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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.03.1887
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- 1887-03-07
- Erscheinungsdatum
- 07.03.1887
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- Deutsch
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1232 Nichtamtlicher Teil. 54, 7. März 1887. im Begriffe des Originals als eines Unicums eine mächtige Be schränkung; wo aber auch Kopieen Zulassung haben, da ist doch nur das der Kopie würdige, das verhältnismäßig seltenere Meisterwerk zulässig. Bei Raritätenkabinelten verschiedenster Art deutet schon die Rarität auf Grenze und Schranke hin. Am meisten mit den Bibliotheken vergleichbar würden die Knpfer- stichsammlnngen sein, wenn nicht gerade in unseren Tagen durch Daguerres mächtige Erfindung die Kunst zum großen Teil durch die Maschine abgelöst wäre. Und nun dagegen die Bibliotheken. Zwar ist auch ihr Gegenstand, wie wir uns zum Tröste sagen können, nicht ein schlechthin allseitig unbegrenzter. Die erste und natürlichste Grenze hat er an der Endlichkeit der Oberfläche unseres Planeten. Wie wir vor der Sorge, daß einst neben der Erdlitteratur noch die Marslitteratur u. s. w. zu berücksichtigen sein werde, einst weilen noch ruhig schlafen können, so hat auch die Zunahme der Schriftsteller eine Schranke an der Unfähigkeit des Erd bodens, eine unendliche Anzahl der Gattung llorao saxisns zu ernähren. Neben diese räumliche Schranke tritt dann noch zweitens glücklicherweise (für die Wissenschaft freilich trauriger weise) eine zeitliche. Die Litteratur, und damit die Möglichkeit der Bibliotheken, hat einen nicht gerade zu alten Anfang; sie beginnt mit der Erfindung, das Bild des Gedachten, die Schrift, auf einen leicht beweglichen Stoff zu übertragen. Zunächst nur in je einem Exemplar; denn jede Abschrift ist doch in gewisser Hinsicht ein neues Werk voll Mühe und Nachdenken, dann aber, ohne erhebliche Arbeit, als wesentliches Maschinenwerk, in un beschränkter Zahl von Abdrücken. Und in dieser unbegrenzten Zahl, zusammengenommen mit der für uns vorhandenen End losigkeit der Zukunft, liegt das Unendliche der Bibliotheken, das uns umsomehr Schrecken einflößt, als wir uns erinnern, daß erst die kurze Spanne von vier Jahrhunderten verflossen ist, während welcher uns diese Unendlichkeit vor Angen treten konnte. Wenn wir bedenken, daß aller Wahrscheinlichkeit nach in einer vielleicht nicht allzu fernen Zukunft die Produktion des neun zehnten Jahrhunderts nur als eine Art Jnknnabelnzeit erscheinen wird, so liegt darin eine ernste Aufforderung, daß unsere Biblio theken sich rüsten müssen, zur Zukunft eine bestimmte Stellung einzunehmen. Das ungeheuere Anwachsen der Litteratur in Zahlen an schaulich darzustellen kann ich unterlassen; jeder unserer Berufs genossen ist imstande sich ein Bild davon zu machen, wie es nach zwei Richtungen vor sich geht, sowohl im einzelnen Lande als durch das Hinzntreten immer neuer Teile der Erdoberfläche, und wie es namentlich befördert wird durch Verbreitung der Schulbildung, durch Erleichterung des Verkehrs, durch Erfin dungen und Entdeckungen verschiedenster Art und durch das Kürzerwerden der Kriege. Diesem Anschwellen des Bedarfs der Bibliotheken steht ja unleugbar auch eine Zunahme ihrer Mittel gegenüber, und man würde ja eine gewisse Freude empfinden beim Anblicke einer Tabelle, in welcher diese Zunahme für eine gewisse Zeitperiode in Bezug auf eine Anzahl von Bibliotheken dargestellt wäre. Aber diese Freude wird doch erheblich ver mindert durch die Erwägung, daß in derselben Periode der Geldwert, also die Kaufkraft des Geldes, bedeutend gesunken ist. Ist z. B. der Etat in einer Periode verdreifacht, der Geld wert in derselben Zeit aber ans die Hälfte gesunken, so ist, volkswirtschaftlich betrachtet, der Etat nur auf das Anderthalb fache gestiegen; nehmen wir aber hinzu, daß der Umfang der Litteratur sich in derselben Zeit etwa verdoppelt hat, so ist hier in Wahrheit nicht von einem Steigen des Etats, sondern viel mehr von einem Sinken von 100 auf 75 Procent die Rede, trotz der anscheinenden Verdreifachung. Daß es etwa so in der That mit unfern Bibliotheken steht, wird kein Kenner