Nummer 233, 6. Oktober 1936 Börsenblatt siir den Deutschen Buchhandel 4805 Zwei neue Bändchen Band ii Richard Eurmger Öhme Örgelkösters Kindheit ILeuri Xopitel einer LrrskilullA. 8". 64 Leiten. 8c>iön ^eyniulen 1.60 Mit einem wurzelechten Realismus ist die Kindheitsgeschichte des kleinen Organistensohnes aus West falen erzählt, sein mutterloses Heranwachsen unter den Augen des alternden Vaters, der mir heißem Herzen vom Schicksal einen Erfüller seiner eigenen musikalischen Träume ersteht, aber durcb seinen Über eifer das Kind verschüchtert ohne doch die musikalischen Keime in ihm zu töten. Der Leser ahnt am Ende, wie herrlich der Traum des Alten in Erfüllung gehen wird. Dies alles spielt sich in dörflichen Kreisen unter handfesten Gestalten ab, ohne der feineren seelischen und symbolischen Beziehungen ver lustig zu gehen. Der Staatspreiscräger Euringer zeigt sich dabei als ein Mensebensebildercr voll lauteren, niederdeutschen Humors, sein Stil ist gesättigt aus dem Näkrbodcn des Stoffes und hat ein eigenartig- selbständiges Gepräge. Dies alles mackt seine kleine Musikcrchronik zu einem ebenso reizvollen wie wertvollen Stück deutschen Erzählguccs. Band 12 Ruth Schaumann Ansbacher Näme Lins dloveUe. 8". IV, 91 Leiten. Lckön Asbunäen 1.60 Hinter dem verhüllenden Titel einer Nänie, eines Sterbegesangs, birgt sich die psychologische Ausdeu tung eines Rätsels, das nicht nur die kleine Stadt Ansbach im Jahre 1833 in Atem hielt, sondern die ganze Welt erregte und bis auf den heurigen Tag nicht lvsgelassen hat, das Rätsel Kaspar Hauser. Ruth Schaumann gibt nicht eine neue Theorie, sie grefft nicht ein in den Streit der Parteien, sie meidet sogar den üblichen Namen des Helden. Es ist ihr nur um ein Wcsensbild zu tun, das Bild eines aus tiefer Nacht zum Leben erweckten Menschen, der zwei Jahrzehnte einzuholcn hat, für den es nichts Selbstverständliches gibt, sondern der jede noch so alltägliche Erfahrung seiner Altersgenossen als eine ungeheuer schwer zu lösende Aufgabe empfindet. Eine Rahmenerzählung von dem intimen Reiz einer Stormschen Novelle begleitet die Bekenntnisse des Einsamen von Ansbach, die sich vor dem Leser ausbreicen. Kein Schleier ist von dem zu ewiger Unlös barkeit verdammten Rätsel fortgezogcn, mit all seinen Geheimnissen steht es da - von scclenkundigcn Augen erschaut und vertieft, und mit dichterischer Hand noch einmal nachgcschaffcn wie das Leben einer seltsam einmaligen Blüte, deren Welken keiner Erklärung, sondern cmer Fügung untersteht. S G. Grote-Verlag. Berlin C) Börsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel. 106. Jahrgang.