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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.02.1911
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1911-02-17
- Erscheinungsdatum
- 17.02.1911
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 2057 ^ 40. 17 Februar 1911. durch besondere Fachkenntnis ausgefallen, derart, daß sie nach dem Verfasser forschte. Die berühmte Sängerin fand ihren Weg nach dem bescheidenen Häuschen hinter der ehemaligen Spittelkirche, kletterte die Treppen zum Schneidermeister Mehlhorn hinauf, wo der Kritiker seine »Bude« hatte, und überraschte ihn nicht wenig durch ihren Besuch. Sie hatte ihm eine goldene Feder mit« gebracht, »damit in Zukunft das Handwerkszeug dieses Meisters würdig sei«, und bat ihn, sich der Feder fürderhin zu bedienen. Er tat es auch; vielleicht daß er die Feder für seinen Talisman halten mochte; er hat von dem Tage an bis an sein Ende nie mehr mit einer andern geschrieben. So ist Ernst Kossak in die Literatur gekommen. Schon äußerlich waren die Verhältnisse grundverschieden von jenen, unter denen die meisten Journalisten des modernen Berlin auf wachsen. In Marienwerder geboren, der Sprößling einer ange sehenen Beamtenfamilie, echt germanisch und gründlich gebildet, hatte er nichts an sich von dem witzelnden, haspligen Blut, das jetzt manche Tagesgröße hervorbringt. Die Vorbedingungen waren da, die das Metier zur Kunst erheben; für die Kunst« stückchen, die die Menge blenden, aber nicht von Bestand sind, war die Grundlage zu ernst. Das ist's gerade, was den echten Künstler vom falschen unterscheidet: der Ernst, mit dem er an seine Aufgabe herangeht, die Ehrfurcht möcht' ich sagen, mit der er sein Talent benutzt, gewissenhaft, als wäre er sich ohne Unter« laß bewußt, wer ihm dies hohe Pfand anvertraute. Auf der Redaktion einer und der anderen Berliner Zeitung lernte er sein Handwerk. Sie sind heute längst vergessen, die »Zeitungshalle«, die »Constitutionelle Zeitung«; aus ihrem Brief« Papier stand keine Fernsprechnummer und keine Telegrammadresse. In solch beschaulicher Umgebung konnte allein auch ein Talent sich entfalten, das der stillen, sorgsamen Beobachtung gewidmet war. Aus der Klavierspiel- und Klavierlehrerzeit brachte Kossak Erinnerungen mit, die ihm mit einem Male unter der neuen Bedeutung guter literarischer Modelle erschienen, und so mußten einstige Schüler und Schülerinnen zu höchst lebendigen und sehr amüsanten Skizzen den Stofs hergeben. Er zeigte darin eine scharfe Begabung, die Schwächen seiner Mitmenschen zu fassen und humoristisch darzustellen. Sein »Graf Schwarznase« ward in Berlin eine berühmte Persönlichkeit. Man kannte derartiges nicht im damaligen Berlin. Urteils fähige Kenner haben später Kossak den Ehrentitel des Schöpfers des deutschen Feuilletons beigelegt. Tatsächlich hatte er viele Jahre hindurch für eine Reihe der ersten deutschen Zeitungen solche Feuilletons geliefert, und es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, daß seit seinem Tode so Gutes nicht mehr geschrieben worden ist. In zahlreichen Bänden wie »Berliner Federzeichnungen« <und unter anderen Titeln) sind viele dieser Skizzen später in Buchform gesammelt worden, so daß der Leser mich leicht zu kontrollieren vermag. Er wird in jedem die Hand eines feinen und feingebildeten Mannes erkennen, und wenn auch manches alt geworden ist, nichts veraltet daran finden. Wie Glaßbrenner das Berliner Volk in urwüchsigen, derben Dialogen verarbeitete, zeichnete Kossak die höheren Klassen, die Bankiers im Tiergarten, die großen Arzte, die Herren Geheimräte u. a. m. Er tut dies in haarscharfen Strichen, sein Stil ist feingeschliffen wie ein Florett- Nicht umsonst hatte er sich an den Alten gebildet; noch in späteren Jahren, als ihn ein trauriges Siechtum in eine lange Einsamkeit verbannte, waren sein Trost die griechischen und lateinischen Klassiker, die er las und wieder las. Dennoch war sein Stil nichts Angelerntes. Im Gegenteil, was Rebekka zu Jvanhoe über die Kampfesweise des Schwarzen Ritters sagt, ist anwendbar auf die Kossaksche Darstellungsweise: »Es ist mehr als bloße Stärke darin, es scheint, als lege der Kämpfer seine ganze Seele und seinen ganzen Geist in jeden Schlag, den er führt«. So finden sich, wie Perlen verstreut über viele seiner Skizzen, Aus sprüche, die edel geformt und schön gedacht sind und einem im Gedächtnis hasten. Zum Beispiel am Ende eines Feuilletons über das Berliner Zellengefängnis, in dem den Zuchthäuslern die Unterhaltung verboten ist, das Wort: »Das Schweigen des Zellengesängnisses ist die Vergeltung der vorlauten Tat«. Die kleinbürgerlichen Verhältnisse der Vorsiebziger Jahre, unter