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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.05.1890
- Strukturtyp
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- Band
- 1890-05-19
- Erscheinungsdatum
- 19.05.1890
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- Deutsch
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113. 19. Mm 1890. Nichtamtlicher Teil. 2681 Zu den Handelsgebräuchrn des Antüinariaks. Von Or. jur. L. Heß in Ellwcingen. Kann der Käufer, welcher ein ihm angebotenes Wert be stellte, die Nachlieferung von etwaigen Defekten verlangen, oder ist der Verkäufer nur zur Zurücknahme d es unvollständigen Werkes verpflichtet? Eine gerichtliche Entscheidung über diese wichtige Frage scheint noch nicht vorhanden zu sein. Dieselbe bildete vor kurzem den Gegenstand eines Prozesses; derselbe wurde zwar durch Ver gleich erledigt; aber die aus diesem Anlaß gemachten Untersuchungen dürften zur Lösung der Frage führen Es soll im folgenden erst der Prozeßthatbestand, sodann die rechtliche Beurteilung und endlich das gewonnene Resultat dar gelegt werden. I. Der Fall war, abgesehen von Nebenpunkten, folgender: Antiquar bot dem Antiquar L mittels Bücherzettels Pfeiffers Germania an. 6 bestellte das Werk; beim Empfang entdeckte er, daß in Band V Seite 1—128 fehlten, nnd verlangte von Nachlieferung derselben. Dieser erwiderte, er könne und müsse das Fehlende nicht liefern und ersuche um Einsendung des vollen Betrages oder Zurückgabe des Werkes. U beharrte auf Nach lieferung. Nunmehr klagte ^ auf Bezahlung des vollen Kauf preises oder Zurückgabe. Er gab zur Klagebegrüuduug an, es sei in derartigen Fällen bei den Antiquaren Handelsgebrauch, daß man das Werk zurückgebe, nicht aber Ergänzung verlange, daß der Verkäufer somit zur Zurücknahme, nicht aber zur Ergänzung verpflichtet sei. 6 bestritt diesen Handelsgebrauch. II. Was ist nun Rechtens? Es giebt, wie überhaupt beim Kauf, so auch beim Kauf von Büchern zwei Arten: den Spezieskauf, d. h. Kauf eines b estimmten einzelnen Exemplares eines Werkes, und den Genuskauf, d. h. den Kauf eines Werkes, bei dem nur irgend ein vertragsmäßig beschaffenes Exemplar dieses Werkes zu liefern ist. Meistens und auch im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Genus- kanf (hier sollte eben irgend ein, natürlich vollständiges Exemplar der Germania geliefert werden). Es soll nun, da hier nicht alle Fälle besprochen werde» können, nur der Genuskauf be handelt werden. Dies ist auch der weitaus häufigste Fall. Das Handelsgesetzbuch bestimmt, daß bei Handelsgeschäften in erster Linie die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs, sodann die Handelsgebräuche und in deren Ermangelung das allgemeine bürgerliche Recht zur Anwendung kommen, n) Das Handelsgesetzbuch selbst berührt die vorliegende Frage nicht. Es bestimmt nur, wie Mängel zu rügen sind, nicht aber, welche materiellen Rechte und Pflichten aus der Lieferung mangelhafter Waren entstehen, b) Es fragt sich also in zweiter Linie, ob ein Handelsgebrauch besteht, der das vorliegende Geschäft regelt. Dies wurde vom Verkäufer behauptet, der sagte, es sei in einem solchen Falle Handelsgebrauch, daß man nicht Ergänzung verlange, sondern das defekte Werk zurückgebe. Handelsgebräuche sind Gewohnheitsrechte des Handels. Als solche erscheinen nun aber nicht etwa alle thatsächlichen Geschäfts- gebräuche; diese sind nur Handelsgewohnheiten. Gewohnheits recht sind diese Gebräuche nur dann, wenn diejenigen, welche sie ausüben, dies thun in der Ueberzeugung, damit ein Recht zu üben, mit anderen Worten: in der Ueberzeugung, zur Befolgung dieser Gebräuche berechtigt bzw. verpflichtet zu sein, und wenn diese Hebung in dem betreffenden Kreise längere Zeit hindurch gleichförmig erfolgte. Es ist also hier zu untersuchen, ob die Antiquare bei einem derartigen Geschäfte Ergänzung von Defekten nicht verlangen bzw. nicht gewähren, ob sie dabei davon ausgehen, hierzu nicht