Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.06.1943
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- 1943-06-26
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 108 (B. 28) Leipzig, Sonnabend den 26. Juni 1943 110. Jahrgang Zwei, die zusammengehören Von Bruno Brehm Daß die beiden, Dichter und Buchhändler, zusammenge hören, daß sie aufeinander angewiesen sind, das wissen wir. Die Buchhändler sind ein Teil unseres, wir sind ein Teil ihres Schick sals, wir haben daher miteinander auszukommen. Als ich einmal im Ausland einen großen, im Kranze seiner Autoren wie Napoleon mit seinen Marschällen erschienenen Ver leger fragte, ob er sich bei dieser nur von seinem Verlage be strittenen Veranstaltung nicht vorkomme, wie ein Rennstall- besitjer zwischen seinen Pferden, bekam ich die Antwort: „Der Vergleich hinkt, mein Herr! Meine Pferde laufen leider nicht.“ Auf uns Dichter kommt es also an, ob die Verleger das Ren nen gewinnen. Ich selbst war in einer schweren Zeit meines Lebens Verleger, ich kenne die Sorgen, die Bücher bereiten; wenn ich heute einmal recht tief auf stöhne, dann sagt meine Frau: ,,Du stöhnst wie damals, als du Verleger warst.“ Ich habe also, ehe ich Autor wurde, die „andere Seite“ und deren Leiden ken nengelernt, ich habe mit meinen Pferden nicht nur das Rennen, sondern auch, wie man so sagt, die Hosen verloren. Ich würde es daher allen Dichtern, die abenteuerliche Vorstellungen über den Verkauf von Büchern und über den Goldregen, der aus solcher Tätigkeit niedergeht, empfehlen, sich eine Weile selbst mit dem Verkauf von geistigen Gütern zu befassen. Sie würden vor allem jenes vollkommen Unberechenbare kennenlernen, das man Er folg nennt. Freilich, die Dichter denken nur an ihr Werk; sie kennen ihre Arbeit, ihre Zweifel, ihre Hoffnungen und ihre schönen Träume, sie schauen in den Auslagen nach, ob sie dort ausgestellt sind, sie können es nicht begreifen, warum nicht gerade ihr Buch der große Erfolg des Jahres geworden ist, warum von ihrem Buche, das doch alle Eignungen für einen durchgreifenden Erfolg hat, nicht ganze Stöße auf dem Ladentisch liegen. Die Dichter sitjen daheim und rechnen mit dem Bleistift nach, was es ihnen eintragen wird, wenn die zweite, die dritte, die vierte Auflage einmal verkauft ist, denn von der braven ersten Auflage, die sich doch erst den Weg in diese rauhe Welt bahnen muß, halten sie recht wenig. Aber dann hören sie eines Tages wie Ohrensausen gleichsam das tödliche Schweigen, wenn die Bücher sich weder vom Ladentisch des Buchhändlers noch aus den Magazinen der Verleger fortrühren wollen. Dieses Schweigen im Blätterwald hat noch niemand gemalt, obwohl sein Einhorn noch viel schrecklichere Augen haben müßte wie jenes, das Böcklin gemalt hat. Ich habe aus jener Zeit des tiefsten Schweigens die Ange wohnheit beibehalten, mich zu schämen, wenn ich ein Buch von mir in einer Auslage sehe. Da liegt es, denke ich mir, da piepst es wie ein verlaufenes kleines Hühnchen, aber niemand hört, nie mand sieht es — wir wollen es vermeiden, daß jemand auf den Gedanken kommt, wir beide gehören zusammen. Aber allmählich wird man doch bekannt. Unlängst fragte ein Telephonfräulein, dem ich meinen Namen nannte: „Aha! Ich weiß schon! Brehm — wie Brehms Märchen!“ „Richtig“, sagte ich. „genau so!