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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.08.1930
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1930-08-12
- Erscheinungsdatum
- 12.08.1930
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- Deutsch
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X- 185, 12. August 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. »Pressefrechheit-- etngerissen sei. Auch die Beeinflussung von Wahlen sei unstatthaft, wenn es auch nur Vorschläge für die Staddverordneten-Wahlen seien. Das Ministerium fand, daß dergleichen öffentliche Empfehlungen die eigene unbefangene Er wägung der Wähler stören könnten. Der Zweck der Censur sei, daß das gegenseitige Vertrauen zwischen Regierung und Regier ten nicht wankend werde durch einige wenige feile Schriftsteller, die das Organ der Bolksmeinung zu fein vorgeben, und daß nicht am Ende das Wohl des gesamten -Vaterlandes durch die nur zu leicht großen Troß erlangende Keckheit solcher Skribler gefährdet werde. Drei Jahre später. Tapfer hatte Professor Täubchen auf seinem Censorposten ausgehalten und dessen Leiden und Freuden kennen gelernt. Die Leiden überwogen wohl. Das schwierige Ge schäft des politischen Zensors verlangte einen Mann, der in den gewöhnlich -in den Abendstunden zusammentrcffeNden Censuren der Tagesblätter und "der 3—4-mal wöchentlich erscheinenden Zeit schriften keinen Aufenthalt e-intreten ließ, der also seine Lebens weise sowie seine sonstige Arbeit danach einrichten mußte. Und daneben noch die Mathematikstunden in der Nikolaischule und die Vorlesungen in der Universität! Da hieß es, seine Zeit einteilen, und das Rosental sah ihn nicht mehr so oft als vorher. Und dann der reichliche Verdruß durch das unvermeidliche Zusam mentreffen mit rohen Menschen, die sich's Herausnahmen, etwas besser zu wissen als der Cenfor und die mit ihm über Prinzipien und Konsequenz streiten wollten. Da half auch nicht immer die Freundlichkeit und Gelassenheit, mit der er sein Amt auszuüben stets bestrebt war. Gestattete er doch, daß der censurierte Autor wohl mal persönlich zu ihm kam, und wie ein hilfreicher beraten der Freund half er dann zu überlegen, wie das Gestrichene in unverfänglicher Form gesagt werden könne. Aber einmal war es auch ihm zuviel geworden. Da hatte er ein Gedicht zur Censur, das der Drucker, -weil es sogar -die strenge österreichische Censur passiert hatte, schon völlig -fertig -hatte drucken lassen. Er aber strich einen Teil. Bestürzt -kam der Faktor zu ihm. Auf seinen Rat, er möge einen Karton -hineindrucken, entgegnet« der Faktor, das ginge nur, wenn Täubchen ihm einige Verse -gäbe, die er statt der gestrichenen einsetzen könne. Da -war -denn doch das Maß voll, und Täubchen hatte -die Zumutung, andere Verse statt der gestrichenen zu machen, rundweg abgelehnt. Zu -den Freuden gehörten immerhin die harten blanken 400 Silbertaler jährlich, die das Gehalt des Lehrers an der Nikolai schule angenehm erhöhten, denn die Uni-versitätsprofessur . . . -ach, ach! Auch die 60 Taler, die Täubchen auf ein Jahr einmal als Vertreter des Lokalcenfors -für Gelegenheitsgedichte, Fracht briefe, Preislisten, Besuchskarten usw., -dazu des Leipziger Tage blattes, des Jntelligenzblattes und des Protokolls der -Stadtver ordneten bezogen hatte, -waren nicht zu verachten,gewesen. Außer dem standen ihm 2ti Groschen Zensurgebühren je Bogen von 16 Seiten Oktav zu, die ihm die Drucker zu entrichten pflichtig waren. Die drückten sich -aber und blieben ihm schuldig, wo sie nur konnten. So -hatte er denn dem Ministerium einmal zu be richten -gewagt: »Leider bin ich außer -Stande, den Betrag mei ner Censur-gebühren anzugeben. Ziemlich bedeutend -sind die, welche ich hätte bekommen sollen, sehr unbedeutend (vielleicht 3—4 Taler) die, welche ich -wirklich bekommen habe.-- — Nun durfte freilich der Cenfor -die c-ensierten -Bücher als willkommene Bereicherung seiner Bibliothek -betrachten, und die er nicht be halten -wollte, verkaufte er bisweilen sehr billig. Wer auch das schuf Arger, denn für die Verleger war eine solche Schleu- derkonkurren-z ein Grund mehr, sich -gegen die Pflicht der Abgabe der Censurexemplare zu stellen. Und was -hatte Täubchen neulich in der Abendgesellschaft beim Stadtrat Ilr. -Seebuvg alles zu hören -bekommen! Da hat ten ihn einige anwesende -Buchhändler mit der -ganzen Liebens würdigkeit ihrer Biedermeierzeit, aber Bosheit in -den Augen winkeln, gefragt, ob -der Herr Cenfor schon von dem neuesten Streich -von Otto Wigand