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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.08.1870
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- 1870-08-24
- Erscheinungsdatum
- 24.08.1870
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Nichtamtlicher Theil. Johann Friedrich Hartknoch.*) Johann Friedrich Hartknoch wurde am 28. September 1740 (also 4 Jahre früher als Herder, 1 Jahr früher als Hippel, 10 Jahre später als Hamann und 16 Jahre später als Kant) zu Goldap in preußisch Litthauen, wo sein Vater die bescheidenen Aemter eines Thorschreibers, Organisten und Stadtmusikus in sich vereinigte, geboren. Von seiner Jugend wissen wir wenig mehr, als was der alte Hupel in dem Gedenkvlatt berichtet hat, welches in seinen Nordischen Miscellaneen abgedruckt ist: daß es Hart- knoch's Vater schwer geworden, sich durch die Welt zu helfen, daß er aber nichts desto weniger, was er irgend vermocht, auf die Er ziehung des Knaben gewandt und denselben der Aufsicht eines treuen Lehrers, Ngmens Seckersdorf, übergeben. Die Verhältnisse, unter dpncn Hartknoch's berühmte Landsleute und Zeitgenossen, derWeber- ünd Glöckncrssohn Herder und der Pastorssohn Hippel erwuchsen, ermöglichen uns aber eine annähernde Vorstellung von der ErisMz'- eines ostpreußischen und dazu halb-litthäuischen Städtchens und derer, denen das Loos zufiel, in ihm während der ersten Halste des 18. Jahrhunderts geboren und erzogen zu werden. Eine flache, von Sümpfen, kleinen Seen und Sandhügeln zer rissene Landschaft, ein rauhes, im Winter hartes Klima, Menschen, die zur. Hälfte breites, ..unschön klingendes Deutsch, zur Halste den süd-litthauischcn Dialekt sprachen, sich von Landwirthschaft, Moor- cultur, Flachs- und Weizenbau nährten, meist zu arm waren, um einen Betrieb im Großen zu führen und auf irgend etwas Anspruch zu erheben, was zum Schmuck des Lebens gehört, denen das Leben im eigentlichsten Sinne des Worts zwischen Arbeit und Gebet ver ging — das waren die Verhältnisse, unter denen der Goldaper Bürgerssohn seine Jugend verbrachte. „Die Armuth sieht aus vie len Gebäüden mit hohlen Augen hervor" heißt es in einem Bericht über die Wohnungen in der Hcimath Herder's, und wir haben allen Grund, die Geltung desselben auch auf Goldap ausgedehnt zu den ken. Von den Geldverhältnissen gewinnt man eine Vorstellung nicht eben erbaulicher Art, wenn man erfährt, daß der Rector von Moh rungen, nach dem Pastor die erste Person am Ort, nur 233 Thaler 8 Groschen Gehalt bezyg und dennoch nicht wagen konnte, ein Schul geld zu erheben, „da die meisten Einwohner zu arm waren, um ihre Kinder zur Schule anzuhalten", und leicht bewirkt werden konnte, „daß sich die Feindschaft zwischen Schule und Schülern vermehrte". Die Zucht war, wie es in dem Lande und der Zeit des ehernen Militärregiments nicht anders sein konnte, eine barbarisch strenge: selbst Kant, der Sohn des wohlhabenden Königsberger Sattlers, dem das Glück zu Theil geworden war, jenes OoIIsAium I'riäerieianum zu besuchen, in dem das mildere Regiment der Halleschen Pietisten waltete, Pflegte in alten Tagen zu erzählen, „daß ihn jedesmal Schrecken und Bangigkeit überfiele, wenn er an die Jugendsclaverei seines Schullebens zurückdächte," Hippel vergleicht diese Lebensperiodc „den ägyptischen Dienstjahren der Kinder Israel", und Herder wurde die Blödigkeit und Unsicherheit, die ihm das Schuljoch zur zweiten Natur gemacht hatte, nur sehr langsam und mühsam in Riga los. Das Leben wurde hier wie ein erbarmungsloses Fatum angesehen, dessen Einst man nicht früh genug kennen lernen konnte — daß der Mensch auch auf Freuden Anspruch haben könne, kam dem Geschlecht kaum in den Sinu, dem das Lehramt mit Bakel und Karbatsche, der Kriegsdienst mit Gassenlaufen und Krummschließen, die Rechtspflege mit der Folter identisch war. Aber es war ein mannhaftes, pflichttreues und unbeugsames Geschlecht, das aus dieser