der Sache leugnen, und dieser Vorgang tritt in ein noch ungünstigeres Licht, wenn man erwägt, daß zu gleicher Zeit, der Zeitströmung entsprechend, der ursprüngliche aristokratische Zweck der Bibliotheken, der rein wissenschaftliche, genötigt wird, neben sich auch noch die mehr demokratische Rück sicht auf Bildung und Beruf anzuerkennen, worin uns natur gemäß namentlich die nordamerikanischen Bibliotheken vorangehe». Ja auch die Zunahme der Bevölkerung, das Anwachsen der Städte und damit des benutzenden Publikums ist hier noch nach der ungünstigen Seite hin in Anschlag zu bringen. Nicht bloß deshalb, weil das Publikum, je größer es ist, desto mehr und verschiedenartigere Werke verlangt, sondern auch deshalb, weil umsomehr verschiedene Personen gleichzeitig nach demselben Werke streben und damit der Bibliothek den Bedarf von mehreren Exemplaren desselben Buches auferlegen. Unsere deutschen Biblio theken sind zwar meines Wissens noch nicht auf die Befriedigung dieses Bedürfnisses eingegangen, höchstens haben sie ein Exemplar in der Handbibliothek des Lesesaals und das zweite zum Ver leihen bereit; doch auch hier könnte i» Zukunft der Vorgang der amerikanischen Bibliotheken dringender zur Nachfolge auf fordern. Daß die vielen »verliehen« aus den Bestellzetteln eine Mißstimmung Hervorrufen, kann man ja täglich beobachten. Bei läufig gesagt, zu dem wachsenden Publikum gehören auch die langsam, aber sicher sich mehrenden Beamten der Bibliothek selbst, die ja, wenn die erste Schüchternheit überwunden ist, zuweilen in ihren Ansprüchen an die Kasse nicht blöde sind, zumal wenn sie sich nicht auf ihren eigenen Bedarf beschränken, sondern zu gleich die Anwälte der sonstigen wirklichen oder möglichen Be nutzer spielen. Aber damit sind die wachsenden Lasten noch lange nicht nach allen Seiten hin beleuchtet. Die Bibliotheken haben die hoch ideale Aufgabe, die Erkenntnis nach der Seite der Wissen schaft, der Bildung und des Berufes zu fördern; dem steht aber schroff gegenüber die Wahrnehmung, daß das Erzeugen neuer Bücher immer häufiger aus rein materiellen Gründen, um des bloßen Geldgewinns wegen erfolgt. Und gerade diese sogenannten »Unternehmungen« sich sage absichtlich nicht Buchhändlerunter nehmungen) haben ja wohl weniger die Wissenschaft, desto mehr aber einen großen Teil des Publikums auf ihrer Seite, das danach besonders lebhaft zu verlangen pflegt. Man kann recht angst werden bei dem fortwährenden Anschwellen dieser Unter nehmungen, durch welche die Bibliotheken so häufig geradezu gegen ihren Willen zu Anschaffungen gezwungen werden. Zunächst werden sie das durch die immer mehr einreißende Sitte der Doppeltitel, sofern diese eine Menge ganz selbstän diger Werke verschiedener Verfasser in ein Ganzes zusammen- zwängen. Da wäre der Bibliothek der eine Teil oft ganz an genehm, ein anderer ist ihr völlig gleichgiltig und überflüssig, und doch ist sie genötigt das Ganze anzunehmen, schon aus Rück sichten auf ihre Kataloge. Und dabei werden diese Unterneh mungen, wenn sie gut gehen, so oft über ihren ursprünglichen Plan hinaus erweitert oder cs tverden ihnen »Supplemente« oder »Er gänzungen« angehängt, die vom Standpunkte der Wissenschaft recht gut als besondere Werke dem wiederholten Urteile über Anschaffung oder Nichtanschaffung unterliegen könnten; aber es sind ja eben Unternehmungen! Als Aushängeschild wird diesen Unternehmungen bei ihrem Beginn so oft eine Anzahl schwerwiegender Namen weltbekannter Forscher mitgegeben, von denen einige dann später gar nicht in Thätigkeit treten, andere aber auch zu der Wahrnehmung führen, daß bedeutende Männer oft recht Unbedeutendes schreiben und daß dies häufig nur Fabrikate sind, bei denen sie an ihrem durch ganz andere frühere Leistungen wohlerworbenen Ruhme zehren; diesen Ruhm hatten sie dahin, ehe sie sich zu Lohn arbeitern von Großindustriellen herabwürdigten und damit oft auf die abschüssige Bahn der Vielschreiberei gerieten. Die stets natürlich von »Meisterhand« entworfenen Illustrationen müssen dazu das ihrige thun, auch wenn man manche derselben schon als alte Bekannte begrüßt. Ganz ebenso wie diese losen Konglomerate selbständiger Werke
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