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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.05.1926
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- 1926-05-25
- Erscheinungsdatum
- 25.05.1926
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X- 118, 25, Mai 1926, Redaktioneller Teil, Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. „Nembrandt als Erzieher". Welchem Kollegen aus älterer Zeit ist jener Aufruhr nicht in Erinnerung, den das Erscheinen des Werkes »Nembrandt als Er zieher« anfangs 1890 hcrvorrief! In jener, im Gegensätze zur heutigen Schlager- und Reklamcperiode geruhsamen idyllischen Zeit platzte diese Erscheinung wie eine Bombe in das deutsche Sortiment, wie eine Kriegserklärung aus heiterem Himmel. Und das war sie auch letzten Endes. Krieg wurde angesagt einer kulturellen, künstlerischen und politischen Entwicklung in Deutschland, die folgerichtig dahin führen mußte, wo wir heute stehen: seherisch hatte sich das Nembrandtbuch zum Ziel gesetzt, durch seelische, nach innen gehende Reform der kom menden furchtbaren Katastrophe vorzubeugen, den Untergang des Abendlandes zum Aufstieg — durch veruatürlichtes Deutschtum — aus- zuwertcn. Das Vestürzende, das Aufregende und Bannende lag aber noch darin, daß diese den Kampf ansagende Großmacht eine unbe kannte Größe war, »ein Deutscher« schlechthin. Ein jedes Wort dieses »Deutschen« aber manifestierte den Geistesmann von lange nicht mehr erlebtem Ausmaß. Die Ankündigung, die der Verleger E. L. Hirschfeld, Leipzig, er ließ, war in der Tat, wie es wörtlich heißt, »ein Heroldsruf an die jetzige junge, aufstrebende deutsche Generation, welche die Zukunft dar stellt«. Und dieser Aufruf war es — wir Alteren erinnern uns dessen alle - , der wie ein Trompetenstoß des Jüngsten Gerichts durch alle intellektuellen Kreise Deutschlands stieß und dessen Echo vom Ausland und von Ubersee in entsprechenden Zeitabständen prompt zurückkam. Gewiß war es der eigenartige, übermächtige Stoff des Buches selbst, der ihm den Weg eröffnetc: aber dazu kam, uns Buchhändlern lehr reich, eine noch selten dagewescne, ganz planmäßige, außerordentlich intensive Propagandamitarbcit des Verfassers, ohne die des Ver legers Tätigkeit, wie sic damals gebräuchlich war, den faktisch erzielten ungeheuren Erfolg niemals erreicht hätte. Auch hierin zeigte sich der unbekannte Deutsche als überragender, weitsichtiger Feldherr. Inzwischen, nach erfolgtem Heimgang des berühmten Nembrandt- deutschen (1907) ist zunächst nur das Geheimnis seines Namens — nicht das der Persönlichkeit — gcliistct worden: es ist der Friese vr. Julius Langbehn. Das Geheimnis seiner Persönlichkeit konnte nur einer enthüllen. Der nämlich, der sein unzertrennlicher Gefährte gewesen war, den Toten nach dem Dörfchen Puch bei Fürstenfeldbruck gebracht hatte, den Wunsch des Nembrandtdcutschcu erfüllend, der dort unter der Edigna-Linde als Unbekannter begraben sein wollte. Und auch dieser Gefährte schwieg, seinem Meister gleich jede Berührung mit der Umwelt meidend. Doch in dieser Einsamkeit hat er das ganze Lebensbild Langbehns schriftlich uiedcrgelegt; dank freundlichem Ent gegenkommen des Verlags Herder-Freiburg sind wir schon heute in der Lage, aus den der Verlagsgeschichte des Buches »Nembrandt als Er zieher« gewidmeten, höchst interessanten Kapiteln das Wesentlichste mit- zutcilen. Es heißt da (Zweiter Teil, drittes Kapitel: Das Rembranöt- buch): »Beim Werdeprozeß dieser literarischen