Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.02.1873
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- 1873-02-14
- Erscheinungsdatum
- 14.02.1873
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37, 14. Februar. Nichtamtlicher Theil. 587 Nichtamtlicher Theil Zur Aufklärung über dir gegenwärtigen Zerwürfnisse in der Bnchdruckerwelt. Hier folgt nun der neulich augcküudigte Aufsatz, welcher von dem geschästsführenden Ausschuß des Deutschen Buchdruckervereins zur Orientirung des Publicums über die heutigen Differenzen zwi schen den Buchdrucker-Prinzipalen und deren Gehilfen veranlaßt wnrde: „Der Krieg ist erklärt, es lebe die Arbeit!" so lautet der Schluß einer von Hochinuth, Hohn und Unwahrheit strotzenden Proklamation, welche das Comitb desjenigen Theils der Buchdrucker- Gehilfenschaft in Leipzig, der zur Fahne des „Verbandes" steht, an seine sämmtlichcn Kollegen in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz verbreitet, mit der Absicht sic zur Unterstützung des Strikes zu stacheln, welcher in Leipzig in Scene gesetzt wurde, uni die uner trägliche Vergewaltigung seitens der Prinzipale, die allgemeine „Schafschur-Theorie", wie die Proclamation sagt, zu bekämpfen. Schon längst haben die Zerwürfnisse zwischen den Berbands- gehilfen und den Prinzips» eine innere Angelegenheit der streitenden Thcilc zu sein. Seit geraumer Zeit war e- lieh, ein Zcitungsblatt zur Hand zu nehmen, ohne ans Einzelheiten hierüber zu stoßen, die jedoch nicht geeignet waren, eine eigentliche Aufklärung dem unbctheiligten Publicum zu geben. Deshalb dürfte es jetzt, wo nach der oben citirten offenen Kriegserklärung diese Zer würfnisse den Charakter einer wirklichen Calamität für das Preß- gewerbe und das Publicum anzunehmen drohen, wohl nicht unan gemessen sein, das eigentliche Wesen des Streites etwas näher zu betrachten. Die größere Hälfte der Buchdrucker-Gehilfen Deutschlands (die Gesammtzahl derselben dürfte etwa 12,000 betragen) gehört dem sogenannten „Deutschen Buchdruckerverband" an. Derselbe erstreckt sich nicht allein über ganz Deutschland, sondern erklärt sich solidarisch mit den gleichen Verbänden in Oesterreich und der Schweiz, und steht in naher Verbindung mit ähnlichen Gehilfen- vereincn des Auslandes. Die Leitung liegt in den Händen eines in Leipzig domicilirten Präsidiums und eines Ausschusses von 9 Mitgliedern. Gau- und Localvcrbände vervollständigen in zweckentsprechender Weise die Organisation. Die oberste Instanz bildet der alle drei Jahre statt- findendc allgemeine Buchdruckertag. Die Verbandseinnahmen be stehen in regelniäßigen Wochensteuern und in Extrasteuern, wenn ein Strike vorbereitet oder zur Ausführung gebracht werden soll. Denn der Strike und dessen Schwester, die „Blokade" der ihm miß liebigen Officinen, sind die beliebten Hausmittel des Verbandes und die Quintessenz der Politik seiner Machthaber. VougroßerWichtigkeit istesdeshalb für denVerband, alle jungen Gehilfen für sich zu gewinnen, die den Strike nur als eine unter haltende Abwechselung in dem geschäftlichen Einerlei betrachten. Vorgcarbeitct wird schon durch die Zulassung der Lehrlinge zu den Verbandsversammlungen, von sonstigen Bearbeitungen nicht zu reden, und erleichtert wird das ohneliin nicht schwierige Werk be sonders dadurch, daß der Verband es verstanden hat, sich fast über all der Viaticumscassen zu bemächtigen, wodurch einem dem Verbände nicht angehörenden Gehilfen das Wandern beinahe unmöglich gemacht worden ist. Die älteren, namentlich verheiratheten Gehilfen, welche begreif licher Weise dem muthwilligen Strike abhold sind, werden durch die Kranken-, Invaliden-, Wittwcn- und Waisencassen, welche der Ver band ebenfalls größtenthcils ganz in seine Gewalt gebracht oder neu gegründet hat, in Abhängigkeit erhalten. Das Statut des Ver bandes gestattet nämlich als Verwaltungsmaßregcl den Gauvcrbänden, den Ausschluß aus dem Verband wegen gröblichen Vergehens gegen dessen Grundsätze— wozu zum Beispiel: Nichtbetheiligung bei einem angeordneten Strike, Abschluß eines Contracts auf eine längere Zeit als acht oder 14Tage gerechnet werden und alles und jedes gerechnet werden kann — zu decretiren. Der Ausschluß aus dem Verband führt an manchen Orten (z. B. Stuttgart) zu dem Ausschluß aus den Lassen, und selbst, wo dies durchzuführen kaum möglich ist (z.B. in Leipzig), wer den die Gehilfeudurch die Unklarheit und Dehnbarkeitder statutarischen Bestimmungen so an denVerband gefesselt, daß viele Gehilfen, die mit ihren Prinzipalen im vollen Frieden leben und in ihren Stellungen wohl zufrieden sind, schon aus Angst, sich oder die Ihrigen um den Nothschilling gebracht zu sehen, veranlaßt werden, mitzustriken.*) Von den Beeinflussungen, die angcwendet werden, um den Arbeiter bei seiner „Ehre" anzufassen' und die aus den Streitigkeiten in andern Gewerben schon genügend bekannt sind, wollen wir hier nicht reden. Die begriffverwirrendc Wirkung solcher Theorien findet jetzt ihren Ausdruck darin, daß viele, sonst brave Mitarbeiter ihre Contracte brechen, weil sie ihr Ehremvott getzeben^ghs^ ^alk'zweimal wöchentlichst Leipzig crschmnendc „Correspondcnt", welcher als eine wahre Quelle des Unheils für die Gehilfen bezeichnet werden muß. In diesem Blatt, unter dessen Leitern sich nicht zu unterschätzende Capacitäten befinden, werden die haarsträubendsten Geschichten von der Schlechtigkeit der Prinzipale erzählt und der „Auswurf der Collcgenschaft", d. h. die dem Verband nicht angehörendcn Gehilfen, mit Schmähungen überhäuft. Mit großem Fleiße sammelt das Blatt jede Nachricht aus aller Herren Länder, die geeignet ist, den Haß des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zu nähren; daß es während des französischen Krieges mit den unschuldig Unterdrückten und während der Herrschaft der Commune mit dieser sympathisirtc, ist selbstverständlich. Secundirt wird der „Correspondcnt" von seinem Gesinnungsgenossen, dem „Vorwärts" in Wien und der „Helvetischen Typographia" in Bern; doch erfordert die Gerechtigkeit zu erwähnen, daß das letztere Organ sich nur selten hinreißcn läßt, die Grenze zu überschreiten, welche die Bildung den Leidenschaften ziehen sollte, während dies in dem „Vorwärts" sehr oft vorkommt, und in dem „Correspondcnt" der j Ton gebildeter Männer zu den seltenen Ausnahmen gehört. Die Lage des Arbeiters wird in diesen Blättern als eine ganz unerträgliche geschildert: das Unrecht habe alle Schaam verloren und was man durch Vernunft und Rechtsgründe nicht vollbringen könne, suche man durch das verwerflichste aller Mittel, den Hunger, zu er zwingen. Die hochweisen Prinzipale — ein notwendiges Uebel, denen das Dasein zu gönnen, weil die Zeit sich ihrer zu entledigen noch nicht gekommen ist —, aus deren Officinen die Werke der neuen Social-Wissenschaft hervorgehen, die trotzdem Ignoranten mit der Bildung eines Barbiers sind, wollen nicht verstehen, daß die endliche Lösung der socialen Frage nur in der vollständig von Grund aus umgestalteten socialistisch-organisirten Gesellschaft zu erreichen sei ; sie kochen ihren eigenen Hexeubrei zusammen u. s. w. u. s. w. In solchen Ausdrücken, wie sic sich zufällig unserer Feder aus dem Ge- dächtuiß darbieten, von denen aber auf Verlangen Bogen voll gelie fert werden könnten, bewegt sich das Organ des Verbandes. Alles, was die Prinzipale thun, ist ihm nicht recht. Bauen sie Helle, lustige und bequeme Arbeitslocale, so werden diese als Paläste, mit dem Schweiße der Arbeiter bezahlt, bezeichnet; Andere, die dies *) Eine klare Einsicht in diese Verhältnisse zu bekommen, ist sehr schwer. Eine Untersuchung darüber, ob die Statuten solcher Lassen nicht gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen, wäre allerorts zu empfehlen.
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