harten Schule hervorging, wenn es Wlder- ') Aus dem «Rigaschcn Almanach für 1870." Riga (Brutzer L Co.). standsfähigkeit genug besaß, um durch dieselbe nicht gebrochen zu werden. Von Kindheit auf an Noth, Entbehrung und Thätigkeit gewöhnt, zeigten die in jener Zeit ausgewachsenen Jünglinge nicht selten schon als halbe Knaben die Umsicht und Festigkeit von Männern. Auch Johann Friedrich Hartknoch sollte reichliche Gelegenheit haben, diese Eigenschaften zu bethätigen. Sechzehn Jahre alt, kam er nach Königsberg, um daselbst- Theologie-zu studiren-. „Der Vater konnte für ihn nichts weiter thun: er überließ ihn nun seinem Schicksal und Talent. In einem Alter, wo die meisten Studirenden noch weder den Werth der Zeit, des Geldes noch der Kenntnisse zu schätzen wissen, wandte der Jüngling nicht nur großen Fleiß auf die Wissen schaften, sondern erwarb sich auch durch Unterricht im Lesen und in der Musik, mit welcher-er von Kindheit an vertraut war , auf die mühsamste Art die Mittel zum Studiren. Dies« Nothwendigkett, mit Geld und Zeit genau Haus zu halten, hat ihm sein ganzes übriges Leben hindurch sehr gute Dienste geleistet; indessen legte er damals auch in seinem Körper den Keim zu der Krankheit, die ihn der Welt zu früh entriß. Denn die Besorgniß, bei seinen in der weitläufigen Stadt sehr zerstreut wohnenden Schülern nicht etwa zu spät zu erscheinen und dadurch einige Minuten zu versäumen, jagte ihn oft bis zur Athemlosigkeit von einem Ende der Stadt bis zum andern." Das ist im Wesentlichen alles, was wir durch die Miscella neen von Hartknoch's Studienjahren erfahren. Von dem Studenten- lebcn, das gerade damals in der alt-preußischen Hauptstadt beson ders wilde und lustige Wellen schlug und in welchem die Kurländer, wie wir durch Hippel wissen, die Hauptrolle spielten, hat der be scheidene, auf mühsamen- Privatunterricht angewiesene Theologe -schwerlich etwas zu sehen bekommen. Desto größer war der Ein fluß, den die Lehrer auf ihn übten, zu deren Füßen er damals saß. Wenige Monate, bevor Hartknoch das akademische Bürgerrecht er worben, hatte sich Hr. Magister Immanuel Kant, bis dazu Haus lehrer in verschiedenen ehrbaren Häusern seiner Vaterstadt, als Privatdoccnt für Logik, Metaphysik, Physik und Mathematik habili- tirt und mit ihm trat Hartknoch, obgleich Amanuensis des Ordi narius für Philosophie Hrn. vr. Buck, bald in Beziehungen, die sich bis zum Tode des großen Denkers erhielten. Theologie hat er wahrscheinlich bei dem Wolfianer Schultz gehört, einem der nam haftesten Lehrer der Königsberger Hochschule und, nach Hippel's Zeug- niß, dem talentvollsten aller Schüler Wolf's. Mit Hippel scheint Hartknoch damals nicht bekannt geworden zu sein, Herder kam erst nach Königsberg, äls Hartknoch bereits Buchhändler geworden war. Zu freiem Freundesverkehr mag der arme Goldaper Theologe übrigens wenig Zeit gehabt haben: er mußte seine Zeit nicht nur zwischen Collegienbesuch und Unterrichtgeben theilen, sondern „con- ditionirte" außerdem als Hauslehrer im Hause des Herings-Wrakers Weißen, später bei seinem Patron, dem Professor Buck. Seine übrigen Verbindungen wurden wesentlich dadurch beeinflußt, daß er, noch nicht 19 Jahre, in den Freimaurer-Orden trat, dessen eifriges Mitglied er bis an sein Lebensende geblieben. Die wichtigste und folgenreichste Bekanntschaft, welche Hart knoch während seiner Studien- und Hauslehrerjahre machte, war aber die des Buchhändlers Kanter, eines angesehenen, gebildeten und hu manen Mannes, der mit allen Gelehrten der ostpreußischen Univer sitätsstadt in Beziehung stand und dessen Name uns fast auf jeder Seite der Jugendgeschichte Hippel's, Herder's und Hamann's be gegnet. Kanter's Buchladen scheint der Hauptsammclplatz der schö nen Geister und aufsteigenden Größen Königsbergs gewesen zu sein, denn der liberale und bildungsfreundliche Mann gestattete näheren
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