“ Es war ein Fortschritt, das hielt genau zwischen „Tierleben“ und Roman. Da ich aber nur der stille Teilhaber eines kleinen Verlegers war, mußte ich selbst die Runde bei den Buchhändlern machen und nachsehen, was meine Bücher dort taten. Wenig! Sehr wenig! Wir unterhielten uns über alles nur mögliche, und ich bewun derte die guten Buchhändler, wie geschickt sie meinen blitz schnellen Fragen über den Verkauf meiner Bücher auszuweichen verstanden. Es waren sehr höfliche Buchhändler, sie wollten mir die gewiß nicht erfreuliche Wahrheit nicht ins Gesicht sagen. Vielleicht haben mich jene Zeiten zu bescheiden gemacht, habe ich mich in ihnen zu einem zu angenehmen Autor entwickelt. Aber wer kann gegen den Lehrgang aufbegehren, den einem das Leben selbst auferlegt hat. Wenn ich heute in einer fremden Stadt in eine Buchhand lung komme, dann verschweige ich, daß ich ein Autor bin, dann will ich mir meine alte und liebste Freude, Bücher kaufen zu können, nicht zerstören. Wie viele lange und schöne Stunden bin ich als Kind in der Buchhandlung des Fräulein Mlady in Eger gesessen und habe dort Röchlings Bilder aus dem Siebenjährigen Krieg angeschaut — die Zeit um mich war versunken, der Pulverdampf wallte auf. Die blauen Röcke der Preußen und die weißen der Österreicher marschierten unter dem Schrillen der Pfeifen und unter dem Dröhnen der Kesselpauken in die Schlacht — wie oft habe ich davon geträumt, mir einmal diese wunderbaren Bücher, die mich das gute Fräulein hier ansehcn ließ, später, wenn ich groß sein werde, auch zu kaufen. Wie oft bin ich später dann als Knabe und als Jüngling bei den Buchhändlern in Znaim gestanden, mit großen Wünschen in den Augen und mit kleinen Kreuzern in der Tasche! Wie hatte mich die Qual der Wahl gepeinigt! Wie beglückt war ich mit dem erstandenen Buch heimgelaufen! Und das alles soll ich mir selbst nehmen? Soll ich in die Buchhandlungen gehen und fragen, warum sie gerade meine Bücher nicht führen? Oder, wenn sie diese führen, wie die Bücher „gehen“? Soll ich zeigen, daß ich auch zur Fachschaft gehöre? Ist es nicht viel schöner, einzutreten, sich umzusehen, dem prüfenden Blick des Buchhändlers standzuhalten und wieder die Bücher wie einst in die Hand zu nehmen, als ob man es abwiegen könnte, was für Freuden sie enthielten, wieviel Glück, wieviel Wissen, wieviel gescheite Gedanken? Welche Türen in verschlossene Welten sich auftun werden? Welche Blicke in ferne Zeiten? Welche Stunden jenseits der Welt bei großen Gedichten? Lesen wir ein paar Seiten an, prüfen wir, wie der Mann, der das Buch geschrieben hat, seine Sätje baut, seine Kapitel be ginnt, genießen wir wieder das alte Glück und zahlen wir, wie wir einst gezahlt haben, froh, daß man für Geld überhaupt so etwas kaufen konnte. Freuen wir uns, wenn wir in den Buch handlungen die gewissen Jünglinge stehen sehen, die so, wie wir in ihrem Alter, voll von Wünschen sind und doch nicht Geld genug haben, diese zu erfüllen. Geld! Ach ja, Geld! Auf Geld beruht ja das ganze Geschäft! Des Geldes wegen kommen Dichter und Verleger zusammen, des Geldes wegen gehen sie wieder auseinander, des Geldes wegen glauben die Dichter, bei einem anderen Verleger glücklicher zu werden. Mag sein, daß es manchem gelingt, im Grunde glaube ich nicht daran. Möglich, daß ein Verleger zehnmal mehr aus einem Buch herausholen kann als ein anderer. Es wird so oft gesagt, daß ich es fast glauben könnte, aber ich zweifle noch daran. Es muß ja nicht in möglichst kurzer Zeit aus einem Buch alles herausgeqüetscht werden; vielleicht tröpfelt es länger, wenn es nicht gleich im ersten Jahr so stark schüttet. Vielleicht verdirbt ein weniger gutes zu stark gedrucktes Buch dem anderen und besseren den Absat}? Ich weiß es nicht. Ich liebe es nicht, dar über nachzudenken. Ich halte nicht viel davon, wenn sich Dichter und Verleger trennen, es ist mir genau so zuwider wie eine Ehe scheidung. Es mag viele Fälle geben, wo beides ist, aber in der Hauptsache wird es wohl schon so sein, daß jemand, der mit einem Menschen nicht auskommt, es auch mit dem nächsten nicht trifft. Und wo soll denn sonst noch die vielberufene Treue ge- Börsenbl. f. d. Dt. Buchh. Nr. 108, Sonnabend, den 26. Juni 1943 109
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