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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.09.1912
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1912-09-20
- Erscheinungsdatum
- 20.09.1912
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- Deutsch
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10998 Börsenblatt s. ö. »tschn. vuqhanver Mchtamtlicher Teil. 220, 20. September 1912. heit erziehen, ein Gedanke, der Wohl nicht übermäßig neu ist: die meisten welterschütternden Ereignisse sind ja stets auf dem selben Wege zu uns gekommen. Ganz neu ist aber die Liebe für das musikalische Volk, eine Schwester des Hasses gegen die musikalische Schundliteratur, sie beide hinken ihren älteren Geschwistern auf dem Gebiete der Belletristik hinterher. Wie tief das Bedürfnis auf diesem Gebiete gefühlt worden war, und inwieweit es bereits durch die bestehenden Volksbiblio theken befriedigt ist, kann ich nicht untersuchen. Als Nicht buchhändler habe ich keine fachmännischen Gründe dafür oder dagegen zur Hand. Ich meine freilich, aber das nur ganz so nebenbei, daß, wenn die Leute, die die Volksbiblio theken besuchen, ihren Bedarf in Bier, Taback usw. etwas einschränkten, mancher Nickel übrig bleiben würde, der für Meyers Volksbücher, Reclam, Kürschner usw., die Wohl alle einwandfrei sind, verwendet werden könnte. Aber, wie bereits bemerkt, diese Angelegenheit schlägt nicht in mein Ressort, dagegen erkläre ich als Eingeweihter ganz freimütig, daß die »Musikalischen Volksbibliotheken« Luftschlösser sind, keinerlei Zweck haben und noch nicht mal ein Ersatz für die vom Musiksortiment als unrentabel aufgegebenen Musikleih- tnstitute sind. Herr vr. Marsop, der Vater oder doch wenigstens der eifrigste Förderer der Musik-Volksbibliotheken, ist einer der größten Philanthropen auf dem Gebiete der Musik, und ich zweifle keinen Augenblick, daß er aus ehrlichster Über zeugung bestrebt ist, Gutes zu fördern. Das hat er schon vor Jahren bewiesen, als er für die Misere der Orchester musiker mit scharfen Waffen und offenem Visier kämpfte. Mag der Erfolg kein doller gewesen sein, so sind seine An regungen doch sichtbar auf fruchtbaren Boden gefallen. Wie kommt dieser eminent praktische Mann dazu, zu Felde zu ziehen für musikalische Volksbibliotheken, eine vollständig wirkungslose Institution, zu deren Erreichung ihm nur stumpfe Waffen zu Diensten stehen? Einige Erfolge in erster Zeit wird freilich dieser Mann mit seiner gewandten Dialektik, seiner Gedankenfülle, der einem Unbefangenen jede taube Nuß in eine köstliche, begehrenswerte Frucht zu verwandeln versteht, sicherlich erzielen. Diese Erfolge sind jetzt schon nach weisbar vorhanden: Neidisch schauen die Genossen des Wort gewaltigen in der Reichshauptstadt auf die glücklicheren Char lottenburger Nachbarn, die bereits eine von der Stadtver waltung subventionierte Musikalische Volksbibliothek besitzen. Die Begründung einer solchen Bibliothek ist nach den Aus führungen vr. Marsops spielend auszufllhren: Jeder Mu siker besitzt, seiner Meinung nach, früher gebrauchte Schätze von Musikalien, die er jetzt ohne Schaden für sich dem guten Zwecke opfern wird. Aber das nicht allein: er soll seine Freunde, Gesinnungsgenossen, Bekannten, Fremde, selbst Geg ner aufspüren und aussuchen, alles, alles ist willkommen (auch Schund?). Mit Liebe und Güte, mit allen Überredungs künsten soll dem Zwecke zugestrebt werden, zur Not so gar nach dem Rezept: »Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt«. Auch die Verleger, was freilich vr. Mar sop nicht anführt, werden in Betracht zu ziehen sein, die ja aus Geschästsrücksichten, leider, in dieser Beziehung oft recht schwach sind. Wenn sie sich doch klar machen wollten, daß man niemals etwas verschenken sollte, was aus dem Geschäft stammt! Solche Gaben sind nicht geachtet, sie kosten ja, nach Ansicht unserer künstlerischen Freunde, dem Geber nichts. Darum kaufe der zu Geschenken Verpflichtete lieber für wenige Nickel einige Blumen, sie werden höher bewertet als ein Album, das oft den zehnfachen Wert hat. Das aus diese Art