Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.03.1930
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1930-03-18
- Erscheinungsdatum
- 18.03.1930
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19300318
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193003189
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19300318
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1930
- Monat1930-03
- Tag1930-03-18
- Monat1930-03
- Jahr1930
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
MsiÄMMmDnMM ViMgM Nr. 65 (N. 32). Leipzig, Dienstag den 18. März 1830. 87. Jahrgang. TeÄMromllerTÄ Dom französischen Buchhandel. Von vr. M. Uebelhoer- Panis. Im literarischen Frankreich stand unlängst eine Frage zur Diskussion, die von prinzipieller Bedeutung und damit auch für das literarische Deutschland beachtenswert ist. Es soll nämlich der bekannte und sehr gefeierte Dichter Paul Claudel, der im Nebenberuf Botschafter (übrigens nicht der einzige Dichter von Ruf der französischen Diplomatie) und sonst streng katholisch ist, mit seinem Verlag deshalb nicht mehr zufrickdcn sein, weil dieser immer mehr »skandalöse» Werke herausbringe; da Harr Claudel aber nicht will, daß sein Ruf und sein Ruhm, die seinem Verlag dienen, auch solch »skandalösen» Werken zugute kommen, soll er beschlossen haben, in diesem Verlag nichts mehr veröffentlichen zu lassen. Es handelt sich hier um den literarisch führenden Verlag der »liouvelle lievus lran^a-iso«, der die besten Autoren vereinigt. Mit diesem Entschluß stellte Herr Paul Claudel die prinzi pielle Frage, wie weit der Verleger seinen Autoren gegenüber bei der Wahl der neuen Werke moralisch verpflichtet sei. Diese prinzipielle Frage wurde von der großen Pariser Presse eifrig aufgegriffen, sie wurde zu einer Rundfrage an die ersten Pariser Verlage erweitert. Wie bei Rundfragen üblich, kam auch dies mal keine klare Antwort heraus, dafür aber eine vielseitige Be leuchtung dieses Problems durch Männer vom Fach. Einige Hauptpunkte der eingegangenen Antworten seien hier wie'der- gegeben. Nach dem Leiter des Verlages Plon-Nourrit ist die Firma eines Verlegers ohne Zweifel ein moralisches Schild gewisser maßen für die in diesem Verlag herauskommenden Bücher. Biele Käufer verlassen sich bei ihrer Wahl ausschließlich auf den Ruf oder die bekannte Richtung eines Verlages, und dies Vertrauen verpflichtet. Aber kein Verleger ist moralisch derart gebunden, daß er ein gutes Werk «deshalb zurüekweiscn müßte, weil «dessen Ideen im Widerspruch mit den Ideen andrer, in seinem Verlag erschienener Werke stehen; es komme lediglich darauf an, daß die Ideen von einem wertvollen Autor mit Talent zum Ausdruck gebracht werden. Nach Calmann-Lövy ist die moralische Verantwortung «des Verlages gegenüber dem Publikum besonders dann groß, wenn es sich um einen noch jungen und unbekannten Autor handelt. Im übrigen ist dieser Verlag der Ansicht, «daß kein französischer Verlag das Recht habe, etwas zu veröffentlichen, was gegen Frankreich gerichtet sei öder Frankreich schaden könne. Herr Gaston Gallimard, der Leiter des Verlages «der »Uou-esIIs Uovu-s Iraneaiss» (also der Verleger von Paul Claudel), ist ebenfalls der Meinung, daß einem Verlag eine moralische Bedeutung zu komme und daß er seinen Autoren gegenüber moralisch verpflich tet sei; aber «wer wolle genau sagen, wo diese Verpflichtung be ginne . . .? Der noch junge, aber sehr erfolgreiche Verleger Bernard Grasset betont die in Frankreich zutreffende Tatsache, daß sich die französischen Verlage immer mehr »charakterisieren», das heißt, ihr eigenes Gepräge erhalten. Dessentwegen aber habe ein Autor nicht «das Recht, sich dann verletzt oder «geschädigt zu füh len, wenn «die »Note» eines Verlages wechsle oder erweitert werde. Nur dann könne man von verletzter Moral in den Be ziehungen zwischen Verlag und