Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1938
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- 1938-01-15
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und erlernte dort den KunWandel, der bei Amsler L Ruthardt eine starke internationale Bedeutung hatte, wie kaum in einer zweiten Kunsthandlung Deutschlands. Seinerzeit verkaufte man in Deutschland in weiten Kreisen die große Kunst der alten Meister aller Länder, vorwiegend aber auch alte Kupferstiche, unter denen die deutschen besonders vertreten waren. Herr Tryde war in Kopenhagen durch seine Gediegenheit in der Kunstanschauung sehr geschätzt und beliebt. Man kann gut behaupten: er vertrat das, was heute noch die Kunsthändler und Kunstverleger des Kupferstiches und der alten Meister in Deutschland pflegen. Was er ausspricht, könnte auch von jedem älteren Kunsthändler Deutsch lands gesagt sein.» Vilhelm Trydes Buchhandel in der Oestergade — der mit den Farbcnlichtdrncken nach Cezanne und van Gogh in den Schau fenstern — hört auf! Am 1. Januar feiert das Geschäft sein fünf- undsiebzigjähriges Bestehen, und am gleichen Tage wird der Schlüssel in der Tür herumgedreht und eine bekannte alte Kopen- hagcner Buchhandlung ist nicht mehr. In einer späten Nachmittagsstunde, während der Weihnachts handel im Buchladen seinen Gang ging, saß ich in Ove Trydes Kontor und unterhielt mich mit dem ausscheidenden Buchhändler. Was fühlt ein alter Buchhändler, wenn er zurücksieht? »Nicht Müdigkeit. Ich bin siebenunddreißig Jahre Mit inhaber der Finna gewesen, mein Vater gründete im Jahre 1863 in der Stadt Schleswig die Buchhandlung und nahm als Frei williger am Kriege teil. Im Jahre 1864 zog er nach der Oestcr- gadc in Kopenhagen, und 1897 begann ich hier im Geschäft als Buchhändler, das ich als alleiniger Leiter übernahm, als er sich im Jahre 1912 zurückzog. Im Grunde hat cs den Charakter nicht gewechselt, selbst wenn es seinerzeit vielleicht schon sehr vom Bil- derhandel betont war. Der Vater lernte bei H. I. Bing L Sohn, seinerzeit die feinste — soweit ich weiß auch die einzige Kunst handlung. In meiner Lehrzeit in Berlin (bei Amsler L Ruthardt) beschäftigte ich mich auch meist mit Kunstblättern, besonders Kupferstichen. Ich gehöre zu den Buchhändlern, die den Namen des Kupferstechers nennen können, sobald sic wissen, um welches Bild es sich handelt. Ist cs z. B. Raffaels Sixtinische Madonna, kommt es darauf an, ob man Stiche von Müller, Steinle oder Mandel vorzicht, ich kenne sie alle». Aber jetzt ist es nicht Raffael, sondern van Gogh ... »Da kommen wir zu einem schwachen Punkt, denn ich will nicht leugnen, daß ich die Klassiker vorziehe.... Aber man wird ja in Stücke gerissen, wenn man so etwas heutzutage sagt... Da her verkaufe ich die Modernen! Ich habe überhaupt meine Tätig keit von dem Gesichtspunkt aus betrachtet, daß Bücher und Kunst blätter für jeden Geschmack auf dem Tisch liegen müssen — aus genommen den schlechten. In einer Rede beim Buchhändlerjubi läum sagte ich, daß wir Buchhändler uns mit der Universität eins fühlen. Auch unsere Aufgabe ist es, der suchenden Allgemeinheit Aufklärung und Kenntnisse zu verschaffen ....» »Es ist eines Buchhändlers erste Pflicht, die Kunden beraten zu können. Er hat die Sterne vom Himmel herabzuholen. Schön ist das große Interesse unter der Jugend für moderne Kunst und Kunstrcproduktionen, denn dafür ist die Kunst ja da! Und es ist mein Ziel gewesen, immer das Beste vorzeigen zu können. Haben Sie bemerkt, wie fabelhaft tüchtig die Deutschen in den Farben lichtdrucken sind? Sehen Sie den van Gogh, kennen Sie das Original? Es ist nicht leicht, den Unterschied herauszufinden. Ich habe mit einem Sachverständigen zusammen die Reproduktionen untersucht. Das muß eine Art Lithographie sein, aber das Ver fahren kenne ich nicht; keiner kennt es — außer den Deutschen ...» Ihr größtes Erlebnis als Buchhändler? — Ove Tryde schließt die Augen und denkt lange nach ... Dann sagt er: »Dasselbe fragten mich meine Kollegen vor kurzem auf einer Versammlung, und ich antwortete, daß meine achkundzwanzig- jährige Teilnahme an der internationalen buchhändlerischen Or ganisationsarbeit das Abenteuer meines Leben ist. Wissen Sie, daß die Buchhändler, als die Organisationen im Kriege gesprengt wurden, die .Oslo-Staaten' bildeten, lange bevor die Außen ministerien mit dem Gedanken umgingen? Als das Ganze im Begriff wgr auseinanderzufallen, sammelten wir Buchhändler in Norwegen, Schweden, Dänemark, Holland, Schweiz und Spa nien uns zu einer Union, die die Zusammenarbeit aufrechtcr- hielt. Erst im Oktober 1929 bekamen wir nach vieler Mühe die früheren kriegführenden Mächte wieder mit uns. Das geschah durch das Büro des Internationalen Verbandes zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst in Bern. Ich hatte die Ehre, für die beiden nächsten Jahre zu dessen Präsidenten gewählt zu werden und erlebte die Freude, die Nationen wieder versammelt zu sehen... Das war ein großer Augenblick. Vielleicht der schönste in meinem Leben.» Der deutsche „Sprecher" bittet ums Wort! In einem — übrigens vor genau sechzig Jahren — geschriebenen Aufsatz über »Publikum und Popularität« setzte sich Richard Wagner auch mit dem Begriff der »Sprachvirtuosität« ausein ander. Hier stoßen mir auf einen Satz: » ... So hatte jeder unserer großen Dichter und Weisen sich seine Sprache erst zu bilden; eine Nötigung, welcher selbst die erfinderischen Griechen nicht unterworfen lebenvoll gesprochenes und deshalb jeder Anschauung und Empfindung willig gehorchendes, nicht aber durch schlechte Schrift stellerei verdorbenes Element zu Gebote stand«. Wagner hätte formu lieren können: nicht nur durch schlechte Schriftstellerei, sondern, fast mehr noch, durch eine geradezu barbarische Mißhandlung des ge sprochenen Wortes und der Sprache verdorbenes Element zu Ge bote stand. Aber — was vor sechzig Jahren hätte geschrieben werden können — müßte es heute nicht nur nicht geschrieben, sondern tausendfältig mündlich wiederholt werden? freut, ist ein Kapitel der deutschen Volkskunde, über das man Spalten um Spalten füllen könnte, ohne doch alle Gründe und alle Ursachen aufgedeckt zu haben, die dazu führten, daß für die meisten Volks genossen »das Wort- und die Sprache die Heiligkeit verlieren konnten, die sie einst besaßen . . . Wer von Berufs wegen sich mit diesen Fragen beschäftigen muß — er könnte Bände über Erfahrungen und Beobachtungen füllen, die die niederschmetternden Ergebnisse festhielten, die eine Ant wort auf die Frage nach der alltäglichen »vollendeten« Ausdrucks form des Wortes von heute (von der künstlerischen ganz zu schweigen!) darstellen. Man gehe dabei einmal von den Ergebnissen aus, die die systematische Pflege der Musik gefunden hat und ver gleiche damit die Erfolge der Bemühungen der Sprcchlehrer und der Sprecher, die in den Jahren nach dem Kriege fast allein ans sich gestellt waren, um »ihre Fahne« hochzuhalten! Um so erfreulicher ist es, daß sich jetzt, wenn auch zunächst nur allmählich, ein Wandel vollzieht, zu vollziehen vermag, weil sich der organisatorische Zusammenschluß aller sich um die Pflege des Wortes und der Sprechkunst bemühenden Faktoren nunmehr im Verfolg der Aufbauarbeit der Kulturkammer vollzogen hat. Im Jahre 1936 wurden die bisher als »Rezitatoren« oder »Bor tragskünstler« tätigen Angehörigen der freien Berufe in der Fach gruppe 3 o der Fachschaft Bühne der Neichstheaterkammer zusammen- gefaßt. Sie erhielten damit die sie kennzeichnende Fachbezeichnung bleibt (zum Unterschied z. B. von den am Rundfunk tätigen Sprechern, die nun als Ansager, Redner, Berichterstatter oder Hörspieler charak terisiert wurden). Mitte des Jahres 1937 wurde dann ein Arbeitsausschuß gebildet, dessen Aufgabe darin gesehen wurde, im Verein mit der Fachgruppen leitung (für die Pg. Peters-Berlin verantwortlich zeichnet) alle künstlerischen und berufsständischen Fragen der Sprecher zu bear beiten. Damit war die Voraussetzung für einen planmäßigen Auf bau geschaffen, und als sichtbares Zeichen eines ersten Erfolges legt der Arbeitsausschuß — er besteht aus den als Vorkämpfer seit langem rühmlichst bekannten vr. Leonhard Blaß-Berlin, Oscar F a m b a ch - Düsseldorf und Franz Konrad H o e f e r t - Berlin — nunmehr sein erstes »I a h r b u ch ö e r D e u t s ch e n S p r e ch e r« vor, das, durch freiwillige Opfer der Mitglieder der Fachgruppe ent standen und gesichert, bei der Deutschen Verlagsgesellschaft m. b. H., Berlin, 1938, erschienen ist. 45
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