Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.04.1937

zur Lösung dieser Aufgabe so günstig wie bei uns. Man hat uns früher einmal, manchmal mit einer gewissen wegwerfenden Ironie das Volk der Dichter und Denker genannt. Man hat draußen in der Welt vielfach geglaubt, uns damit — weltpolitisch und machtpolitisch gesehen — in eine zweitrangige Rolle Herabdrücken zu können. Das ist nun vorbei und nicht mehr der Fall. Das deutsche Volk ist durch die großzügig aufgezogene Regeneration von 1933 wieder ein Weltfaktor geworden, es ist wieder in die Reihe der Weltmächte eingetreten und man kann nicht mehr auf seinem Rücken Politik machen. Das deutsche Volk ist nicht mehr Objekt, sondern es beginnt in zunehmendem Maße wieder Subjekt der internationalen und vor allem der europäischen Politik zu werden. Wir sind nicht nur ein Volk von Dichtern und von Denkern, wir sind heute wieder ein Volk von Organi satoren, von Ingenieuren, Hochbautechnikern, Offizieren und Sol daten, Arbeitsdicnstmänncrn und politischen Funktionären, ein Volk auch von Arbeitern, von Arbeitern der Stirn und von Arbeitern der Hände. Wir sind ein Weltvolk geworden. Und trotzdem wollen wir unseren Stolz darin sehen, als Volk der Arbeiter und Sol daten, der Ingenieure und Hochbautechniker auch das Volk der Dichter und der Denker zu bleiben. Die deutsche Nation hat der Welt die meisten Genies auf allen Gebieten geschenkt. Wir haben im vergangenen Jahrhundert in Deutschland mehr Musiker der Welt geschenkt, als die ganze übrige Kulturwelt zusammen in allen Jahrhunderten der Welt geschenkt hat. Das deutsche Volk ist auf allen Kulturgebieten immer führend gewesen, und nirgendwo ist auch der geistige und der seelische Hunger des Volkes so stark gewesen wie gerade in dieser Nation der Dichter und der Denker. Vielfach sind diese Bestrebungen in der Vergangen heit zerrissen und zerspalten gewesen, weil sich Staat und Volk um diese Bestrebungen niemals gekümmert haben und sich in ihrer Struktur auch niemals kümmern konnten. Heute ist das anders. Wir besitzen heute in Deutschland nicht nur eine politische, sondern auch wieder eine kulturpolitische Führung. Und alle, dis hieran mit beteiligt sind, sind heute unter einer starken Hand zu sammengefaßt in einer großen, alles umfassenden Berufs organisation. In dieser Berufsorganisation, die dem Dienst am Volke ge weiht ist, hat nun der deutsche Buchhandel eine sehr wichtige Mission zu erfüllen. Er ist zum Treuhänderdienst an dieser Auf gabe, der Vermittlung des Buches zum Volk, aufgerufen. Er füllt er diesen Treuhänderdien st, dann erfüllt er damit auch seine nationale Pflicht und er dient damit auch seinen materiellen Inter essen. Es gibt also für diese Kantatetagung und für die Arbeit des kommenden Jahres keine bessere Parole, als sich im Dienst am Volke dem Dienst am Buche zu widmen. Ein wieder lesendes und bücher kaufendes deutsches Volk wird Ihnen dafür zu danken wissen. 11L. Hauptversammlung des öörlenvereins am L4. /lpril 1YZ7 Die Sitzung der Fachgruppe Sortiment hatte sich am Sonnabend bis in den Nachmittag hingezogen und so kam es, daß die ersten Be sucher der Hauptversammlung des Börsenvereins sich einstcllten, als im Saal noch Stühle gerückt und die letzten Vorbekeitungen am Lautsprecher getroffen wurden. Die Beteiligung an der Hauptver sammlung war wie an allen anderen Versammlungen erfreulich stark. Auch sämtliche angeschlossenen ausländischen Vereine hatten Vertreter entsandt, die ebenso wie das Ehrenmitglied Hosrat 0r. Arthur Niemer von der Versammlung lebhaft begrüßt wurden. Die Hauptversamm lung wurde vom Vorsteher, Herrn Wilhelm Baur eröffnet, der den Vorsitz an seinen Stellvertreter, Herrn Martin