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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.02.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-02-11
- Erscheinungsdatum
- 11.02.1907
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- Deutsch
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»Deutsche Gelehrtenrepublik«-, die 1774 erschien, eröffnet« mit glänzendem Erfolg, mit 3600 Subskribenten, die Reihe, und schnell folgten andre Autoren nach: Bürger mit seinen Ge dichten, Lessing mit dem »Nathan«, dessen erste Auflage von 2000 Subskribenten abgenommen wurde und in demselben Jahre eine zweite und dritte rechtmäßige Ausgabe erlebte, trotzdem in derselben Zeit mindestens vier Nachdrucke auf dem Plan erschienen. Aber, mochte der Selbstverlag auch zuweilen gute Früchte tragen, um so schlimmer sah es aus, wenn durch einen Fehlschlag die meist unbemittelten Dichter neben dem entgangenen Honorar auch noch Schulden und Sorgen ein heimsten. Das mußten ja sogar, neben so manchen Kleinern, Goethe und Schiller mit ihren Erstlingswerken, dem »Götz« und den »Räubern«, zu ihrem Schaden erfahren. Die Pro phezeiung des alten erfahrenen Buchhändlers Nicolai (an Merck, 6. August 1773), daß die Autoren sich halb zu Tode ärgern und ihr Geld zusetzen würden, bestätigte sich in den meisten Fällen. In jener Zeit, als die deutsche Dichtung mit schnellen Schritten dem Gipfel klassischer Vollendung zueilte, als lite rarisches Interesse und hohe Bildung das ganze Bürgertum durchdrang, — da erstanden auch die Verleger, die des Moments würdig waren und mit großem Sinn und weitem Blick erkannten, daß ihr Vorteil und die würdige Entlohnung der geistigen Arbeit Hand in Hand gingen. So erblicken wir denn in der großen Epoche unsrer Poesie Buchgewerbe und Literatur in einem höchst erfreu lichen Verhältnis gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Förderung. Wie Herder mit Hartknoch in Riga auch menschlich eng verbunden war, so hat Göschen mit Wieland, Schiller und Goethe, Cotta mit den beiden Größten und einer Anzahl andrer Autoren andauernd in Beziehungen gestanden, die weit mehr den Stempel der Freundschaft und des gegenseitigen liebevollen Verständnisses für die Eigenart literarischer und geschäftlicher Tätigkeit trugen, als daß ein ängstliches und kleinliches Berechnen der Vorteile auf beiden Seiten den Ton angegeben hätte. Was höfische Protektion, erniedrigende Gönnerschaft der Vornehmen und Reichen anderwärts der Poesie, niemals ohne Schaden an ihrem freien Geiste, gewährt hatte, das ward ihr in Deutsch land durch eigne Kraft und das Zusammenwirken mit den verständnisvollen Trägern ihres Ruhmes zuteil. Mit Recht sang Schiller von der deutschen Muse: Von dem größten deutschen Sohne, Von des großen Friedrichs Throne Ging sie schutzlos, ungeehrt. Rühmend darf's der Deutsche sagen, Höher darf das Herz ihm schlagen: Selbst erschuf er sich den Werth. Weit mehr als das edle Wohlwollen Karl Augusts von Weimar hat tatsächlich die Förderung durch die Verleger ihrer Zeit für unsre Dichter bedeutet. Und fehlte es auch nicht an kleinen und größeren Reibungen, wie sie im längeren geschäftlichen Verkehr kaum ausbleiben können,*) so war doch im allgemeinen der Geist gegenseitiger Hoch achtung durchweg vorherrschend. Erleichtert wurde diese neue und erfreuliche Wendung in den Beziehungen des Buchgewerbes zur Literatur durch die Anerkennung der Urheberrechte, die sich allmählich in der Gesetzgebung, in Preußen seit 1794, Bahn brach und die Verleger in den Stand setzte, die Früchte ihrer Arbeit mit höherer Sicherheit zu berechnen und ungestört einzuheimsen. Zugleich war dadurch die Möglichkeit geboten, auch das Außere dem innern Wert der Werke anzunähern. Luxus *) Vgl. Witkowski, Goethe und seine Verleger. (Börsen