Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.07.1891
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1891-07-08
- Erscheinungsdatum
- 08.07.1891
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18910708
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189107081
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18910708
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1891
- Monat1891-07
- Tag1891-07-08
- Monat1891-07
- Jahr1891
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
3972 Nichtamtlicher Teil. 155, 8. Juli 1891. einer schonungsvollcn Einsicht des Staates entspricht cs, daß dieser bei seinen Vorschriften für die Schul-Lehrbüchcr sich auf allgemeine Gesichts punkte beschränkt, im übrigen der Schulleitung und Lehrerschaft die freie Wahl überläßt. Daß aber das Staatsmonopol der Schulbücher, wenn einmal durchgcsührt, sich auch auf die Lehrbücher der Hochschulen und damit naturgemäß auch aus die vorgctragenc Lchrmcinung ausdchncn muß, ist nur folgerichtig. Welcher Art diese Lehrmeinung sein wird und wie leicht cs extremen Parteirichtungen gemacht werden wird, unter dem Staatsmono pol die Köpfe der Jugend zu verwirren, davon erzählt der Verfasser selber ein lehrreiches Beispiel (Seite 62), obwohl cs vollkommen gegen seine eigenen Vorschläge beweist: »Der Lehrer fragte unter anderem (beim Unterricht in der preußischen Geschichte): Woran ist Friedrich Wilhelm IV. gestorben? Der Schüler antwortete: An Gehirnerweichung. Der Schul rat verbesserte: Nein! Er ist ani Undank des Volkes gestorben.» — Der Verfasser arbeitet hier also gegen seine eigene, mit Wärme bc- bckundetc Ueberzeugung. Zwar verwahrt er sich gegen eine solche An nahme mit der seltsamen Begründung: -Dies ist die Beweisführung von Kauflcutcn, welche fürchten, daß ihnen das Absatzgebiet für ihre Handelsartikel verkleinert werden wird. Aber der Kulturfortschritt wird den Schulbuchhandcl als Privatlndustric ebenso aus dem Dasein streichen, wie er andere Berufsarten beseitigt hat, z. B. die Astrologie (!)», indessen kennzeichnet die Betrachtung des Schulbüchcrmonopols als -Kulturfortschritt- hinlänglich die Beweiskraft der obigen Ausführung, und der deutsche Schulbuchhandcl wird sich daher auch über seine sonder bare Zusammenstellung mit der ehrwürdigen Zunft der Magier und Sterndeuter trösten können. Weniger trostreich klingt cs, daß der Ver fasser die Monopolisierung der Univcrsitätslchrbüchcr keineswegs ver wirft, sondern nur für die unmittelbare Gegenwart als noch nicht nötig hinstellt. Er eröffnet also der staatlichen Wirksamkeit ein aus sichtsreiches Arbeitsfeld und gedenkt dem Buchhandel eine ganz empfind liche Niederlage zu bereiten. Zum Glück geschieht die Begründung seiner Vorschläge, bei der dem Sclbstbcwußtsein des Lehrers kein Zoll vergeben wird, in einer so harmlosen, nicht selten an unfreiwillige Komik streifenden Offenheit daß für den Buchhandel kaum zur Besorgnis Anlaß ist. Die Notwendigkeit des Schulbücher - Monopols schöpft er zunächst aus der Thatsachc, daß der Staat auch Heerwesen, Marine, Post, Telegraphie, Telephonic, Eisen bahnen und zum Teil auch Bergbau in eigener Verwaltung betreibe. Wie »der Fortschritt der Kultur» zur Verstaatlichung der Eisenbahnen geführt habe, so hätte auch »die Logik der Thatsachcn» längst zur Verstaatlichung des Schulbüchcrwcscns gezwungen, wenn das tu der preußischen Verfassung von 1850 versprochene Untcrrichtsgesctz gleich damals gegeben worden wäre. Welche Thatsachcn gemeint sind und worin ihre Logik besteht, verschweigt der Verfasser; wir können nur an- nchmen, daß hierunter die ganze lange Folge der auf 88 Seiten ver einigten Jercmiaden über die Schulbllchcrschrciber und deren Verleger, den Eigensinn der Direktoren, die Sparsamkeit der Eltern beim Kaufe, die Disciplinlosigkeit der lernenden Jugend u a. m. verstanden werden soll. Der Verfasser ist sich in