Schöpfung ist zweierlei zu beachten. Au der geistigen Grundlage seines Werkes hat Langbehn gearbeitet, seit er selbständig dachte, unablässig aber seit 1881, wo er sich entschloß, »dem deutschen Volke auf seine Weise zu dienen'. Die Zusammcnschließung jedoch zu einem einheitlichen Buch ist binnen Jahresfrist erfolgt. Das Werk, wie es hcrauskam, schrieb er in einem Zuge hin. Sein Verleger sagte, er habe noch nie so sauberes, so wenig korrigiertes Manuskript bekommen. Im Sommer 1889 lag es fertig vor. AuS früheren Zeitungsartikeln sind wohl einzelne Gedanken gänge hincinvcrwobeu, doch selbst aus der dem Buche weitaus am nächsten stehenden Abhandlung »Niederdeutsches« nur einige Sätze wörtlich übernommen. Als Cornelius Gurlitt nach dem Erscheinen des Nembrandtbuches schrieb, es sei ,aus einer Reihe von Feuilletons oder doch Versuchen zu diesen zusammeugeschweißt; und zwar in der Eile, notdürftig, wohl um dem zögernden Autor die Handschrift endlich zu entwinden', ließ Langbehn durch seinen Verleger erwidern, solche Meinung beruhe auf völligem Irrtum: ,Das genannte Werk wurde von dem Verfasser als ein geschlossenes Ganzes konzipiert und von ihm gewollter und bewußter Weise in der vorliegenden K u n st f o r m aus- gesührt. Er hat dasselbe aus seinem eigenen Entschluß und ohne eine Anregung von irgendwelcher fremden Seite her veröffentlicht. Der künstlerische wie menschliche Typus Nembrandts bildet den frühesten Kcimpunlt der gesamten Arbeit. Die Beziehungen zu ihm sind nichts weniger als nachträglich hinzugefügt: und die Geschlossenheit des erwähnten Werkes wurde von ebendemselben Herrn Rezensenten bei einer früheren Gelegenheit sogar nachdrücklichst hervorgchoben.... Jene Geschlossenheit ist keine äußere, sondern innere — wie diejenige der Bilder Nembrandts: das Buch ist rembrandtisch geschrieben, weil es von Nembrandt handelt; es individualisiert. Ein Buch über Bach z. B. würde in Schreibart und Disposition von dem Verfasser von Nembrandt als Erzieher ganz anders gehalten worden sein'. Manche Gcdankengänge seines Reformwerks sind von Langbehn jahrelang vor dem Erscheinen mit Freunden erörtert worden. Doch nur das Haus Woldemar von Seidlitz hat am Entstehen des Buches selbst teilnehmen dürfen. Die feinsinnige Hausherrin erzählte, wie fesselnd es gewesen sei, wenn Langbehn immer wieder mit einzelnen Teilen des bei größtem Fleiß schnell anwachsendcn Werkes kam und diese durchsprach. Um seinen Erziehungsgedanken auf alle Fälle einen festen Leser kreis zu sichern, wollte Langbehn sie zunächst in Form eines langen fortlaufenden Tagesfeuilletons drucken lassen. Er bot sie der»Kölni schen Zeitung', und ich meine auch den »Hamburger Nachrichten', an. Das Ergebnis berichtete er Anfang Oktober 1889 seinem Freund Heubuer: »Meine Arbeit über Nembrandt ist unter großen Lobes erhebungen von der betreffenden Zeitung abgclehnt worden; sie war zu ängstlich; denn cs kommen einige Hiebe auf Professoren darin vor. Ich mache jetzt allerlei Versuche, sie anderweitig zum Druck zu bringen, aber bisher ist keiner geglückt; die Wahrheit ist nicht beliebt'. Den Gedanken an ein Erscheinen in dem damals noch jungen »Kunstwort' ließ er aus Unabhängigkeitssinn fallen. Mit Seidlitz sprach er all diese Fragen eingehend durch. Er gebrauchte öfter die volle Kraft seiner Rede, um den Gönner für seine von Gelehrtcn- gewohnheit abweichende Art des Vorgehens zu gewinnen. Als ihm Seidlitz den von dritter Seite genannten Leipziger