denen Kossaks Begabung heranreiste, hatten indessen auch ihre Schattenseite. Nur unter ihnen war es möglich, daß ein so feingeprägtes Schriststellertalent mit dem echten und rechten Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 78. Jahrgang. Schriftstellerelend Hand in Hand gehen konnte. Wie würde eine reich entfaltete und auflagekräftige deutsche Presse heute einen Mitarbeiter bezahlen, der ihr Tausende von Abonnenten sichern könnte! Wie hingegen mußte Kossak sich abplagen, nur um die bescheidensten Unterhaltsmittel für sich und seine kleine Familie aufzubringen. Und er nicht allein. Frau und Töchter saßen beständig an der Arbeit, kaum daß er ein Feuilleton aus der Feder hatte, es abzuschreiben, damit es an mehrere Zeitungen — die Kölnische, die Königsberger Hartungsche, die Schlesische — zu gleicher Zeit versandt werden konnte. Selbst wenn er zur Heilung seiner Nerven die Bäder auf suchte, durfte er sich keine Ruhe gönnen, und so tauchte denn mehr als einmal in seinen Familienbriefen der Seufzer auf: «Die Kur ist sehr angreifend und schwer, noch schwerer das Arbeiten«. Dazu die Quälereien von Leuten, die den be- rühmten Badegast sprechen wollen und sich durch keine Rücksicht zurückhalten lassen. »Der Ruhm, wenn er mit Geld geharnischt ist, läßt sich leicht ertragen; aber der unfruchtbare deutsche Ruhm ohne diese Waffe ist für einen armen kränklichen Mann schwerer als ein Mühlstein. Ich bin nicht mehr imstande, mich vor den Menschen zu schützen. Leute aus allen Gegenden Deutschlands kommen zu mir und stören mich. Gestern empfing ich vormittags sechs Besuche, so daß ich — ein Brunnen trinkender und diese schweren Bäder gebrauchender Mann — nachmittags drittehalb Stunden arbeiten mußte. Erst gegen sechs Uhr abends kam ich aus der glühendheißen Stadtatmosphäre. Hätte ich, wie es sich für einen Mann von meinem Ansehen ziemt, und wie es in allen Ländern ist, wo man das Talent auch bezahlt, einen Sekretär und einen Bedienten, so wäre ich imstande, mich zu schützen; in dieser kleinen, offenen Hotelstube muß ich aushalten.« Seinen Lieblingswunsch, nach Paris zu gehen, konnte er nur durch die Gefälligkeit eines reichen Freundes erfüllen, der ihm das Reisegeld vorschoß. Als Frucht brachte er ein prächtiges Buch mit, seine »Pariser Steroskopen«, reich an Humor und Ernst zugleich. Schnell, wie er sehen mußte, war er eben kein gewöhnlicher und sicher nicht ein oberflächlicher Beobachter. In der Schilderung einer Truppenrevue auf dem Marsfelde findet sich folgende Bemerkung: »In diesem tosenden Waffengeklirr, in dieser lärmenden Volksmenge gibt es aber noch einen milden Akkord, die Kaiserin Eugenie. Als sie sich entfernte, drängte sich eine neugierige Masse zu der Pforte der Militärschule. Ruhig in der schwarzen Wolke unbedeckter Häupter hinschwebend, näherte sich ihr offener Wagen, und mit wahrhaft kindlicher Lieblichkeit verneigte sich das anmutige Wesen nach allen Seiten. Sämtliche Porträts geben nur die regelmäßigen Formen der Gesichtsbildung wieder, den ganz besonderen raffaelisch madonnenhaften, zwischen Schmerz und Freude schwebenden Ausdruck hat keiner festzuhalten vermocht. Es ist ein Gesicht, das viele Schmerzen der Zukunst prophezeit.« Dies wurde im Jahre 1854 geschrieben, inmitten des größten Glanzes des Kaiserreichs! . . . Der Zwang, sür den Tag zu arbeiten, Kritiken, Feuilletons, Reisebriefe zu schreiben, mag Kossak daran gehindert haben, ein größeres Werk zu planen. Ich meine, daß in ihm ein Talent steckte, das groß genug war, einen humoristischen Roman aus zubauen, und einer seiner urteilsfähigsten Freunde, Titus Ullrich, stimmte mir einst hierin freudig bei. Daß er sich an Dickens gebildet hat, ist außer Frage; doch in seinen knappen Arbeiten ist wohl der kaustische Witz, weniger aber das große Herz des Engländers, das alles, was menschlich ist, eng an sich schloß, zur Geltung gekommen. Dennoch erkennt, wer nur zu lesen versteht, daß Kossak ein Humorist und nicht nur ein witziger Schriftsteller war: in seinen Werken, klein wie sie an Umfang sind, ist Größe. Darum wäre es noch längst nicht das Dümmste» wenn Heuer ein Verleger das Beste von seinen Sachen aus wählen und neu herausgeben wollte. Ist darin auch ein anderes Berlin gezeichnet, als unser heutiges, so wird doch mancher Freude daran haben, und es dürften sich Leser genug finden; er ist Bleibendes darunter. Im Buchhandel erschienene Schriften Ernst Kossaks: 1836 Friedrich Barbarossa (Drama) bei Eyssenhardt. 183S Genrebilder (unt Pseudonym L. Ernst). Berlin,C. A. WoffLLo. 1847 Ein Deputirter (illustriert von Wilhelm Scholz). Potsdam, Otto Janke. 270
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