diesem Kapitel (betitelt: -Das staatliche Schulbüchcrmonopol und der heutige Staat») allem Anschein nach selber der Dürftigkeit seiner Beweissührung bewußt, die »siebzigjährige Hartnäckigkeit des Staates- giebt ihm allerhand zu denken und so wünscht er für sich wenigstens das »Verdienst der Kühnheit- zu retten. Kühn ist freilich die unmittelbar nachfolgend ausgesprochene Hoffnung und ihre höchst seltsame Begründung: -Im Jahre 1876 hat der damalige Untcrrichtsminister vr. Falk in seiner Eigenschaft als Minister des Medizinalwescns eine Ver fügung erlassen, welche das Publikum über den Genuß des Schmalzes von trichinösen Schweinen belehrt. Es läßt sich also (!) erwarten, daß in nicht zu ferner Zeit das preußische Unterrichtsministerium das Publikum nicht nur vor den geistigen Trichinen schützen wird, welche in den Schulbüchern stecken, sondern es auch von den zahl reichen Uebcln erlösen wird, die dem gesamten Schulbüchcrwesen anhaftcn; denn diese Hebel sind zahlreicher und schlimmer als die leiblichen Trichincn.- Der Nachweis dieser geistigen Trichinose wird nun in fünf Kapiteln versucht, von denen sich eins mit den Buchhändlern, ein andres mit den Verfassern, ein drittes mit den Eltern, ein viertes und fünftes mit den Schülern und Lehrern befaßt, alle diese in ihrem zwiefachen Verhältnis zur gegenwärtigen Sachlage und zu den -Segnungen- des Monopols beleuchtet. Ein anschließendes Kapitel erörtert die Frage, welche Bücher als Schulbücher behandelt und dem Monopol unterworfen werden sollen. — Das erste dieser Kapitel, betitelt: -Das staatliche Schulbüchermonopol und die Schulbuchhändlcr» sei hier einer eingehenderen Betrachtung unterzogen. Um dem in dieser Sache sehr interessierten Buchhandel ein Bild von den Vorschlägen des Verfassers zu geben, würde cs eigentlich am besten sein das ganze Kapitel an dieser Stelle abzudruckcn und selbst für oder egen sich sprechen zulasten: der ernstlichen Bemühung einer Widerlegung cdars cs nicht. Der Verfasser bewegt sich hier in so augenscheinlich ab normem Gedankenkreise, daß beinahe jeder Satz, der eine Behauptung ausstcllt, seine Widerlegung in sich selbst findet, sofern er nicht etwa be langlos oder selbstverständlich ist. Ein Auszug aus diesem Wirrwar der Gedanken und Sentenzen mag indessen genügen. Zunächst sei bemerkt, daß der Verfasser sich das Monopol nicht als Geldquelle denkt, deren ergiebiges und regelmäßiges Fließen zu manchem Jndustriemonopo! geführt hat und vielleicht auch bei den Schulbüchern hinreichend verlockend erscheinen möchte. Besteuerungszwcckc sollen aus geschlossen sein. Wenn etwa dennoch der Verfasser, ungern zwar, sich in das Unvermeidliche schicken und eine Steuer aus seinem Vorschläge sich entwickeln sehen müßte, so würde er dieses Uebel immerhin noch er träglicher finden, als die gegenwärtige Lage des Schulbüchcrwcscns, -bei dem alle Beteiligten Schaden leiden, auch die Schulbuchhändler» (!). Nun entspricht es der durch den wahren -Kulturfortschritt» errun genen gegenwärtigen Anschauung vom Eigentum und der Pflicht des Staates, das Eigentum seiner Burger zu schützen, daß jeder Staat, der an die Errichtung eines Monopols geht, sich zunächst die Frage vorlegt, in welcher Form und Höhe die Ablösung der an dem Monopolartikcl haftenden Privatrechlc zu geschehen habe. Kein Kulturstaat kann sich hierüber hinwcgsctzcn, bei den mehrfachen Monopolprojektcn der neueren Zeit hat gerade diese Frage stets eine wichtige Rolle gespielt. Dieses Rcchtsbewußtsein wurzelt so tief, daß selbst Herr Professor Heinrichs darüber nicht hinwegschreiten kann. Demgemäß wirft wirft auch er diese Frage auf und leitet mit ihr sogar das ganze Kapitel ein. Aber merkwürdiger Weise steht seine Frage zunächst vollkommen in der Lust. Statt sic sofort zu beantworten, begnügt er sich, das Frage zeichen durch einen vielsagenden Gedankenstrich zu verlängern und zu nächst das