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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.05.1870
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- 1870-05-09
- Erscheinungsdatum
- 09.05.1870
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- Deutsch
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1548 Nichtamtlicher Theil. 104, 9. Mai. lichung, wie er es nannte, von sich ferngehalten. Bis in sein 83. Jahr hat er in dem von ihm geliebten Swinemünde regelmäßig Seebäder genommen ; niemals, außer auf Postreisen, einen Pelz, niemals ein wärmendes Halstuch getragen. Schon 81 Jahre alt, ist er auf der Reise zu seinem liebsten Freunde Speyer in Arolsen leicht wie ein Jüngling auf das Verdeck der Postkutsche zum Postillon gestiegen. In den frühesten Lenztagen war er unbedeckten Hauptes im Garten seines Hauses, denn auf die erste Blume, den ersten Sproß am Weißdorn wartete er alljährlich schon wochenlang zuvor. Jedes leise Zeichen des Frühlings begrüßte er mit Seelcnfreude; cs war, als brächte der Frühling neue Kraft und neue Hoffnung ihm in die Adern. — In jener schweren Zeit war seine einzige Erholung, an den Abenden vor Feiertagen mit andern Burschen zu Fuß, die Nacht hin durch, nach Halle zu wandern, dort bei den Eltern sich für einen Tag gütlich zu thun. „Dies kümmerliche Leben, welches trotz allen Fleißes nicht zu verbessern war, die Rohheit der Gesellen" sdie auch von ihm eine Menge Dienstleistungen verlangten, gegen welche der Prinzipal sich außer Stand erklärte ihm jedesmal beizustchcnj, „verleideten mir diesen Stand." Sein Bruder Johann Georg hatte am 27. Januar 1804 die Sup- prian'sche Buchhandlung in Leipzig für 2150 Thlr. gekauft uud somit die noch blühende Firma I. G. Mittler gegründet — zu ihm trat Ernst Siegfried am 12. März 1804 über. — Anstrengungen gab cs auch hier. Das Lager der Buchhandlung war vom Comptoir getrennt und bestand, wie es allgemein gebräuchlich war, aus nur rohen Eremplaren. Um die Auslieferung zu besorgen, mußte der junge Mann auch im Wiuter — und ohne Mantel, der der Jugend damals ganz unbekannt war — mit großem Schlüsselbunde über die Straße (am Neumarkt) in das Gewölbe gehen und dort in eisiger Kälte aus den geschnürten Ballen die verlangten Verlagsartikel zu- sammcnholen. Selbst Erholungen in der Natur waren in jener Zeit gewisser maßen beschwerlich. Im Herbst 1809 durchreiste er die sächsische Schweiz — nirgends ein gebahnter Weg; auf keinem Aussichtspunkte ein Unterkommen, nicht einmal eine Erquickung. Nur auf dem Kuhstall hielt sich während der Sommermonate ein kleiner alter Bergmann auf, welcher in einem aufgehängten kleinen Schrank Branntwein und trocken Brod für die Reisenden hielt. Auf einem Obstkahn gelangte der junge Mann von Herniskretschen nach Schandau zurück. Aber die lebhaftesten Eindrucks hinterließen ihm doch die großen politischen Ereignisse jener Jahre. Mein Großvater hatte die preu ßischen Truppen 1806 zum Kampf gegen Napoleon durch Halle gehen sehen; der Zuruf der ganzen Bevölkerung hatte ihre Siegeshoff nung bestärkt. Auf dem Thurme der Frauenkirche standen er und Andere, als sich das Gerücht von einem Kampfe verbreitet hatte, und schauten nach Süden, wo die Reserven unter Eugen von Württemberg lagerten. Die Höhen am Horizont bedeckten sich mit Colonncn, man glaubte freudig Preußen zu sehen. Plötzlich ent spann sich der Kampf; Bernadette war erschienen, ein verderb liches Gefecht drängte die Preußen die steilen Ufer der Saale bei Krellwitz hinab, die Stadt war bald in Feindcshand. Ihre Vereini gung mit dem Königreich Westphalen vollendete den Kummer der Patrioten. — Wie man dann die deutschen Erhebungen von 1609 hoffnungsvoll verfolgte, so sammelte sich alle Begeisterung um den tapfcrn Herzog von Braunschweig, der mit dem oesterrei- chischen General am Ende die sächsische Besatzung aus Leipzig vertrieben hatte, zwei Tage später aber der Uebermacht Je- röme's und der Sachsen unter General v. Thielemann hatte weichen müssen, schließlich aber auf seinem ritterlich gewagten Zuge nach der Nordsee noch einmal Leipzig berührte. Nachts war er mit