gehört Hab«? Der -habe eine gefähr liche Schrift ohne Censur drucken lassen und -dann vor allem -die sorgfältigsten Vorbereitungen zu ihrem -Versand getroffen. Dann 762 erst reichte er am späten Nachmittag die Schrift ein, über -die laut Gesetz die Kreisdirektion sofort Empfan-gsbe-kenntnis auszu stellen hatte. Sobald -diese aber erlangt war, setzten sich schon die Gespanne in Bewegung und fuhren die gefährliche Ware breit. Innerhalb weniger -Stunden war -der größte Teil der Auflage expediert und an den Buchhandel und -die Kommissio näre ausgeliefert. Auch wenn -die Kreisdirektion sich sofort an die Prüfung der Schrift machte, konnte sie nicht vor Ablauf einiger Stunden die provisorische Beschlagnahme ins Werk ge setzt haben. Selbst -wenn sie -diese aber noch am selben Abend verfügte, war -die Schrift schon der -hohen Behörde entzogen. Dann hatte ihn der -l)r. Hermann Härtel -gefragt, ob er schon gehört habe, daß der Kürschnerme-ister -Schurmann, vom Brü-Hl, zum Cenfor -für's Ungarische -vorgeschlage-n sei, ein -sehr gefälliger Mann und von vielseitiger Weltkenntnis. Ungarisch« Bücher würden nämlich ziemlich viel von Tauchnitz oder Teub- ner oder Breitkopf L Härtel gedruckt, um sie der österreichischen Censur zu entziehen. Aber Metternich sei -dahinter gekommen und -habe vom Königreich Sachsen -scharfe Censur -verlangt. Nun sei aber in ganz Leipzig nur der Kürschnermeister als Ken ner -der ungarischen Sprache zu finden gewesen, und man wisse noch nicht, -wie man sich vor dem allmächtigen Fürsten Metter nich -herausreden könne. Dann wurde noch von der Gesellschaft als sonderlicher Pech vogel Georg Wi-gaNd bedauert, der gerade sechs Wochen wegen Cens-urvergehens brummen -mußte. Da mischte sich aber in das Männergespräch sehr energisch Härtels blondgelockte Schwester Pruline ein, die zufällig von Jena her sich in Leipzig aufhielt, die ehemalige »künftige Geliebte«-, jetzt längst die Gattin -des Professors Karl Hase'). Zu bedauern sei da wenig, meinte sie; ihr lieber Mann habe, bereits Privatdozent in Tübingen, acht Monat« aus -dem Hohen Asperg sitzen müssen; so was sei Heuer gar keine Schande, sondern könne in -den besten Familien gut Vorkommen. — Das wurde allerseits zugegeben, und nun wen dete sich das Gespräch auf das -gänzliche Verbot aller Verlags artikel von Philipp Reclam jr. und Otto Wigand in Österreich. Kein Wunder, denn -fast planmäßig wertete Reclam in seinem Verlage die rückschrittlichen Zustände des Kaiserreichs und seine Skandalaffären aus. Wigand aber war ein Virtuose im Hin überschwärzen seiner Berlagswerke, in Kisten mit doppeltem Boden oder als Verpackungsmaterial. Oder die niederen Grenz- beamteu -wurden bestochen, oder es wurde -gepascht. So kamen z. B. auch -die »-Grenz-boten« regelrecht über die Grenze. — Dann kam noch -die Kei-lsche Affäre zur Sprache. Ernst Keil hatte eine censurfr-eie Schrift einveichen lassen, -die -der Pfiffige Registrator gleich als Übersetzung einer verbotenen ungarischen Schrift er kannt hatte. Als er dem Commis die sofortige Ausstellung des Cmpfan-gsbekenntnisscs verweigerte, um -sich Bescheid beim Kreis direktor zu holen, -war es zu heftigen Auftritten und Ausein andersetzungen in der -Bücherkanzlei gekommen. Der Bote mußte ohne Empfangsbekenntnis gehen. Keil versandte trotzdem -die gesamte Auflage, -da -er die -drohende Beschlagnahme fürchtete. Gegen Keil wurde Preß-Poldzei-Iiche Untersuchung, gegen -seinen Commis Kriminaluntersuchung eingeleitet. Für so prompte Justiz hatte sich -dann -die Wiener Regierung in -gerührten Wor ten -bedankt, als für einen erfreulichen Belog -der Aufmerksamkeit und Sorgfalt, die die sächsische Regierung »der incendiären Presse-- und deren feindlichen, gegen Österreich gerichteten Pro dukten zuwende. — Aber nicht nur auf Österreich nahm man in Sachsen -gebührende Rücksicht, sondern auch -aus -den anderen starken Nachbar, Preußen, sogar ans -R-euß-Ebersdvrs; -denn auf Drängen -des Fürsten Reuß llXXII. -hin -war -der Umdruck eines Bogens aus -dem Brockhausschen Konversationslexikon (2. Band) verfügt worden, weil darin ein mißliebiger Artikel -gegen -die Re gierung in Ebersdorf und die dortige Verfassung gefunden wor den war. — Sehr ergötzlich mischte sich noch einmal Frau Pro fessor Hase ins -Gespräch, indem sie von dem Professor und Cenfor Gottfried Hermann zu erzählen -wußte, -daß er -die Censur *> Vgl. Karl von Hase, Erinnerungen an Italien in Briefen an die künftige Geliebte; Ideale und Jrrtitmer.
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