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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.02.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-02-11
- Erscheinungsdatum
- 11.02.1907
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- Deutsch
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ihr, allen Gefahren standhaltend, eine unermeßliche segens volle Wirkung verschaffte. Etwa gleichzeitig setzten die Bestrebungen ein, die edelsten Geistesschätze auch der großen Masse der Unbemittelten darzubieten. Meyers Groschenbibliothek ist hier an erster Stelle ehrenvoll zu nennen, und wenn wir heute auf diese dürftigen Heftchen mit einem mitleidigen Lächeln blicken, so dürfen wir doch nicht vergessen, welchen Segen sie in einer Zeit gestiftet haben, wo die äußerlich vornehmeren und voll ständigen Ausgaben nur für wenige erschwinglich waren. Wir gelangen damit zu einer der weniger vorteilhaften Beziehungen zwischen Buchgewerbe und Literatur. Es ist allgemein bekannt, daß bis zum Jahre 1867 die Firma Cotta ihr Klassikermonopol in wenig gemeindienlicher Weise ausgebeutet, und dadurch unsrer gesamten Volks bildung Schaden zugefügt hat. Es ist auch meines Erachtens nicht zu leugnen, daß bis auf den heutigen Tag die Preise der Werke lebender Dichter einer allgemeinen Ver breitung vielfach hinderlich sind und daß in dieser Beziehung das Buchgewerbe der Literatur nicht die Förderung gewährt, die es ihr leisten könnte. Wenn wir in Deutschland so wenige größere Privatbibliotheken, abgesehen von den zu wissenschaftlichen Zwecken angelegten Sammlungen der Ge lehrten, finden, wenn noch so viele, gewiß häufig mit Wider willen, ihre literarischen Neigungen mit Hilfe der unappetitlichen Bände der Leihbibliotheken befriedigen, so tragen daran die hohen Preise sicher die Hauptschuld. Oft genug ist auf Frankreich, England und Amerika hingewiesen worden, wo die Freude am Besitz guter Bücher viel weiter verbreitet ist als bei uns, und wo es nicht als »k-nr« gilt, ein edles Kunstwerk in einem häßlichen, zerlesenen Exemplar zur Hand zu nehmen. Es ist ja, zumal für den Nichtfachmann, außerordentlich schwierig, zu beurteilen, ob und wie eine Besserung zu schaffen sei. Die hohen Ansprüche der Autoren, die immer fort steigenden Herstellungskosten, verbunden mit dem Streben nach einer würdigen, künstlerischen Ausstattung und vor allem die Belastung durch den unverhältnismäßig hohen Gewinn des Zwischenhandels lassen die Aufgabe der Ver billigung der schönen Literatur als eine sehr komplizierte er scheinen; aber ihre Lösung ist ein Ziel, aufs innigste zu wünschen. Noch ein andrer Wunsch regt sich in jedem, der das Verhältnis von Buchgewerbe und Literatur ins Auge faßt. Es gibt eine Anzahl von Verlagsfirmen, die auf Kosten der Autoren deren Geisteskinder in die Welt setzen und ver treiben. Läßt sich auch gegen dieses Verfahren juristisch nichts einwenden, so erscheint es doch vom idealen Stand punkt aus höchst bedenklich und für die literarischen Zu stände gefährlich. Denn es wird damit dem Dilettantismus Tor und Tür geöffnet, der Markt für die wertvolleren Er zeugnisse beschränkt und das Urteil des Publikums verwirrt. Gerade weil in Deutschland allgemein dem Buchhandel das höchste Vertrauen entgegengebracht wird, weil er als ein Stand gilt, der mit vollem Bewußtsein für seine Erzeugnisse eintritt, muß der Wunsch gehegt werden, daß dieser Pseudo verlag eingeschränkt oder wenigstens äußerlich kenntlich gemacht werde. Eine Schädigung noch schwererer Art sehe ich in den vor nehmlich in jüngster Zeit aufgetauchten Versuchen, mit einer früher unbekannten maßlosen Reklame wertlose Produkte dem Publikum als bedeutend und epochemachend anzupreisen. Der materielle Erfolg, der mit solchen Mitteln erzielt worden ist, wird doch mehr als ausgewogen durch das Miß trauen, das bei den Urteilsfähigen ausgesät wird, und durch die Irreleitung des