Wülfing, übergab. Im Mittelpunkt der Hauptversammlung stand der umfang reiche Geschäftsbericht des Börsenvereins, der nach der Entgegen nahme der Berichte über die Deutsche Bücherei, die Reichsschule des Deutschen Buchhandels und die Deutsche Buchhändler-Lehranstalt sowie der Genehmigung der Kassen- und PrüsungAerichte lebhaft be sprochen wurde. Eingangs betonte Pg. M. Wülfing, daß sich der Jahresbericht des Börsenvereins auf die wirtschaftliche Lage des Buch handels beschränkt, während alle kulturellen Fragen dem Bericht der Gruppe Buchhandel in der Reichsschristtumskammer Vorbehalten bleiben. Weiter hob er einleitend hervor, daß der Buchhandel Anlaß habe, sich über die Besserung der wirtschaftlichen Lage, wie sie in dem rückschaucnden Bericht für fast alle Zweige des Buchhandels zum Ausdruck komme, zu freuen, daß das aber kein Grund zum Ausruhen sei, sondern daß wir immer von neuem unseren Blick nach vorwärts richten müßten, um unsere Pflicht als vorbildliche Staatsbürger, d. h. gute Nationalsozialisten zu erfüllen. Der Vorsatz: Aktivität, Be währung im Gemeinschaftsgeist und Sauberkeit im Geschäftsverkehr müßte uns weiter als Leitspruch dienen. In zahlreichen Wortmeldungen wurde zu einzelnen Punkten des Jahresberichts Stellung genommen. Darüber wird die in einer der nächsten Nummern erscheinende Verhandlungsniederschrift näheren Ausschluß geben. Es sei hier nur kurz erwähnt, daß zur Frage der Papierverknappung und zur Lage des Lehrmittelhandels wertvolle Aufklärungen gegeben wurden. Zur Verkehrsordnung wmden von der Vertretung des Sortiments verschiedene Wünsche angemeldet, wobei auf den neugegrllndeten Ausschuß für Verkehrs- und Verkaufssragen hingewiesen wurde. Weitere Wortmeldungen erfolgten zu den Punkten Werbung und Internationaler Verleger-Kongreß, der im nächsten Jahr in Leipzig stattsinden wird. Von Sortimenterseite wurde auf die Statistische Berichterstattung des Börsenvereins hingewiesen und zur Beteiligung aufgefordert. Auch die Ausbildung unseres Nach wuchses war Gegenstand längerer Ausführungen. Dabei wurde be tont, daß alle unsere Einrichtungen dem auslanddeutschen sowie aus ländischen Buchhandel ofsenstchen und daß davon auch reichlich Ge brauch gemacht werde. Der ausländische Buchhandel wurde auf gerufen, sich an dem vom Börsenvercin ins Leben gerufenen Gehilfen- Austausch recht lebhaft zu beteiligen. Im Namen der dem Börsenverein angefchlossenen Ausland vereine ergriff, von der Versammlung sehr herzlich begrüßt, Herr Lan g-Bern das Wort. Er brachte seine Befriedigung darüber zum Ausdruck, wie ldbhaft in Deutschland an der Fortbildung des jungen Buchhändlers gearbeitet würde. Zum Schutze des ausländischen Buch handels verlangte er eine Einschränkung des Auchbuchhandels sowie der Direktlieferungen der Verleger. Der Vorsteher, Herr Baur, dankte im Verlaufe der Versamm lung dem Kleinen Rat für seine aufopferungsvolle Tätigkeit und be stätigte die Mitglieder in ihren Ämtern für weitere drei Jahre. Herr Wülfing beschloß die Aussprache über den Geschäftsbericht mit einem Gedenken an die Toten des Jahres 1936, unter denen sich das Ehrenmitglied des Börsenvereins, Max Röder, befindet. Er teilte mit, daß das Andenken an Ernst Reinhardt, der in zwanzigjähriger ehrenamtlicher Tätigkeit dem Buchhandel außerordentlich wertvolle Menste geleistet hat und der auf so tragische Weise aus unserer Mitte gerissen worden ist, durch die Anbringung seines Bildes im Buch- händlerhaus geehrt werden wird. Der Hauptversammlung des Börsenvereins schloß sich nach einer Pause von einer halben Stunde die gemeinsame Tagung der Reichs schristtumskammer, Gruppe Buchhandel und des Börsenvereins an. Nr. SS Dienstag, din 27. Aprll 1SS7 373