Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.06.1890

144, 25. Juni 1890. Nichtamtlicher Teil. 3399 Der Ueberblick über die ersten dreieinhalb Jahrhunderte der Druckkunst findet seine Fortsetzung im großen Festsaal des Hauses mit Vorführung der Leistungen des gegenwärtigen Jahrhunderts. In ihm wandte sich die Kunst neben der großen Vervollkommnung in der Schnelligkeit des Druckes vorwiegend dem Jllustrationsdruck zu, und diese Vorliebe des Jahrhunderts ist hier lebendig zur Anschauung gebracht. Die ganze Längsseite rechts vom Eingang ist mit Inkunabeln der Lithographie, größtenteils aus der wertvollen Brockhaus'schen Sammlung besetzt, Drucken aus der frühesten Zeit dieser schönen Kunst, von Alohs Senefelder und seinen Brüdern Theobald und Clemens, wie auch aus späteren Jahrzehnten, welche letzteren namentlich einige ganz vorzügliche, heute vielleicht nicht mehr mögliche Leist ungen ini Schwarzdruck aufweisen Diese Zusammenstellung ist eine der lehrreichsten und schönsten der Ausstellung und verdient eingehende Betrachtung und Vertiefung. Ju weiterer Folge auf der andern Längsseite zum Eingänge uns zurückwendend wird unser fachmännisches Urteil durch die Leistungen des Buntdruckes herausgefordert, deren Aufeinander folge den allmählichen Fortschritt von ersten Versuchen zur höchsten gegenwärtigen Vollendung deutlich erkennen läßt. Prachtvolle Drucke dieser Art, fanden wir von Raimund Mitscher, Winckelmann L Söhne Zettler, Bruckmann und Troitzsch ausgestellt. Die Fortsetzung dieses Entwickelungsganges bietet der an schließende Nebensaal mit der sehr ins Einzelne gehenden, höchst lehrreichen Darstellung der modernen photomechanischen Druckverfahren, unter denen namentlich Farbenlichtdruck, Helio gravüre und Autotypie einen breiten Raum einnehmen und, in entzückenden Proben vorgeführt, eine besondere Wertschätzung be anspruchen dürfen. In dankenswertester Weise hat hier namentlich die Reichsdruckerei in Berlin durch anschauliche Vorführung einer prächtigen Sammlung ihrer Drucke sich hervorgethan; neben ihr stellten Angerer L Göschl, Heinrich Riffarth, Rudoljf Schuster, Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft und viele Andere Probedrucke aus, die den Kenner mit Bewunderung erfüllen. Beide Säle sind auf den vielen langen Tafeln mit hoch interessanten Druckwerken aus dem Jllustrations- und gewöhn lichen Buchdruckfach belegt; zur Vervollständigung des Anschauungs bildes haben namentlich Leipziger Verlagshandlungen aus der Fülle ihres Lagers reichlich beigesteuert; so fanden wir schöne Zusammenstellungen von F. C. W. Vogel, Engelmann, Block haus, BreitkopfLHärtel, Teubner, Winter, Brandstettter, Spanier, Klinkhardt, Moritz Schaefer u. a. Von hier führt der Gang, nach der Jahresfolge fortschreitend, zum ersten Stock wieder hinauf in den Saal linker Hand, wo sich die Ostermeß-Ausstellung der Neuigkeiten des buchhändlerischen Vorjahres noch in fast unveränderter Verfassung seit Kantate befindet. Zu dieser gehörte bekanntlich auch die Ausstellung der photomechanischen Druckverfahren, welche zugleich mit der eben genannten hier noch eine besondere Würdigung finden wird. Es erübrigen uns noch einige Worte über ein zuvor über gangenes Sanktissimum in dem mit den Fahnen und Emblemen der Leipziger buchgewerblichen Vereine reichgeschmückten Festsaal. Diese an der Rückwand gelegene, durch prächtig grünenden Schmuck der Blattpflanzen festlich hervorgehobene Stätte bietet in ihreni Mittelpunkte das Modell der gewaltigen Festhalle, welche im Jahre 1840, mehr als die Hälfte des weitangelegten Augustusplatzes in Leipzig überdeckend, die Teilnehmer der Gutenberg-Jubelfeier iu sich aufnahm. Nach dem gleichfalls ausliegeudeu Plane der damaligen Feier speisten in diesem gewaltigen Bau gleichzeitig 3332 Personen, was eine» Maßstab für die Ungeheuerlichkeit seines Grundrisses abgeben mag. Freilich war ihr Aufbau, wenn auch nicht ohne Würde, doch einfach nnd entfernt nicht den jetzigen Zauberpalästen