Autor sprechen, wenn eine ab sichtliche Irreführung oder ein absoluter Frontwechsel des Ver lages vorliege. Nach «dem Verleger Fayard ist es normal, daß der Verlagstätigkeit eine gewisse Richtlinie zugrunde liegt, der man treu bleibt. Dies müsse aber in weitherziger Weise be urteilt werden, auch sollte man sich «davor «hüten, «dem Verleger die ihm nicht zukommende Rolle eines Hüters und Leiters der Gewissen zuzuschreiben. Verlasse aber ein alter und durch seine Richtung «bekannter Verlag diese Richtung, so heiße dies, sowohl alle treuen Leser als auch «die Autoren täuschen. Der Verleger Fasquelle erinnert «daran, daß Maurice Bar- rds seinen Verlag verließ, als dieser in «der Dreyfusaffaire eine seiner Meinung nach falsche Stellung eingenommen hatte; dies sei ein Beleg für die Tatsache, daß der Verleger auf eine ge wisse Einheitlichkeit der von ihm herausgegebencn Werke zu halten habe. Auch der Verleger Emile-Paul antwortet mit einer Tatsache: sein «Verlag hat schon mehrere Werke über «das bekannte Problem des 18. Ludwig herausgebracht und sich dabei für «die Hypothese des T o d e s «des jungen Fürsten entschieden; er würde also kein Werk annehmen, «das die Naundorfische These verfechten würde. Im übrigen könne man auch «die moralische Verpflich tung «desjenigen Autors zur Diskussion stellen, der seine Ideen ändere. «Sei es etwa passend, daß ein solcher Schriftsteller im gleichen Verlag verbleibe? Huysmans znm Beispiel habe nach seiner Bekehrung «den Verlag gewechselt. Nach «dem Verlag des »litereurs <ts Trance» kann man nur bei spezialisierten Verlegern von einer moralischen Verpflichtung sprechen, also etwa bei solchen von religiösen Werken, oder von Werken für die Jugend oder für besondere «Gebiete. Der weit links stehende Verlag Rieder antwortet, daß es selbstverständlich illoyal sei, wenn er «das Werk eines katholischen öder etwa rechts gerichteten Autors annehmen würde, doch hierzu würde es >a auch kaum kommen. Der Buchhändler Perrin «schließlich weist darauf hin, daß cs Verlage gibt, «die keinerlei »moralische Bürg schaft» bieten, aber jedermann wisse dies, sowohl das Publikum, als auch die Autoren, und so wundre sich auch niemand, wenn solche Verlage die «disparatesten Werke herausbrächten. Veranstaltet «wurde diese Rundfrage durch «den »Figaro«, kommentiert wurde sie von «der gesamten großen Presse — es ist dies ein Belog dafür, welch großes Interesse die Öffentlichkeit des heutigen Frankreich Dingen literarischer Natur entgegen bringt. Die Klage über jene R e z e n «s «i o nse xe m p la r e, die den zuständigen Kritiker niemals erreichen, und über das hiermit vertane Geld verstummen -in Frankreich nie, bei «dem im heutigen Frankreich so intensiven Literaturbetrieb ertönt sie stärker denn je. Im allgemeinen ist der recht skeptische französische Verleger derAn- sicht, daß «der Kritiker meist «deshalb «den Empfang eines Rezen- sionsexemplares abstreite, weil er zu bequem zu einer Bespre chung sei. Ein um die Verbreitung des französischen Buches (vor ollem im Ausland) recht verdienter Franzose, Herr Jose Ger- mäin, hat dies Problem nun «in halb ernsthafter, halb spaßhafter Weise untersucht und auch gleich eine Abhilfe vorgeschlagen, die man als die Rationalisierung der Rezensionsexemplare bezeich nen kann und die sehr beachtenswert ist. Immerhin mußte er bei seiner Untersuchung «den wohl unheilbaren Umstand feststellen, daß viele Rezensionsexemplare auf ihrem Weg zum Kritiker oft «in die Hände von Personen geraten, «die mit dem Sinn für Lektüre einen weitgehenden Man gel an Achtung vor dem Eigentum verbinden und die in Frank reich überhaupt ziemlich mißachtete Drucksache ohne weiteres annektieren. Weniger unheilbar sind aber die Verhältnisse bei den von «den französischen Verlagen geführten Listen der ver- 2S7
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder