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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.04.1892
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1892-04-11
- Erscheinungsdatum
- 11.04.1892
- Sprache
- Deutsch
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zu gönnen, und ich fand bald, daß er den mehrsten eine Gold grube gewesen war, und mehreren es noch ist. Denn einmal spricht jeder wohlerzogene Russe eine oder mehrere ausländische Sprachen, und da es hier znm guten Tone gehört, daß jeder lesen muß, sich wenigstens den Schein davon geben muß, und nur in dem ungeheuren Rußland, wo der Adel so zahlreich ist, drei Städte sind, wo Buchhandlungen existieren, nämlich Riga, Petersburg und Moskau, unter welchen Petersburg den Vorrang behauptet, so ist es begreiflich, daß der Absatz groß und der Verdienst verhältnißmäßig größer als in Deutschland ist! Mein Entschluß war daher gefaßt und ich eilte nun ihn auszusühren! Allein es verzog sich damit bis zum 26. März d. I., wo ich erst meiner Wünsche unbedingte Er füllung sah! »Wenn ich alle Buchhändler allhier zusammennehme, so darf ich, ohne Stolz, in Rücksicht ihrer literarischen Kenntnisse mich kecklich mit ihnen sämmtlich messen. Der Eine, den man als den erste» deutschen Buchhändler hier ansehen muß, war eigentlich nur Buchdrucker, etablirte sich etwan vor 20 Jahren allhier, und schwang sich bald so hoch, daß man ihm nach rechnet, daß er in dieser Zeit mehr als 150 000 Rubel ver zehrt, verspielt und verjubelt hat. Er hat dabei sich noch ein Haus gebaut, das ihm leicht gegen l 00 000 Rubel kosten kann, besitzt einen starken Laden und hat ei» gutes Sümmchen baares Geld. Wahr ist's, daß bei ihm mehrere Umstände zusammentrafen, auf welche ich nicht rechnen kann, noch rechnen will; aber auf etwas darf ich rechnen, worauf auch er nicht rechnen konnte! — Ein Anderer kam ohngefähr vor 12 Jahren als ein guter ehrlicher Buchbindergeselle hierher, legte eine Bücherbude an, und hat sich schon vor mehreren Jahren ein Hans gekauft, das ihm jährlich 3000 Rubel Mielhszins einbringt. Er hat also durch den Buchhandel sein Glück eher gemacht, als er es durch Buchbindern gemacht haben würde! — Der Dritte kam jetzt vor 8 Jahren hierher als gelernter Buchhändler. Seine ganze Anlage bestand aus 200 Thalern — ich weiß seinen ganzen Lebenslauf durch seine Freunde genau! — Er war bisher fleißig und ordentlich und geizte sich in 7 Jahren ein Vermögen von 35 000 Rubel baar zusammen, ging damit voriges Jahr nach Deutschland zurück, und hinterließ seinem Schwager sein Waarenlager für 15 000 Rubel; sodaß er in 7 Jahren sich ein Vermögen von 50 000 Rubeln erworben hat! Man macht ihm den Vorwurf, daß er aus Geiz sich kaum satt gegessen habe, und daran that er unrecht! — Ein Vierter, der seit einigen Jahren sich hier etablirt hat, macht jetzt schon gute Geschäfte, und geizt im Stillen, ohne Aufwand, und daran thut der Mann recht! — Ich bin nun der Fünfte, und will sehen, was ich in einigen Jahren vermag. Ich will billig sein und mit weniger vorlieb nehmen. Aber hat der erste in 20 Jahren mehr als 300 000 Rubel oder im Durch schnitt jedes Jahr 15 000 Rubel verdient; hat der zweite als Handwerker in 12 Jahren wenigstens 50 000 Rubel ergeizt und also im Jahre mehr als 7000 Rubel zurückgelegt, so däucht mir, daß ich nicht meine Rechnung zu hoch anschlage, wenn ich, der ich nicht nachlässig, noch unthätig, noch Ver schwender bin, der ich zwar vielleicht weniger merkantilische Kenntnisse habe, aber in manchen andern Stücken meine übrigen Herren Kollegen gewiß übersehen kann, der ich vielleicht nicht die Gelegenheit habe, die meine Vorgänger hatten, aber auch noch andere Hülssquellen aufgraben will und kann, — so däucht mir, sage ich, daß meine Erwartungen gar nicht über trieben sind, wen» ich hoffe und glaube, daß ich in 10 Jahren 10 000 Rubel erübrigen könne. . . . Aber, wird man mir höchst wahrscheinlich den Einwurf machen, — du Haft nicht die Handlung erlernt, hast keinen Handlungsgeist, nicht das ge schmeidige, servile Wesen, was den Kaufmann