zu vergleichen, welche die neuere und neueste Zeit ihren Ausstelluugs-, Schützen-, Sänger- oder Turnerfestgästen bietet, aber ihrem Zwecke dürfte sie vielleicht besser genügt haben In der Mitte hinter und über diesem Zeugen einer nahen begeisterten Vergangenheit hebt sich vom dunklen Grunde die liebliche Gestalt des Buchgewerbes, das Modell der schönen Schmuckfigur im Frontgiebel des Buchhändlerhauses vom Bild hauer Zur Straßen. Neben ihr zu beiden Seiten — gleich falls Gypsmodelle Zur Straßens — die Büsten Gutenbergs und Dürers, welche, in Stein gemeißelt, die Nebengiebel des Hauses zieren. Einen besonderen Schatz bewahrt dieser Raum in den an den Wänden angebrachten Originalzeichnungen des genialen König zu seinen Druckmaschinen und zwar von seinen ersten Ver suchen mit der Flachdruckpresse an bis zur Doppelcylindermaschine, eine lange Reihe sorgfältigst hergestellter eigenhändiger Zeich nungen des wackeren Erfinders, die wir mit Ehrfurcht betrachten. Sie sind dem Buchgewcrbemuseum mit freigebigem Sinn von der Firma König L Bauer in Oberzell zum Geschenk gemacht worden. Von weiteren Denkmalen des Erfindungsgeistes ist hier auch der erste Versuch I. G. I. Breitkopfs zur Herstellung des Landkartendrucks mittels Typensatzes zu verzeichnen. Es ist der Breitkopfische Originalsatz einer ziemlich großen Karte, der hier zur Aufstellung gelangt ist. Nicht minder interessant ist der gleichfalls hier zur Anschauung gebrachte Originalsatz der Mahlau'schen Telegraphenkarte von 1858 aus der früheren Decker'schen Geheimen Oberhofbuchdruckerei, jetzt Reichsdruckerei. Die Ausstellung bietet ein anregendes und lehrreiches, ziem lich vollkommenes Bild der Druckgewerbe seit ihrem Beginn, wie es der wichtigen Feier durchaus angemessen ist Ihren Ver anstaltern, dem im Greisenalter noch mit jugendlicher Be geisterung empfindenden und thätigen Herrn Generalkonsul Lorck und Herrn Kustos Burger, sei-hierfür aufrichtige Anerkennung gezollt. Unseren Leipziger Lesern aber sei ein recht fleißiger Besuch warm empfohlen. Verzeichnis von Erscheinungen des Deutschen Buchhandels, Welche in Rußland von der ausländischen Ccnsurabteilung verboten sind und mir auf besondere Bittschriften der Empfänger in einzelnen Fällen freigegeben werden. 1890. 1. Vierteljahr.*) Mitgeteilt von Fritz von Szczepaüski in St. Petersburg. Abendschule-Kalender. Ein Jahrbuch f. d. christliche Haus auf das gemeine Jahr 1890. Hrsg. v. Louis Lange. 239 S. St. Louis 1889 Amtskalender für evangelische Geistliche auf das Jahr 1890, Hrsg, v. R. Schneider. 227 S. (2. Theil: Theologisches Jahrbuch.) Güters loh, Bertelsmann. 1 ^ 50 -Z. (Kplt. 2 70 H.) Aufnahmebüchlein in die Herz-Jesu-Bruderschaft, sanunt Regeln und Monatsandacht derselben re. 32". 20 S. Innsbruck. Baranowski, Anton, u. Hugo Weber, ostlitauische Texte. Mit Einleitungen u. Anmerkungen. I. Heft. XXXV u 23 S. Weimar 1882, Böhlau. 1 60 -? Behm, Heinrich, das katholische u. das evangelische Lebensideal. Zwei Vorträge. 46 S. Güstrow 1889, Opitz L Co. 75 H. Bleibtreu, Karl, die Propaganda der Thal. Socialer Roman. 125 S. Leipzig 1890, Friedrich. 2 Brodtbeck, Carl Adolf, Geistesblitze großer Männer. Fiir freie Denker gesammelt. VIII u. 182 S. Leipzig 1889, C. G. Naumann. 3 ^ 50 geb. 4 ^ 75 H. Buch, das siebenmal versiegelte, oder magisch-sympathetischer Hausschatz zur Heilung vieler Krankheiten u. Gebrechen des Lebens. Mit einem Anhang: die Geheimnisse der Physiognomie. 240 S. Chemnitz. Büchner, Ludwig, zwei gekrönte Freidenker. Ein Bild aus der Ver gangenheit als Spiegel für die Gegenwart, Dem deutschen Volke ge widmet. 110 S. Leipzig 1890, Th. Thomas. I 50 H. Dambor, das Heil auf individuellem, socialem u. politischem Gebiet. Plan zur Erlösung von den herrschenden Hebeln. Kleiner Auszug aus dem -Buch des Lebens-. VIII u. 134 S. Leipzig 1890, Hartung L Sohn. 2 Dorfkalender, der schweizerische, auf das Jahr 1890. 33. Jahrg. 4«. 100 S. Bern. *) 1889, 4. Vierteljahr vergl. Börsenblatt 1890, Nr. 53. 460»