ist. Dieser llmstellungsprozeß muß eine Absatz- erweiterung und damit eine strukturell erhöhte Beschäftigungs- Möglichkeit mit sich -bringen, -wenn er zu dem ersehnten Ziele führen soll, wobei es sowohl auf die Hebung des Jnlan-dmarktes ivie auf den Warenexport und die Herstellung eines richtigen Ver hältnisses zwischen -industrieller und landwirtschaftlicher Be tätigung ankommt. Möglichkeiten für die Beschleunigung dieses Prozesses sind zahlreich vorhanden, wobei nur an die unbegrenzten Möglichkeiten der modernen Technik erinnert zu werden braucht. Die Wirkungen einer derartigen chronischen Arbeits losigkeit brauchen kaum geschildert zu werden. Es liegt auf der Hand, -daß sic eine nicht ernst genug zu nehmende innerpoli- iische Belastung darstell-en, daß sich die Schwierigkeiten in der psychischen Behandlung der langfristigen Erwerbslosen mehren, damit gleichzeitig eine Lähmung der Arbcitsenergie und ein phy sisches und psychisches Elend verbunden ist, das nicht nur die jetzige Generation betrifft, sondern auch den Nachwuchs zu ge fährden droht, ganz abgesehen von der -finanziellen Belastung des
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