Zusammengebettelte und Er trotzte, alter Kuchen, in dem sich, um das Gleichnis fest zuhalten, einige süße Rosinen befinden, diese von guten und schlechten Freunden gesammelten »boaux rovtes«, sollen den Urbestand einer Musikalischen Volksbibliothek bilden, da die etwa vorhandenen Barmittel, deren Herbeischaffung Wohl auch nur auf gewundenen Pfaden ermöglicht wird, für Miete und Gehälter verwendet werden müssen. So wird der größte Teil des Musikalienvorrats bei der Eröffnung der Bibliothek Spuren des Gebrauchs tragen, und wie lange wird es dauern, bis diese fragwürdigen Schätze den Dienst ver sagen werden? Wer nur einigermaßen als Musiksortimenter im Verleihen von Musikalien Erfahrungen hat, weiß, wie selbst ein regreßpflichtiges, zahlendes Publikum mit den Leih noten umgeht. Leute aber, die nichts bezahlen, sind gewöhn lich noch anspruchsvoller und rücksichtsloser. Brave Leute sollen es sein, die die Bibliotheken besuchen und benützen, aber ihre knapp bemessene freie Zeit erlaubt es ihnen gar nicht, aus ihr Äußeres so große Sorgfalt zu verwenden, daß nicht in kurzer Zeit die von ihnen benutzten Musikalien dauernde Fingerabdrücke in reichster Mannigfaltigkeit auf weifen, die zwar für den Kriminalisten von Interesse sein können, aber der weiteren Verwendbarkeit der damit ge schmückten Notenhefte recht hinderlich sein werden. Aber selbst wenn das alles nur brotneidische Einwürfe eines galligen Musiksortimenters wären, wo sollen denn alle die Vorräte der Verschenkliteratur Herkommen, um eine Aus breitung der Musikalischen Volksbibliothek zu ermöglichen? Schon in einer Großstadt wären bei ihrer gewaltigen Aus dehnung und den großen Entfernungen doch mehrere sol cher Institute nötig; dann kämen die mittleren und kleinen in Betracht, und weiter dann das Land. Denn daß hier die deutsche Reichspost dem Streben der Philanthropen entgegen- kommen könnte, ist doch dem kühnsten Enthusiasten der Musika lischen Volksbibliotheken noch nicht eingefallen. Wie ich schon erwähnte, existieren bereits einige Musika- lische Volksbibliotheken, und mit Genugtuung wurde sofort in die Welt hinausposaunt, daß der Andrang schon in der ersten Zeit ein so starker gewesen wäre, daß die Bedürsnisfrage damit erwiesen sei. Leute, die die Verhältnisse besser kennen, wissen aber genau, daß die ersten Besucher aus der Schar jener Nassauer bestehen, die überall, wo etwas umsonst geboten wird, zu den eifrigsten Konsumenten gehören. Der größte Teil dieser Leute ist gar nicht bedürftig, es sind dieselben wohlbekannten Schmarotzer, die bei den 10 H-Ausgaben noch einen Rabatt vom Musikalienhändler erbetteln wollen oder nach beschmutzten Exemplaren forschen. Sollte aber wirklich eine dauernde starke Benutzung der zu verleihenden Hefte eintreten, wie lange würde der Bestand einem solchen er hofften Ansturm widerstehen können, und wo wäre der Ersatz herzunehmen, wenn auch die Vorräte der nachschießcndcn Freunde erschöpft sind? Einnahmen haben die Bibliotheken nicht, sonst würde ja der ganze Zweck verfehlt sein, und die Gaben der Spender in bar sind, wie ich schon ausführte, für andere Zwecke dringend nötig. Selbst wenn die Veranstalter über Hunderttausende ver fügten, wenn sie Musikalien ankaufen und nach Bedarf er gänzen, ihre Beamten, Handlanger und Handwerker be solden und Mieten bezahlen könnten, so würden sie etwas längst überlebtes geschaffen haben. Warum haben die Musi kalienhändler in der Mehrzahl ihre Leihinstitute aufgegeben? Weil kein Bedürfnis mehr vorliegt. Seitdem wir die Volks- Ausgabe Breitkopf L Härtel, Edition Peters, Kollektion Lttolff, Steingräber, Untversal-Edition, die 20 L,-Ausgaben P. I. Tanger, Carl Rühle, C. F. Teich, die 10 H-Ausgaben Karl Kunz, Edition Europa und viele andere mehr besitzen, die uns zum größten Teil in vortrefflicher Revision und Aus stattung nicht nur die Klassiker und Romantiker, sondern auch vieles gute Neue zu durchaus billigen Preisen bieten, ist das Verleihen der Noten fast ganz aus der Mode gekommen. Wie oft habe ich schon darauf hingewiesen, daß ein Vergleich zwi-
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