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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.01.1934
- Strukturtyp
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- 1934-01-06
- Erscheinungsdatum
- 06.01.1934
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freut; nicht etwa, daß mein Buch wirtschaftlich seinen Weg ginge. Das ist bei einem Verlage wie Eugen Diederichs eigentlich selbst verständlich. Vielmehr kam cs mir darauf an, daß die Gefühle und Gedanken dieses Buches, nämlich eines langen Krieges mit allen seinen Mühen, Ländern und Menschen, auf dem Wege über den Buchhändler an möglichst viele Volks- und Zeitgenossen heran- kämcn. Und damit wird die entscheidende Aufgabe des Buchhandels als eines Helfers aller schreibenden und lesenden Menschen getrof fen: aus dem Gemeinschaftsgefühl, das einsam und verborgen doch zu gleicher Zeit in vielen taufend Menschen schläft und durch ein Buch geweckt wird, kommt die Kraft, gemeinsam Volk und Welt von neuem auf die Beine zu stellen. Otto Brües: „Buchhändler und Autor." Buchhändler und Autor: darüber könnte man sehr grund sätzlich sprechen, mit dem Eifer, aus dem allein ein gutes Traktat entstehen kann, sehr ernst und auch sehr ausführlich; denn gewiß haben die Buchhändler allerlei auf dem Herzen gegen die Auto ren, wie umgekehrt die Autoren gegen die Buchhändler. Vielleicht wäre es die Sache eines großen und bedeutenden Literaturkritikers, wie cs deren zum Leidwesen der Autoren nur wenige gibt, etwa die Auslagen einer Buchhandlung zu betrachten und öffentlich zu werten, wie auch die Werke der Autoren gewertet werden. Mir, der ich selbst erzählende Bücher schreibe, liegt wenig an einer grundsätzlichen Betrachtung; nicht, weil ich ihr ausweichen wollte, sondern weil ich lieber von dem, was zur Rede steht, hier etivas erzähle. Erzählen will ich von drei Buchhändlern, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe, nicht in einer Stadt und auch nicht zur gleichen Zeit, die aber, wenn ichs recht bedenke, jeder einen Buchhändlertyp darstellen. So will ich sie, über Zeit und Raum hinweg, hier zusammcnstellen. Den ersten will ich Herrn S. nennen. Herr S. verstand etwas vom Schrifttum und von Büchern, er verstand sogar sehr viel davon. Ein Buch war ihm keine Ware, sondern ein Gegen stand seiner Liebe. Er konnte an den Bücherregalen seines kleinen Ladens vorübergchen und einen Buchrücken nach dem andern streicheln, wahllos diesen oder jenen Band herausziehen und ihn, indem er die Kanten vor feine Lippen hielt, mit einem behutsamen Blasen von Staub und Stäubchen befreien. Wenn ein Käufer kam, so maß er ihn von oben bis unten, weil er fürchtete, er könne einen seiner Lieblinge verlieren. Das war ihm peinlich, und so bediente er sich einer Geheimsprache, die nur die Wissenden und Eingeweihten verstanden. Die Wissenden und Eingeweihten: sie waren seine Käufer. Ich brauchte lange Zeit, um zu verstehen, welcher Maßstab der des Herrn S. war. Er war ein Bibliophile, anders als mit die sem Fremdwort kann ich es nicht bezeichnen. Man verstehe mich nicht falsch: ich will nicht gegen die Bibliophilie Sturm laufen, denn einer, der schön gedruckte Bücher sammelt, ist mir lieber, als einer, der sein Leben an Briefmarken und an perlmutterne Knöpfe hängt. Aber für uns Autoren, und hier spreche ich mit vollendeter Selbstsucht, für uns Autoren ist es zwar angenehm, wenn der Verleger unfern Büchern ein bezauberndes Gewand gibt, aber wir möchten danach nicht gern beurteilt sein. Herr S. war nun nicht etwa engstirnig, ein hübsch gedrucktes Büchlein, das eine halbe Marl kostete, konnte durchaus sein Wohlgefallen finden, aber im Grunde hielt er es doch mit dem Leitsatz, wenige aber teure Bücher zu verkaufen sei wichtiger als viele zu durch schnittlichen Preisen. Ob Herr S. seine Pflicht gegen sein Volk erfüllt hat? Ich fürchte, er ist dazu überhaupt nicht mehr in der Lage, denn als ich jüngst zu einem Vortragsabend in feine Stadt kam und seinen Laden suchte, war darin ein Geschäft für Rundfunkgeräte. Herr S. aber, so wurde mir versichert, habe seinen Buchhandel ausgeben müssen. Sprechen wir also, da die Zeit über Herrn S. hinwegge gangen ist, von Herrn E. Herr E. begann stets, wenn ein Autor in seinen Laden