blatt für den deutschen Buchhandel 1906, Nr. 60.) ausgaben auf schönem Papier, zierlicher Buchschmuck, Illustrationen der ersten lebenden Künstler, an ihrer Spitze Chodowiecki und Meil, verliehen den Dichtungen eine würdige und anmutige Erscheinung, und das Publikum war bereit, diese Reize auch mit entsprechenden Preisen zu be zahlen. Wir erstaunen, wenn wir hören, daß z. B. Schillers Werke in einer gewöhnlichen Cottaschen Taschenausgabe 13 Taler 8 Groschen, auf Velinpapier aber sogar 30 Taler kosteten, daß der Ladenpreis für die Gedichte von Johann Heinrich Voß (in Königsberg bei Nicolovius 1802) 21 Taler, für Wielands Werke (bei Göschen 1791 bis 1802) auf Velin-Papier 250 Taler betrug, — wobei selbstverständlich noch der weit höhere Wert des Geldes vor hundert Jahren zu berücksichtigen ist. Während die großen Werke der Klassiker, Schönheit und edle durch das innere Gesetz beherrschte Freiheit vermählend, ans Licht traten, war gleichzeitig eine neue literarische Partei entstanden, die allen Launen des Genies und der Phantasie nachgab und es aussprach, daß die Willkür das einzige Gesetz des Künstlers sei. Die Romantiker verhöhnten das Philistertum und seinen literarischen Geschmack, sie tauchten hinab in die geheimnisvollen Untergründe der Seele und verkündeten ihre Gesichte in dunklen Worten. Der Kreis ihrer Leser konnte deshalb nicht groß sein. Zum erstenmal stand das Buchgewerbe hier vor einer seiner wichtigsten und edelsten Aufgaben: die Werke neuer literarischer Richtungen aufzunehmen und der Öffentlichkeit dazubieten, trotzdem zu nächst kein Gewinn daraus zu erwarten steht. Es handelt sich dabei um eine für das ganze geistige Leben überaus wichtige Funktion des Buchgewerbes. Der junge, unbekannte Autor und die neue, eben im Werden befindliche literarische Partei sind in ihrer Entwicklung durchaus auf die Hilfe des Buchgewerbes angewiesen. Dessen Vertreter müssen mit selbständigem, von dem herrschenden Geschmack unbeirrtem Urteil das Talent vom anmaßenden Dilettantismus, das zukunftsreiche Wollen vom sensationslüsternen Haschen nach Originalität zu unterscheiden wissen. Dann gilt es, mit weitem Blick ohne Rücksicht auf augenblickliche Opfer der Jugend zu Hilfe zu kommen und mit klugem und mutigem Eintreten für das als wertvoll erkannte Neue die Vertreter der jungen Kunst dem Publikum näherzubringen. Wir dürfen zur Ehre unsres Buchhandels feststellen, daß er die große Mission, dem Vorurteil Trotz zu bieten und dem Genie den Weg zum freien Wirken zu öffnen, im allgemeinen vortrefflich erfüllt hat. So kühne, dem mora lischen und künstlerischen Empfinden trotzende Werke wie die Grabbes, Büchners, des jungen Hebbel und der Natura listen der achtziger Jahre haben noch immer ihre Verleger gefunden, die mit reiner Begeisterung und warmer Freund schaft für die von allen Seiten angefeindeten Dichter eintraten. Am wirksamsten hat das Buchgewerbe aber der Lite ratur in den Zeiten gedient, als die Reaktion jedes freie Wort unterdrückte und dem literarischen Schaffen tausend Hindernisse in den Weg legte. Als unter Metternichs Regime die Zensur und die Polizei mit Verboten und Konfiskationen namentlich in Österreich rücksichtslos jede Kritik der be stehenden Zustände und jedes Streben nach der Freiheit und Einheit Deutschlands zu ertöten suchte, da war es der Buch handel, der kühn auf tausend Schleichwegen die geistige Nahrung über die Grenzen schmuggelte, und den Machthabern zum Trotz die Begeisterung zu immer helleren Flammen an fachte. Es wäre ein eigenes Kapitel, wert ausführlicher Be handlung, zu zeigen, wie in den dreißiger und vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts das Buchgewerbe die Poesie und durch sie den politischen Fortschritt förderte und
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