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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.01.1893
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- 1893-01-02
- Erscheinungsdatum
- 02.01.1893
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- Deutsch
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6 Nichtamtlicher Teil. 1, 2. Januar 1893. Als verantwortlicher Redakteur nimmt man aber die Gewohn heit an, die Tinte, die zu solchen Entrüstungsschreien verbraucht wird, erst 24 Stunden trocknen zu lassen; sie bleicht oft über Nacht durch den aufsteigenden Zweifel. Und so war es auch; dem Zweifel folgten Erkundigungen nach dem Thatbestande und der betreffende Protest blieb eingedruckt. Die Meinung des Herrn Böhr, daß die erhebliche Einbuße, die Allers an seinem Rufe erlitten habe, »eine künstlich aufge> bauschte Größe sei«, ist irrig Der Kunsthändler Meder hat ausgesagt, daß Allers nach der Mappe zu urteilen, auf seinen Ruf als Künstler nicht viel geben müsse. Herr Meder war doch nicht Partei, wie die Herren Boysen und Griese; seiner Aussage mußte also ein getmsses Gewicht beigelegt werden. Herr Bähr über steht im weitern Verlaufe seiner Auseinandersetzung gerade diese wichtige, sachverständige Aussage, die mit dem Urteile des Publikums genau zusammenstimmt. Denn dieselbe Empfindung muß jeder Mensch von Geschmack bei der Mappe gehabt haben, vorausgesetzt, daß seine ästhetische Bildung ausreichte, den Unter schied der künstlerischen Werte zu fühlen. Ein empfindliche Strafe für die Schädigung der Künstlerehre war also durchaus an gemessen. Anders steht es — immer unjuristisch gesprochen — mit der Buße. Die Berechnung des Schadens von 12 000 ^ erscheint — kühn. Es inag sein, daß die Allers'schen Mappen im Jahre 1891 infolge der Conitzerschen Veröffentlichung an Gang barkeit etwas eingebüßt haben. Die Künstlerchre ist jedenfalls viel leichter zu beschädigen, als die Gangbarkeit guter Werke zu hemmen. Daß die Drfferenz zwischen dem Verkauf der Mappen im Jahre 1890 und (der um ein Jahr älter gewordenen Mappen) 1891 lediglich dem Erscheinen der Conitzerschen Mappe zuzuschrelbc» wäre, ist doch eine abenteuerliche Behauptung. Wunderlich ist und bleibt, daß AllerS, nachdem er Kenntnis von der Mappe erhalten, den wahren Sachverhalt nicht gleich zur öffentlichen Kenolnis brachte. Er hätte dem materiellen Schaden durch eine Erklärung zum größten Teile Vorbeugen rönnen. Auch die ge)chädiglen Verleger konnten das thun. Das Bewußtsein, in den Hansel unbedacht eingewilligt zu haben, und die Vermutung, die Mappe werde klanglos zum Orkus hinabgehen, haben ihn vielleicht davon abgehalien, gegen die Täuschung, deren Opfer er geworden war, Einspruch zu erheben. Vielleicht war er auch über das juristische Recht, das ihm zustand, erst im Unklaren und später der Belehrung zugänglich. Ueber das moralische Recht, das er besaß, wird er keinen Augenblick im Zweifel gewesen sein. Wie dem auch sei, er hat sein Recht nicht wahrgenommen, und die Folgen fallen ihm dafür zur Last. Protestieren möchte ich aber gegen die Art, wie der Künst ler C. W. Alters in dem Bährschcn Aussatz ganz uhne Grund, wenigstens ohne stichhaltigen — geschildert wird. Nach Herrn Bähr soll nämlich daS, was AllerS beim Anblick der Mappe so sehr erregt hat, weniger der Schmerz über seinen beeinträchtigten Künstlerruf, als vielmehr der — nicht unberechtigte, sagt Herr Bähr — Aerger gewesen sein, daß hier eine Erlaubnis, die er unbedachterweise ohne jeden Entgelt erteilt hatte, zu einem ge winnreichen (?) Unternehmen ausgenutzt werden sollte. »Dies mochte ihn aus den Gedanken bringen, ob nicht aus den Bildern, die er freilich als »Trödel« und »Dreck« bezeichnet hatte, doch noch ein Gewinn für ihn selbst herauszuschlagen sei.