seine» „Schwarzen" cingerückt; den ganzen nächsten Tag bivoua- kirte er auf der Promenade. Alle Einwohner umringten diese Patrio ten. Mein Großvater durfte mit dem Herzog sprechen und ihm für den Marsch über Halle Rathschläge geben. In diesen Kriegszeiten waren die Leipziger Stadtsoldaten, deren äußerst commoder Dienst betrieb sich in manchem ergötzlichen Stückchen charakterisirte, die Re präsentanten der Misere. Sic übten unveränderlich ihr Recht, die Stadtthore jeder bewaffneten Macht zu verschließen, und hatten das oft mit gewaltsamer Remedur zu büßen, gegen welche sie nicht den mindesten Widerstand leisten konnten. Endlich trat aber der Ernst der Zeit meinem Großvater unmittelbar gegenüber. Kurz vor der Ostermesse 1811 kam eines Nachmittags das Gerücht in das Ge- schäftseomptoir, westphälische Gensdarmen seien gekommen, hätten auf dem Rathhause die Namen aller aus dem Königreich gebürtigen Jünglinge erfragt, und diese als Mannschaften für die zum Feldzug gegen Rußland zu bildende Armee ausgehoben. — Mein Großvater war vergessen — wie er glaubte, durch das Wohlwollen eines Ma- gistratssecretärs verschwiegen worden. Sein Bruder schloß ihn so gleich in das Lager einer Frankfurter Buchhandlung in den Gewölben des Gewandhauses und versah ihn mit Lebensmitteln, lieber sich hörte er in den Sälen die dort consignirten Landsleute lärmen. Am nächsten Abend flüchtete er sich zu dem ihm nahe befreundeten Pre diger Dümmler, dem Vater des Buchhändlers, nach dem drei Stunden entfernten Groß-Dalzig. Erst nach einigen Tagen, als die Unglück lichen nach Magdeburg abgeführt waren, — die Meisten von ihnen mögen in den Eisfeldern Rußlands umgekommen sein — kehrte er zurück. Aehnlichen Gefahren zu entgehen, nahm er während der Messe eine Stelle in der damaligen Hofbuchhandlung von Hetzer L Leske in Darmstadt an und ging nach der Messe mit Hrn. Leske dorthin ab. „Die drei Jahre meines dortigen Aufenthaltes — sagt das Tagebuch meines Großvaters — waren die glücklichsten meines Jugendlcbens. Von meinem Prinzipal und dessen Gattin geehrt, war ich mehr Familienglied als Gehülfe, und namentlich sind mir die Sonntage im Sommer unvergeßlich. In der schönsten Gegend der reizenden Bergstraße besaß die Mutter meiner Prinzipalin ein Gut im Dorfe Hacnlein. Dahin fuhr ich mit der Familie den Sonnabend Abend, um bis Montag früh dort zu verweilen. Am Sonntag Nach mittag wurde nach Auerbach, der Sommerrcsidcnz des Großherzogs, gefahren, wohin uns die Nichte und die Schwester der Madame Leske, nachherige Madame Marcus in Bonn, begleiteten, uud wo mir die Aufgabe wurde, die drei Damen auf dem dortigen Ball im Tanze zu unterhalten. — Ich hatte Sonntags freien Zutritt in die von dem Großherzog besonders protegirte, durch ihre Leistungen berühmte Oper, und mit meinen Freunden in der Hofapotheke, wenn wir es wünschten, freie großherzogliche Equipage zur Ausfahrt über Land." Von mancher schönen Abendstunde bei billigem Wein und ge rösteten Kastanien — das Kometen-Weinjahr 1811 wurde dort ver lebt! — von fröhlichen Ausflügen an den Rhein, bei deren einem ein Stück auf der Flöte, die mein Großvater gern spielte, statt der Zahlung den Wirthsleuten lohnte, erzählte mein Großvater gern. Der Verkehr auf dem Rhein geschah durch die „Wasser-Diligence", das Marktschiff. Das linke Rheinufcr war noch französisch; Ehren breitenstein lag noch in Trümmern. — Zur Messe fuhr er mit dem Prinzipal in dessen eigenem Wagen. Hier in Darmstadt sah er auch die Trümmer der französischen Armee von 1812 todessiech durch- passiren. Er bethciligte sich eifrig, dieselben in schnell organisirten Lazarethen zu pflegen. Helmine von Chezy erwähnt seiner dabei in ihren Tagebüchern als ihres besonder» Helfers. „Die Sehnsucht, meine Mutter wiederzusehen (der Vater war am 11. Mai 1806, 81 Jahre alt, gestorben), veranlaßtcn mich, Ostern 1814 meine Stelle aufzugeben und einem Rufe nach Berlin in die Buchhandlung von Amelang zu folgen." In der Postkutsche fuhr er, mit dem Buchhändler Dümmler und anderen Freunden, von Leipzig nach Berlin. Ein paar Meilen vor der Stadt blieb der Wagen
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