charakterisirt! — Was den ersten Punkt anlangt, daß ich keine Handlung gelernt habe, so beweist das nichts, als daß ich etwa nicht im Neunundsünfzigster Jahrgang. Stande sein mögte, meine Handlungsbücher nach kaufmännischer Art und Stil einzurichten. Abgerechnet, daß das dennoch geschehen könnte, so ist die Buchhandlung bei weitem nicht so verwickelt, als eine Wechsel- oder eine andere Handlung; sie ist die simpelste Handlung von der Welt! Und so viel Hab' ich doch zählen gelernt, um auszurechnen, daß, wenn ich ein Buch, welches mir aus Deutschland für 3 Dukaten geschickt worden ist, hier sür 6 Dukaten verkaufe, daß ich sodann 2 Dukaten an den Buchhändler nach Deutschland zurückschicken muß, weil mir von ihm 1 Dukaten Rabatt zukömmt, und die übrigen 3 Dukaten gehen ihn ohnedem nichts an! Die Haupt sache ist: daß ich Ordnung in meinen Rechnungen über em pfangene und abgeschickte Gelder, über Einnahme und Aus gabe halte, und das ist ja wohl keine große Sache für den, der Ordnung liebt!« — Von diesen Gesichtspunkten aus betrachtete also Johann Daniel Gerstenberg sein Lebenswerk, das er sich offenbar mit viel Energie und Unerschrockenheit vorgenommen hatte. Im April 1793 assoziierte er sich in Petersburg mit seinem Freunde Fr. Aug. Dittmar, und heiratete am 8. Februar 1793 die Tochter des Superintendenten Bauermeister in Hildesheim. Da diese das russische Klima nicht vertragen konnte, so entschloß sich die Familie im Jahre 1795, nach Deutschland zurück zukehren. Das Petersburger Geschäft wurde dem Kompagnon zur Führung überlassen, und I. D. Gerstenbecg gründete im Jahre 1796 eine Filiale der Musiknotenstecherei in Gotha, wobei ihn der Buchhändler und berühmte Kartograph Justus Perthes mit Rat und That unterstützte. Nach dem Tode der Kaiserin Katharina II. von Rußland (1796) wurde in Rußland die Zensur verschärft und dadurch der russische Buchhandel stark beein trächtigt; die junge Firma in Petersburg verlor durch die neuen Maßregeln beträchtlich, und abermals sah sich I. D. Gerstenberg genötigt, seinen Wohnort zu wechseln, um den Sortimentsbuch handel fortführen zu können. Er verließ am 20. August des Jahres Gotha und siedelte sich mit seiner Familie in Hildes heim an. Das damalige Fürstentum Hildesheim, an gebildeten und gelehrten Männern reich, hatte bis dahin keine eigentliche stehende Buchhandlung, keinen Vermittler zwischen Schriftstellern und Publikum gehabt. Die einzige Kunde, die aus alter Zeit von einem Vertrieb von Schriften meldet, stammt aus dem fünf zehnten Jahrhundert. Friedrich Kapp sagt darüber: Zwischen den geistlichen und weltlichen Schreibern nahmen eine Art Mittelstellung ein die »Brüder vom gemeinsamen Leben« (kratrss äs vita eommuni), sie beschränkten sich aus die Herstellung guter Lehr- und Andachtsbücher. Der Orden zählte ernste Gelehrte und Lehrer zu seinen Mitgliedern und arbeitete für Studien reform, die den Humanismus heraufsührte. Die Kosten ihres Unterhaltes bestritten sie durch gewerbsmäßige Anfertigung von Schul- und Gebetbüchern. »Die Brüder waren besonders im Norden und Nordwesten Deutschlands thätig und hatten unter anderm um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts auf dem Mariä- Leuchtenhof zu Hildesheim so viel Meßbücher zu schreiben, daß sie daran einschließlich der Einbände über 1000 Gulden ver dienten (also wenigstens 20 000 Gulden nach heutigem Geldes wert)«*). Hier wurden also nur geschriebene Bücher verfertigt und verkauft; erst im sechzehnten Jahrhundert scheint sich hier eine Druckerei und im siebzehnten Jahrhundert für kürzere Zeit auch der Buchhandel mit gedruckten Werken aufgethan zu haben. Buch handel sowohl wie Buchdruck waren dabei, wie auch die ganze Stadt, in zwei Lager geteilt: es gab sürstbischöfliche und städtische Buchdruckereien und Buchläden, die privilegiert waren und über deren Privilegien sich Magistrat und Bischof verschiedentlich in den Haaren lagen. Die erste Buchdruckerei in Hildesheim war *) Friedrich Kapp, »Geschichte des deutschen Buchhandels«, S. 18 Leipzig. 2V9
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