« Eine solche Verdächtigung, die Len Charakter des Künstlers angreift, ist durch nichts zu rechtfertigen. Man erwäge nur den Thatbcstand. Alters hat dem Buchhändler Fischer das Nutzungs recht einiger Zeichnungen überlassen und laßt die Originale, da sie nach seiner Meinung keinen Wert mehr haben, »Trödel« sind, arglos in dessen Besitz. Das Recht der beliebigen Ver wertung ist dem Buchhändler Fischer aber nicht eigen, er ist wohl Besitzer, aber nicht Eigentümer. Nunmehr srägt ein Dritter wegen abermaliger Benutzung an, zu welchem Zweck, ist absicht lich unklar gelassen. Allers schreibt hierauf: »Den Trödel? Meinetwegen! aber machen Sies nicht zu wichtig!« Wäre der Künstler von solcher Geldgier beseelt, wie Herr Bähr ihm an dichtet, so hätte er in solchem Falle ohne Zweifel anders ge antwortet und zwar etwa so: »Zu welchem Zweck wollen Sie die Veröffentlichung machen, und was zahlen Sie?« Das Eigentümliche eines habsüchtigen Menschen ist nämlich, daß er immer habsüchtig ist, weil er stets zuerst an sich selbst denkt. Er fragt immer zuerst: Was kann ich dabei gewinnen? Die Antwort von Allers ist nicht die eines Habsüchtigen; es ist die eines gutmütigen Mannes. Der Gedanke an die Möglichkeit eines Prachtwerkes mag Allers wohl dunkel vorgeschwebt hoben bei dem Satze: »Machen Sie es nur nicht zu wichtig mit dem Dreck!« Herr v. Schönthan ist allerdings um den Mut zu be neiden, mit dem er nach dieser Antwort des Künstlers noch an die Herausgabe der Zeichnungen als Prachtwerk ging. Welches Recht hat aber Herr Bähr, solche psychologischen Vermutungen, die indirekt jemand der Geldgier beschuldigen, auszusprechen, ohne sie durch Gründe zu stützen? Ganz unglücklich finde ich schließlich die Versuche, den Kunst wert der Conitzerschen Mappe zu retten. »Tausende«, sagt er, »die an den Zeichnungen von Allers Freude finden und sie kaufen, werden einen Unterschied in dem künstlerischen Werte dieser Bilder und früherer kaum entdecken«. Warum nicht gar! Wenn von der neuen Mappe nur dreihundert abgesetzt sind, die wahrscheinlich fast alle von Buchhändlern vor Er scheinen der Mappe bestellt waren, wo bleiben dann die Tausende, die sie kaufen? Die Thalsache, daß nur 300 abgesetzt sind, beweist doch eben auss klarste, daß der Unterschied im Publikum sehr deutlich empfunden wurde. Die S^rtimentsbuchhändler, die die Mappe ungesehen zur Probe bestellten, blieben wahrscheinlich zum größten Teil glückliche Eigentümer dieses raren Weihnachtsgeschenks. War es nun ein Wunder, daß bei der Unverkäufiichkeil dieser neuen »Allers-Mappe« die Reisenden der Firmen Griese und Boysen mit einem Male aus sehr kühlen Empfang stießen und weit weniger Geschäfte machten, als vorher? Herr Bähr weiß wohl nicht (und diese Sachverständigkeit kann ihm auch nicht zuge mutet werden), daß der Prachlwerksverkaus sehr von der Stim mung des Sortimentsbuchhandels abhängig ist. Jeder, der im Buchhandel zu thun hat, weiß, wie außerordentlich leicht diese Stimmung schwankt; sie ist einer hochgradigen Nervosität ver gleichbar, deren Ursache in der Blutarmut zu suchen ist, an der so mancher Kollege empfindlich leidet. Ob freilich trotz der Verdrießlichkeit über die Conitzersche Mappe und den damit verbundenen Schaden eine so hohe Buße gerechtfertigt ist, mag, wer da will, entscheide». Sv unzweifel haft es mir scheint, daß die Täuschung, die »Vorspiegelung falscher Thatsachen« wie die Juristen so poetisch sagen, dem Geschäft mit den echten Mappen Eintrag gethan hat, so unzweifelhaft ist es für mich, daß die Rehabilitierung des Künstlers, die unbeab sichtigte Reklame, die der Prozeß darstellt, die Erörterungen, die sich daran knüpfen, dem Geschäft später ebenso viel Vor schub geleistet haben. Allers hätte also wohl auf eine Buße ver zichten können; daß er es nicht that, ist vielleicht dem Einflüsse anderer, vielleicht auch einer Lust, gründliche Rache zu nehmen, zuzuschreiben. Man würde ihm dies auch kaum ver denken; denn der Handel, in den er hmeingerissen wurde, ist doch gar zu schäbiger Art gewesen. Leipzig, den 28. Dezember 1892. Artur Seemann.
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