berechtigt bzw. nicht verpflichtet zu sein, und ob diese Hebung schon längere Zeit gleichförmig besteht. Das Vorhandensein eines solchen Gebrauches kann nun am besten durch Vernehmung von Antiquaren erwiese» werden. Der geschilderte Fall wurde deshalb auch vom Käufer sechs angesehenen, in den verschiedensten Teilen Deutschlands wohnenden Antiquaren vorgelegt und dieselben um Mitteilung ihrer Ansicht gebeten. Die Gutachten lauten inhaltlich geordnet in der Hauptsache folgendermaßen: 1. »Wir glauben kaum, daß der Lieferant gezwungen werden kann, zu komplettieren; wir haben noch nie jemanden gezwungen, zu liefern.« 2. »Juristisch ist die Handlung jedenfalls zur Ergänzung verpflichtet; buchhändlerischer Brauch (oder Mißbrauch) ist es allerdings, in solchen Fällen die Bücher zurückzugeben.« 3. »Usus ist nach meiner Erfahrung und Ansicht, daß, wenn sich ein derartiger Defekt herausstellt und derselbe nicht nach- geliesert werden kann, zu welchem Zweck aus Billigkeitsgründen eine gewisse Frist einzuräumen ist, der Verkäufer das Werk zurücknehmen muß.« 4. »Vorausgesetzt, daß die Ergänzung überhaupt billigerweisc zu ermöglichen ist, dürfte Wohl der Betreffende die Ergänzung nicht ohne weiteres verweigern können.« 5. »Nach meiner Ansicht und Kenntnis und Erfahrung in den antiquarischen Usancen sind Sie vollständig berechtigt, die Komplettierung zu verlangen.« 6. Dieses Schreiben spricht sich einfach für Anwendung des allgemeinen bürgerlichen Rechtes aus. Das Ergebnis dieser Gutachten ist unzweifelhaft, daß der behauptete Handelsgebrauch nicht besteht. Nur eine Stimme spricht für denselben (Nr. 1). Alle anderen Gutachten sprechen für das Gegenteil. Einige (Nr. 3 und 4) verlangen Nach lieferung der Defekte, sofern sie überhaupt möglich ist. Eine andere Ansicht (Nr. 2) sagt, die Zurückgabe sei allerdings Brauch, aber juristisch sei der Verkäufer zur Ergänzung verpflichtet; das heißt nicht andres, als daß dieser Brauch nicht auf Rechts überzeugung beruhe, sondern nur eine Handelsgewohnheit, nicht ein Gewohnheitsrecht sei (s. o.). Die anderen Gutachten ver neinen den behaupteten Handelsgebrauch vollständig. Die An sichten sind also ganz verschieden (wenn man nicht weiter gehen und sogar sagen will, der überwiegende Teil spreche gegen das Vorhandensein eines solchen Gebrauches), und diese Verschieden heit würde eher vermehrt als vermindert werden, wenn man noch weitere Antiquare als Sachverständige hören würde. Darnach steht fest, daß der behauptete Gebrauch nicht übereinstimmend in den beteiligten Kreisen geübt wird, geschweige denn, daß es infolge von Rechtsüberzeugung geschieht; es ist also nicht Handelsgebrauch, daß der Käufer lediglich das defekte Werk zurückgeben, aber eine Ergänzung nicht verlangen dürfe.*) e) Da also auch ein zutreffender Handelsgebrauch nicht besteht, so entscheidet über das vorliegende Geschäft das allgemeine bürgerliche Recht. III. Nach dem gemeinen und preußischen Recht hat nun der Käufer die Wahl, ob er ohne weiteres vom Kauf zurückstehen oder ob er die Ware unter Beanspruchung des Minderwertes behalten will. Er kann aber auch auf Lieferung einer vertrags mäßige» Ware bestehen, somit verlangen, daß der Ver käufer ihm ein anderes vollständiges Exemplar liefere oder die Defekte ergänze. Letzteres ist die übereinstimmende An sicht von Theorie nnd Praxis, während auch das elftere Wahl- *) Im vorliegenden Prozesse gab der Verkäufer nachträglich auch zu, es sei ihm nicht möglich, den von ihm behaupteten Handelsgebrauch zu beweisen. Schürmann, Usancen des deutschen Buchhandels. 2. Ausl Halle 1881, spricht sich über die hier behandelte Frage nicht aus. Er sagt nur (S. 208), der Antiquar müsse, wenn es sich um zu ersetzende Defekte handele, das Buch zurücknehmen, falls die Defekte nicht schnellstens ge liefert würden. Die Hauptfrage aber, nämlich in welchen Fällen die Defekte zu ersetzen seien, berührt er nicht.
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