literarischen Geschmacks der großen, literarisch unselbständigen Masse. Vor allem wird aber dadurch das Buchgewerbe der edelsten Aufgabe entfremdet, die es für die lebende Literatur zu erfüllen hat. Der Verleger ist der wichtigste Kritiker, der über Sein oder Nichtsein neuer Geistesschöpfungen in den meisten Fällen zu entscheiden hat. Er prüft die Manuskripte, er wagt an sie Kapital und Arbeit, ehe der Erfolg bei der literarischen Kritik und dem Publikum erprobt werden kann, der ja erst durch das Erscheinen des Werkes bedingt wird. Keiner ist so wie der Verleger berufen, die Spreu vom Weizen zu sondern, auch in unvollkommenen Leistungen die Keime des Großen zu erkennen, den Unzeit gemäßen den schweren Aufstieg zar Höhe des Ruhmes, einer oft erst späten allgemeinen Anerkennung zu bahnen. Wie viel edler Optimismus und kühner Wagemut, welche reiche und reife Bildung erfordert diese Tätigkeit, in der sich die höchsten idealen Interessen, der Fortschritt der Kunst und die Förderung ihrer Träger mit der Umsicht und Urteils kraft des erfahrenen Geschäftsmannes paaren müssen! Wie viele fehlgeschlagene Hoffnungen und vergebliche Bemühungen hat das Buchgewerbe auf diesem schwierigsten Gebiete seines Schaffens zu verzeichnen — aber freilich auch den schönsten Lohn, wenn das Edle und Große, zunächst verhöhnt, ange- feindet und vielleicht von einer kleinen Zahl erkannt, endlich seine Bedeutung enthüllt hat. Ein besonders eigenartiges Feld für die Tätigkeit des Buchgewerbes bildet die dramatische Dichtung. Sie wissen es alle, daß hier der Erfolg am allerschwersten voraus zu berechnen ist, weil er von Imponderabilien abhängt, deren Schätzung unmöglich erscheint. »Beim Theater kommt's immer anders!« lautet ein wahres, immer wieder bestätigtes Scherzwort. Der Buchhandel verhält sich deshalb dem größten Teil der dramatischen Produktion gegenüber abwartend, und er hat dazu umsomehr ein Recht, als nirgends das Wertlose, die Eintagsfliegen, die niedrige Berechnung auf die gemeinen Instinkte des Publikums so überwiegen wie hier. Es liegt in der Eigenart der theatralischen Wirkungen begründet, daß die Zuschauer von ihnen nur augenblickliche Erhebung und Erheiterung erwarten. Den meisten gilt das Lesen drama tischer Werke als eine überflüssige Beschäftigung. So hat sich denn der Zustand herausgebildet, daß der größte Teil der dramatischen Produktion gleichsam außerhalb der sonstigen literarischen Welt ein Sonderdasein in Privatdrucken führt, die nur zum Gebrauch der Theater hergestellt werden. Dadurch ist aber hier die Scheidung des Bessern von der großen Masse leichter und die Tätigkeit des Verlegers klarer vorgezeichnet als anderwärts. Ihm fallen nur die literarischen Erzeugnisse zu, die auch auf den stillen Leser zu wirken vermögen und deren Bedeutung über den meist kurzen Zeitraum der Bühnenerfolge hinausreicht. Außerdem hat das Buchgewerbe gerade für das Drama die schöne Pflicht zu erfüllen, dasjenige dem Untergang zu entreißen, wofür die Bühne noch nicht reif ist, oder was ihr aus technischen Gründen nicht gewonnen werden kann. Man soll von den sogenannten »Buchdramen« nicht mit der Verachtung reden, die ihnen gewöhnlich zuteil wird. Gewiß sind darunter eine beträchtliche Zahl von ungeschickten, dilettantischen Machwerken, aber anderseits besitzen wir doch nicht wenige Dramen, die in der Zeit ihrer Entstehung als Buchdramen galten und erst später in ihrer dichterischen und theatralischen Bedeutung erkannt wurden. Siebzehn Jahre vergingen nach dem Erscheinen von Goethes »Torquato Tasso«, bis er auf die Bühne gelangte, Gerhart Hauptmanns »Biberpelz« wurde bei den ersten Aufführungen abgelehnt und erlangte erst nach einem Jahrzehnt das volle Daseins recht auf der Bühne. Von dem unsicher» Schicksal der Bühnenwerke spricht der Dichter im Vorspiel zum »Faust«, wenn er schmerzlich ausruft:
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