-äk 222, 23, September 1912. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 11183 Gleichzeitig versenden wir: Maurice Guest Roman von Henry Handel Richardson Entwurf des Einbands von Erich Mende Zwei Bände geheftet 8 Mark, in Leinen 10 Mark „Maurice Guest" ist bei seinem Erscheinen von der englischen Kritik vielfach als der beste englische Roman des letzten Dezenniums bezeichnet worden; er hat auch bei uns, schon vor der Uebersetzung, das größte Interesse erregt. Den äußeren Anlaß dazu gab der Umstand, daß der Roman in Leipzig spielt und mancherlei Streiflichter auf deutsche Kultur, besonders auf das internationale musikalische Milieu Leipzigs in den 90 er Jahren wirft. Aber zu diesem äußerlichen Interesse kommt das wesentlichere: daß wir es hier mit einem Roman zu tun habe», der, in der Spürkraft seiner Psychologie, in der Realistik der Darstellung und in der scharf individualisierenden Charakterschilderung aller, auch der Nebenpersonen, sich neben die besten Russen und Franzosen stellen kann, und überdies die Eigenschaft englischer Romane hat, eine einfache Handlung äußerst spannend und er regend aufzubauen. — Die Geschichte selbst ist die einer großen Liebesleidenschaft, die zu einem tragische» Ende führt. Der Grund liegt in dem unlösbaren Gegensatz der beiden Hauptcharaktere. Während der Frau ein Liebhaber gemäß ist — ein Liederjan von Genie, der Geiger und Komponist Schilsky —, der sie wegwirst, als sie ihm lästig wird, wird sie, gegen ihren Weibesinstinkt, zu der Zeit ihrer tiefsten Verwundung, durch die aufopferungsbereile Liebe des Maurice Guest zu einem Liebesverhältnis bewogen. Die Schilderung, wie diese Liebe für die Frau nur eine Episode, für Maurice aber zum einzigen Lebensinhalt wird; wie er immer deutlicher die Kluft zwischen ihren Naturen erkennt und doch nicht loskann von der reizvollen, lässig leidenschaftlichen, bis zur Brutalität naiv selbstsüchtigen Frau; wie in der Frau der Widerwille wächst, aber erst das Wiedererscheinen des Geigers ihr die nötige Energie zum Bruch gibt; wie sie mit diesem unbekümmert weiterlebt, während Maurice zugrunde geht — diese Schilde rung des wachsenden Elendes der beiden enthält so viele, psychologische Feinheiten und Beobachtungen, daß sie zum Besten in der modernen Literatur gerechnet werden darf. S. Fischer, Verlag, Berlin