Verlag E. L. Hirschfeld empfahl, wandte sich Langbehn an diese Firma. Hirsch feld aber wollte nur drucken, falls ihm die Druckkosten garantiert würden. Das tat Seidlitz. Dieser erzählte, Langbehn wollte, bei einem Ladenpreis des Buches von einer Mark, gleich zwölftausend Exemplare gedruckt haben. Der Verleger riskierte nicht mehr als dreitausend. Darauf Langbehn: »Die reichen nur für drei Monate'. Das traf genau ein. Es machte Seidlitz einen tiefen Eindruck, daß er den Erfolg seines Buches so klar vorausgesehen hatte. Bei Beginn der Verhandlungen mit feinem Verleger sagte er auch ihm den großen Erfolg von »Nembrandt als Erzieher' voraus. Hirschfeld erwiderte lächelnd: »Das bildet sich jeder junge Autor ein'. Dazu meinte Langbehn später, es gäbe keine Bezeichnung, die weniger auf ihn gepaßt hätte als »junger Autor', obwohl er damals sowohl jung als auch Autor gewesen sei. Dem Generalsekretär des Deutschen Buch- händlerbörscnvereins in Leipzig, vr. Paul Schmidt, sagte er ebenfalls, daß von feinem Buch in drei Monaten dreitausend Exemplare verkauft sein würden. Obwohl er das ruhig und sachlich bemerkte, nannte jener ihn »unglaublich eingebildet'. Langbehn wettete dann mit dessen Frau um einen Apfel, daß er recht behalten würde. »Aber sie ist mil den Apfel heute noch schuldig', klagte er nach zehn Jahren. Es bedurfte der größten Entschiedenheit des Autors, den Preis ansatz des Buches mit zwei Mark durchzusetzeu. Hierüber berichtete Langbehn: »Ich setzte den unerhört billigen Preis nur an, weil ich mir sagte: Arme Leute müssen sich das Buch auch kaufen können. Hierbei blieb ich, obwohl alle Sachverständigen, mit denen ich mich beriet, mir aufs lebhafteste widersprachen. Der sehr erfahrene vr. Schmidt erklärte cs wörtlich für »eine Schande und einen Skandal', daß ein solches Buch so billig verkauft werden sollte. 'Es müßte min destens sieben Mark kosten. Ich lachte ihn aus und blieb bei meinem Entschluß. Daß er eigentlich einer christlichen Gesinnung entsprang, wußte ich damals noch nicht. Aber er entsprang meinem innersten Gefühl'. Wie Langbehns Auftreten auf die damaligen Inhaber des Ver lages Hirschfeld gewirkt hat, berichtet ein Besucher (Cornelius Gurlitt) aus einer gelegentlichen Unterredung mit ihnen. Sic sagten ihm: . . Der Mann hatte, weiß Gott, nicht viel zu beißen. Er sagte, er lasse das Buch nur dann bei uns erscheinen, wenn wir den Laden preis auf zwei Mark ansetztcn. Zwanzig Druckbogen für zwei Mark! Wir machten ihn gleich auf eins aufmerksam: Da können wir Ihnen kein Honorar zahlen. Und wissen Sie, was er da antwortete? Sie glauben es nicht! Der Mann ist ja verrückt. Er sagte ganz ruhig: Geld ist Dreck! Geld ist Dreck! . . . Haben Sie schon einmal so was gehört?' Langbehn erhielt, nach seinem am 24. Oktober 1889 mit Hirschseld abgeschlossenen ersten Verlagsvertrag, immerhin eine Quote von dem »sich etwa ergebenden Gewinn'. Aber statt auf Ertrag hinzuarbeiten, verpflichtete er die Verleger nur, ohne Rücksicht aus die Kosten, zur Ergreifung aller buchhändlcrischen Maßnahmen, um das Buch überall bekannt zu machen. Der Inhalt wirkte so stark, und er leitete den Vertrieb so gut, daß die Nachfrage schnell anstieg. Einen Monat nach Erscheinen, im Februar 1890, schloß die Firma bereits einen zweiten Vertrag mit ihm ab über weitere 9000, im Juni über weitere 20 000 und im Oktober des gleichen Jahres über noch 28 000 Exemplare des 661
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