ihm vorschwcbcnde Ideal eines Monopols zu erläutern, bei dem jeder seinen Nutzen haben müsse. Den Abschluß dieser Erläuterung bildet sodann der eben citicrte Ausspruch, daß auch die Schulbuchhändler Nutzen von seinem Monopole haben würden. Wir werden später darauf zurückkommen, worin dieser Nutzen be stehen soll, und begeben uns zunächst, nichts Gutes ahnend, auf die Suche nach einer Antwort aus des Verfassers Frage. Wir finden sic gegen den Schluß des Kapitels hin (Seite lO) und was für eine! Man wappne sich mit Geduld und höre: -Die Verleger sind des ganzen Volkes wegen da, nicht das ganze Volk der Verleger wegen. Die Rücksicht aus die letzteren darf den von mir vorgeschlagencn Kulturfortschritt (!) nichl einen Augen blick aufhaltcn. Diejenigen Verleger, deren Bücher vom Staate als vorläufig brauchbar befunden werden, bekommen dadurch kein Mono pol für ihren Verlag, sondern der Staat kaust ihnen das Verlags recht ihres Buches oder ihrer Bücher ab, entweder nach gütlicher Ucbercinkunft, oder was infolge der heutigen Konkurrenz kaum nötig sein wird, zwangsweise durch das staatliche Expropriationsvcr- fahren (!). Für die vom Staate nicht angekaustcn Bücher ist den Verlegern keinerlei Entschädigung zu zahlen. - Im Gesetzentwurf des Verfassers, de» wir oben skizziert haben, ist vorgeschriebe», daß jede Gattung der Schule, vom Gymnasium bis zur Dorfschule, und deren giebt es ja nicht allzuviele, durch das ganze Land, also den ganzen preußischen Staat oder das ganze Deutsche Reich, ein und dasselbe Lehrbuch verwenden solle. Der verhältnismäßig Beglückten, die vermöge gütlicher Zwangsvereinbarung oder des »Ex- propriationsverfahrens», noch mit dem blauen Auge davoukommcn, werden also unter allen Umständen nur gar wenige sein. Alle anderen (und ebenso mit ihren anderen nicht begnadeten Schulbüchern auch die wenigen Glücklichen, denen von zwanzig oder mehr Verlagsrechten eines -abgckaufl- worden ist), stehen außer Recht und Gesetz! Eine Theorie, wie sie haltloser kaum gesunden werden kann! Der das praktische Leben so vollkommen ahnungslos betrachtende Herr fühlt übrigens doch das Bedürfnis einer Rechtfertigung dieses Ver fahrens, dessen allzu summarische Schroffheit ihn zu bedrücken scheint. Aber wie kaum anders zu erwarten, ist diese fast noch erstaunlicher als der Vorschlag selbst. Der -Kultursortschritt- hat es ihm angcthan, und weil er sich gewöhnt hat, nicht über die vier Wände seines Schulzimmers hinauszublicken, so hält er, woraus hier schon mchr- hingcwiesen werden mußte, in geradezu unglaublichem Selbstbewußtscin sein Buch für bedeutend genug, um die Verwirklichung von dessen Vor schlägen den großartigsten Fortschritten der Neuzeit würdig anrcihcu zu können. Sollte man es für möglich halten, daß er sein ärmlich be gründetes Monopol in einem Atem nennt mit der Erfindung der Buch druckerkunst, der Photographie, der Dampfmaschine, der Eisenbahnen re, alle diese Errungenschaften einer emsig inmitten des wirklichen Lebens strebenden und schaffenden Menschheit durch seine Schulmcisterbrillc als gleichwertig betrachtend mit seiner eigenen dürftigen Idee! -Als die Buchdruckcrkunst erfunden war, fragten die Buchdrucker und Buchhändler gar nicht danach, was aus ihren Vorgängern, den Büchcrabschrcibcrn, würde. Als die Daguerrotypic und Photo graphie auskam, fragten weder die Photographen noch das Publikum danach, welches Schicksal die früheren Porträtmaler und Porträt- zcichncr traf.... Die Frachlfuhrleute wurden durch die Eisen bahnen verdrängt.... Als in der Industrie und Landwirtschaft die ersten Dampfmaschinen auskamcn und die brotlos gewordenen Arbeiter den Maschinen durch Zertrümmerung Einhalt thun wollten, da ließ der Staat die Arbeiter durch Polizei und Militär belehren, daß der Kulturfortschritt über das Schicksal großer Menschcnklassen hinweg-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder