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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.09.1936
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1936-09-17
- Erscheinungsdatum
- 17.09.1936
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- Deutsch
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Vom Superlativstil Bismarck war es, der einmal den Satz Prägte, daß, jeder Superlativ zum Widerspruch reizt. Das Wort mag unberechtigt, ja vielleicht falsch sein, sofern man es zu verallgemeinern ver sucht. Denn es gibt ohne Zweifel Gutes und Bestes, und auch von Schlechtem und Schlechtestem kann ohne Widerspruch die Rede sein. Dennoch aber sagt Bismarck eine Wahrheit. Und wenn man sein Wort auf jene Art Superlative bezieht, die für den Stil der »Buchreklame» schon zum Merkmal geworden sind, für jenen Stil der Waschzettel und Verlegeranzeigen, wie auch den mancher Buchkritik, so ist es fast, als ob es noch nicht aus reichend sei. Diese Superlative reizen nicht nur zum Widerspruch, sic fordern ihn, und sie fordern ihn um so mehr, als die Sorge um unser deutsches Schrifttum auch das zu umschließen hat, was als Anteil auf Werbung und Kritik entfällt. Es ist nicht einmal ein besonders aufmerksamer Blick notwen dig, um festzustellen, daß dieser grammatikalische Begriff, Super lativ, eines Eigenschaftswortes letzte Steigcrungssorm, im Reklame stil schlechthin ein außerordentlich vielseitiges und dankbares An wendungsgebiet gefunden hat. Die Sprache der Reklame wäre leblos ohne den Superlativ, wäre tot wie ein Markt ohne Ge schrei. Und seit es so etwas gibt wie eine Reklame für das Buch, hat man auch hier den Superlativ in seine Rechte gesetzt, und der »Büchermarkt» deutet dabei mit erfreulicher Offenheit schon an, daß auch er das Merkmal jeden Marktes nicht missen will. Wir wollen einer lauten Werbung für das Buch, als einem Mitt ler des Kultur- und Bildungsgutes, nicht ihre Berechtigung ab- sprechen. Doch gerade weil wir ihre Ausgabe größer sehen, müssen wir jene Methode der Superlative als eine Sache des Wider spruchs betrachten und uns diesem Stil, der weder ehrlich noch fördernd ist, um dieser größeren Aufgabe willen entgegcnstcllcn. Das deutsche Schriftgut ist gewiß nicht arm an Werten und Schätzen, die immer mit in die Zukunft gehen und immer Quell und Antrieb bleiben werden. Ebenso sicher aber wird auch sein, daß im Heute und Morgen noch Werke kommen, deren Wert und Tiefe auch in ferneren Tagen unbestreitbar bleibt. Allein, die Gnade wird stets bei wenigen nur sein, deren Gaben im Urteil den Superlativ verdienen. Was aber rechtfertigt dann, daß Titel- und Nrteilsphrasen nahezu alles, was heute die Öffentlichkeit erreicht, dem Superlativ verschreiben? Lesen und hören wir nicht immer wieder vom »erschütterndsten Buch, das je geschrieben wurde-, von Werken »unbeschreiblichster Spannung- mit »Ewig keitswerten» und »nicht zu übertresfender Sprache»? Von Büchern, die »den Atem rauben« und »nur mit Herzklopfen zu lesen- sind? Wo fehlt cs nicht an »außerordentlichster Zartheit-, »ergreifendster Tragik- und -glockcnklarstcr Schönheit»? Wechseln nicht »meisterhafteste Schilderung«, »umfassendstes Werk-, »köst lichstes Buch», »leidenschaftlichster Roman» und »glühendstes Be kenntnis» immer wieder einander ab? Warum ist immer nur die Rede von Höchst- und Gipfelleistungen, von Hymnen, Dokumenten und Standardwerken, von Prädikaten wie unerhört, grandios, beispiellos und unerreicht, von Steigerungssormcn, deren Schöpfer sich im Schlagen von »allerhöchsten» Purzelbäumen zu übertresfen suchen. Der »Büchermarkt» hat das Buch zu einer Sache gemacht, und so, wie jede Sache, mit der sich Geld verdienen läßt, muß auch diese angepriesen werden. Von der Stärke der Trommel hängt dabei auch hier die Münze ab, und je größer das Angebot, desto heftiger ist der Trommelschlag. Der Elser des Geschäfts kennt keinen Unterschied, er richtet alles aus nach dem Erfolg. Wem soll es schaden, wenn Mängel übcrtüncht und Hohlheit überdeckt, wenn Werte angedichtet werden, die auch entfernt nicht aufzufinden sind? Wenn -klingendste» Titel und »glänzendste» Empsehlungen zum Lockruf werden und Machwerke und Kon junkturartikel zu -Meisterwerken». Die Auflagenhöhe wird allein als Maßstab angesehen, und diesem Stand der Bewertung wird untergeordnet, was irgendwie und irgendwann der Propaganda dient. Die Methode der Superlative ist das äußere Zeichen, aber dahinter versteckt sich jene Unwahrhaftigkeit, die immer auf- tritt, sobald es um eigene Vorteile geht. Die Hymnen des Lobes, die alle Vergangenheit mitleidsvoll belächeln und jede Zukunft SOS in der Buchwerbung selbstbewußt verneinen, sind ein Geständnis, daß eigener Nutzen höher steht als die in der Tat unvergänglichen Werke der Großen deutscher Vergangenheit, daß eigener Nutzen auch über dem Glauben steht, den wir von deutscher Zukunft in uns tragen. Ein gerütteltes Maß von Verantwortungslosigkeit kennzeichnet weiter diesen Weg, der den ahnungs- und wehrlosen Leser mit lockenden Wortspielen überfällt, an dessen Ende aber die Enttäuschung und Verbitterung derer steht, die selbst über Wert und Unwert zu ent scheiden wissen. Die Methode der Übertreibung und des Marktes dient dem Augenblick und nicht der Zeit, und nicht trefflicher kann sie bewertet werden, als durch das Beispiel, das sic selber gibt, wenn über kurz oder lang die »erschütterndsten Werke- von »un vergänglichem Werte» als »Restauslagc» ins Warenhaus wandern. (!!) Das echte deutsche Schriftgut soll «in vielfältiger und tiefer Ausdruck deutschen Lebens und Glaubens sein, und immer, wo es diese Sendung erfüllt, war es eine Meisterhand, die es schuf. Wohl kann auch jene Methode ein Buch in die Öffentlichkeit stellen und sein Lob und Lied hinaustrommcln, bis die Welt daran zu glauben scheint. Aber immer ist von Wert und Bestand und Dauer nur das, was an die Seele und Glaubenskraft des Volkes rührt. Man könnte in dieser Zuversicht den Stil der Übertreibung und des Geschäfts sich selbst überlassen und daran erinnern, daß auch ohne würzige Reklame das Gute den Weg finden, und daß auch mit den »ausgewähltesten» und -erhaben sten- Superlativen auf Bauchbinden und Waschzetteln das Schlechte und Minderwertige keinen Dauererfolg haben wird. Aber diese Ansicht ist zu billig, als daß ihr nachgegeben werden könnte, und bei der unabänderlichen Meinung, daß das Schrift gut mehr ist als eine Sache des Handels, muß auch jeder Ver such, es der Ware gleichzustellen, Widerspruch erfahren. Die Werbung für das Buch, wie wir sie sehen, für das Buch als Aus druck deutscher Nationalkultur und als Mittler innerer Formung, bleibt davon unberührt; gerade die Größe dieser schönen Aufgabe aber ist cs, die von uns fordert, der nur hohl tönenden Reklame, wo immer sie auch astzutresfen sei, entgegenzutretcn. Der Stil des Superlativs ist ein Übel der Zeit, das zu be seitigen vor allem an jenen liegt, die an seinem Dasein schuld haften Anteil nehmen. Gewiß, nicht jeder Verleger ist den Weg mitgegangen, und die Zahl derer ist gewiß auch nicht klein, die jenen andern von Verantwortung und Wahrhaftigkeit bestimmten Weg geschritten sind. Auch wäre es unbillig, zu verschweigen, daß erfreulich oft Verlag und Buchhandel auf den Schreistil des Marktes bewußt verzichten, weil Arbeit und Auswahl allein von einer inneren Anteilnahme am kulturellen Schaffen geleitet wer den, und daß nicht selten diese innere Bereitschaft zur Mitwirkung an den Erfordernissen der Zeit auch große Opfer sieht. Dennoch aber ist die Anzahl der Verleger nicht klein, die täglich neu den »Markt- beschicken und mit erstaunlicher Geschicklichkeit das Wort zu finden wissen, das ihrer Absicht dient. Diesen -Mittlern» gilt die Kritik, weil sie mit Eigennutz den Weg verbauen, der einem arteignen deutschen Schrifttum bereitet werden muß. Freilich, von der rechten Würde unseres Schrifttums ist schon wiederholt und oft genug gesprochen und geschrieben worden, und bei der Viel zahl der Stimmen hätte» cs eigentlich längst alle hören müssen, in deren Hand es liegt. Die Ruhe und Gelassenheit aber, mit der die Mittler den Erfordernissen begegnen, zwingt zum wieder holten Hinweis und macht notwendig, diese so lange anzugehen, als nicht die Einheit verwirklicht ist, die in der Auffassung von einem deutschen Schrifttum vorhanden sein muß. Das geistige Gut hat einen tiefen Sinn, und wenn es ihn erfüllen soll, dann müssen vorab die Mittler dieses Gutes — Autor, Verlag, Verkauf und Kritik — unbestechlich fest in ihrer Verantwortung stehen und sie verbinden mit dem Mut zur Wahr heit, zur Uneigennützigkeit und zur Treue. Nicht Übertreibung, nicht schillernde Reklame und nicht das bunte Spiel der Worte machen die Verpflichtung aus, die einzig nur darin liegt, sich ein ehrliches Bereitsein zu sichern und ein ehrliches Bekenntnis an- zuschließen. Adolf Kr lener.
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