trat, über die Miseren des Buchhändlers zu jam- 18 Ich entsinne mich, welchen tiefen Eindruck in den ersten Kampfjahrcn unmittelbar nach dem Kriege die kleinen Hefte von Georg Stammler und Bruno Tanzmann auf mich machten. Selber hatte man das gleiche längst, vielleicht schon im Frieden, gewälzt und bedacht, zum bewußten Durchbruch, zur organisierenden Tat und zum kämpferischen Selbsteinsatz aber gelangte man erst durch das Buch, das man im Fenster liegen sah, oder das einem von Bekannten geliehen wurde. Aus diesen Erinnerungen heraus glaube ich, daß der Buchhändler der stille Wegbereiter der Zukunft ist und mit dem Verleger zusammen der Treuhänder eines Ringens um die Neugestaltung von Zeit, Volk und Welt, über das eigentlich gar nicht genug geschrieben werden kann. mern, er jammerte auch in den Jahren der Scheinblüte 1927 und 1928, als man ihm etwa die schnell aus einigen Dutzend Bildtafeln und ein Paar Textseiten zusammengestoppelten Kunst bücher schockweise vom Ladentische riß. Herr E. wußte genau, daß man die Leser erziehen kann, und er erzog sie zur Verherrlichung der Novität. Er grub sich damit zwar, um ein Bild zu gebrau chen, das Wasser ab und war, um wieder im Bilde zu sprechen, äußerst kurzsichtig, doch wenn er es jemals bemerken sollte, dann erst, wenn es zu spät ist. Herr E., ein glühender Kosmopolit, faßte seine Humanität so auf, daß man vom Auslande nicht nur, was sich von selbst versteht, das Gute lernen soll, was es draußen zu lernen gibt, sondern vor allem das Schlechte. Dieses Verfahren naiinte er Vorurteilslosigkeit. Er hatte von draußen einen Götzen mit heim gebracht, den best-scllcr. Der best-selier ist nicht etwa das gute Buch, wie wohl erfreulicherweise es dann und wann auch einmal zu einem Ersolgswerk werden kann, der bsst-seller ist das Buch, das an der Buchbörse am höchsten notiert wird. Um von vorn herein dem Einwand des Herrn E. zu begegnen: ich weiß, daß ich als ein Autor, der es nicht zu einem best-seller gebracht hat, hier dem Vorwurf ausgesetzt bin, über etwas zu sprechen, wo von ich nichts verstehe. Aber, wenn ich an dieser Stelle als Autor zu sprechen scheine: ich wiege mich in dem Glauben, hier mit den ernsthaften und verdienten Verlegern ganz einer Meinung zu sein. Früher war es eine Ehrensache für den Buchhändler, nur das ins Fenster zu stellen, was er verantworten konnte, und so sah ein Fenster — ach, welchen Zauber hatte die Auslage eines Buchladcns! — bunt und einladend aus. Von den unzähligen Büchern, die erschienen, traf der Buchhändler eine sehr persön liche Auswahl, sie war um so besser, je deutlicher sie die Persön lichkeit verriet. Hier wird der richtig verstandene Individualis mus immer recht behalten . . . denn wie Bücher, wenn sie gut sind, von einem ganz bestimmten Persönlichen Gepräge sind, so ist der Buchhändler ein Anwalt seines Volkstums, der diese per sönlichen Bücher aus dem Wust des Angebots herausfiltcrt. Herr E., der Verherrlicher der Novität, ergab sich dem Kol lektivismus mit Haut und Haaren. Er legte ein und dasselbe Buch in zwanzig, fünfzig, hundert Exemplaren in die Auslagen, legte diese zehn, fünfzig, hundert Bücher zu einem auffallenden Ornament zusammen und war darin mit der durchschnittlichen Kritik einig, der Bausch- und Bogen-Kritik, der Pauschal-Kritik, die den Casus supcrlutivus soviel höher einschätzte als den Casus positivus, der eigentlich allein von Gewicht ist. Aber die Schlange biß sich in den Schwanz: auf einmal gab es, durfte man der Fama trauen, zehn, fünfzig, hundert bcst-ssller, — und auch Herr E. bekam die Not der Zeit zu spüren. Nur hatte er vorher schon soviel gejammert, daß nun, wo es ihm wirklich schlecht ging, es keiner glauben wollte. Sprechen wir von Herrn F. Herr F. — ich müßte als Autor aus dem Bereiche der schönen Literatur eigentlich traurig sein — liebt vor allem Werke, in denen die weite Welt, Länder, Städte und Menschen dargestellt werden, das kommt daher, daß er ein leidenschaftlicher Wanderer ist und in seinen Ferien Märsche von sagenhaftem Umfange unternimmt. Eigentlich ist er ein Soldat, einer von denen, die sich immer wieder aus die Probe stellen, und dem Wachtmeister Werner in Lessings Minna
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