Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.07.1891

Nichtamtlicher Teil. Verein der österreichisch- ungarischen Buchhändler. Hauptversammlung am Sonnabend den 20. Jnni 1891, 3 Uhr nachmittags in Wien (I-, Wipplingerstraße 34), im Saale der niederösterr. Handcls- und Gewerbekaminer (k. k Börse). (Abdruck des Protokolls aus der Oesterrclchisch-Ungarisckien Buchhändlcr-Corrcspondenz). Tagesordnung. 1. Bericht des Vorsitzenden. 2. Bericht des Schatzmeisters. 3. Bericht der Kommission für Abänderung des Prcßgcsctzcs. 4. Antrag des Vorstandes: Aufstellung einer Stammrolle der konzessionierten Buchhändler. 5. Antrag des Vorstandes: Petition um Einschränkung der Aus gabe von Teil-Konzessionen und um präcisc Bezeichnung der damit verbundenen Verkaufsbcfugnissc. 6. Antrag des Herrn Wilh. Müller: Abänderung der Ver- kchrsordnung. 7. Teilweise Neuwahl des Vorstandes. Vorsitzender: Herr Rudof Lcchner. Schristsührcr: Herr Franz Deutickc. Kassierer: Herr C. Aug. Artaria. Anwesende: Hr. Wilh. Altmann, Wien. Hr. „ Dr. A. Bauer, Wien. „ Fried. Beck, Wien. „ Aug. Berger (Winiker's Hof- buchh), Brünn „ Emil Berts, Wien. „ Dr. Max Breitenstein, Wien. „ Th. Daberkow, Wien. „ Ernst Dicgcl, Wien. „ vr. Alex. Dorn, Wien. „ Anton Einslc, Wien. . Jacq. Eisenstein, Wien. „ Anton Folk, Wiener-Neu stadt. „ Rob. Friedländcr, Wien. „ Otto Friese, Wien. „ Ladislaus Gubrynowicz, Lemberg. „ Th. Gruß (H. Dominicus), Prag. ,, V. A. Heck, Wien. „ H. Hcick, Wien. „ Ioh. Huber, Wien. „ S. Kende, Wien. „ H. Kerber, Salzburg. „ A. Köhler, Wien. „ Carl Koncgen, Wien. Außerdem tvaren durch Vollmachten Carl Kravani, Wien. Karl Kübasta, Wien. A. W. Künast, Wie». F. Kutschera, Steyr. A. Lehmann, Wien. M. Peter Liepsch, Neun kirchen. R. Löwit, Wien E. Mänhardt, Gmunden. Ludwig Mayer, Wien. A. Mejstrick, Wien. Henry E. Millard, Wien. Robert Mohr, Wien. Wilhelm Müller, Wien. M. Perles, Wien. Adolf Robitschek, Wien. F. Rörich, Wien. Josef Rubinstein, Wien Jul. Schellbach, Wien. A. Schneider (Sallmaycr L Co ), Wien. August Schulze, Wien. Victor Schurich, Wien. M. Stein, Wien. R. Trampusch, Ried. Eduard Weiger, Wien. Carl Winkler, Brünn. Herrn. Winkler, Wien. 16 Stimmen vertreten. Der Vorsitzende begrüßt die Anwesenden und dankt für ihr zahlreiches Erscheinen, aus welchem Umstande er mit Genug- thuung konstatiert, daß das Interesse an den zur Verhandlung kommenden Gegenständen ein sehr reges ist. Es wird hierauf die Präsenzliste verlesen und die aufge rufenen Herren ersucht, sich zu erheben, um die Anwesenden gegenseitig bekannt zu machen. Nachdem der Vorsitzende Herrn Anton Einsle ersucht, das Protokoll zu führen, schreitet er zur Erstattung des Rechen schaftsberichtes über die abgelaufene Geschäftsperiode. Meine Herren! Seit der letzten Hauptversammlung vom 30. Juni 1890 hat der Verein vier Mitglieder durch den Tod verloren Am 14. Oktober 1890 starb Herr PaulCieslar in Graz in dem frühen Alter von 48 Jahren. Am 22. Februar 1891 starb Herr Moritz Trömel hier, 52 Jahre alt. Durch 22 Jahre hatte er die Brockhaus'sche Filial-Buchhandlung geleitet und am 1. Oktober 1883 ein selbständiges Geschäft eröffnet, ohne seine Stellung bei Brockhaus aufzugeben. Er war ein tüchtiger Fachmann AaV.undsünszlgster Jahrgang. und wegen seiner liebenswürdigen Eigenschaften allgemein geschätzt. Ein tückisches Lungcnleiden setzte seinem thätigeu Leben leider ein frühes Ende. — Am 27. Februar 1891 starb ferner Wilhelm Fröhlich in Bielitz im 59. Lebensjahre. Seine Persönlichkeit wird den meisten anwesenden Herren aus der Hauptversammlung vom Jahre 1889 in Erinnerung sein. — Am 13. Mai 1891 ist Herr Hugo Pauli hier einem Schlagflusse plötzlich erlegen. Er war im Jahre 1818 zu Elm in Kurhessen als Sohn eines protestantischen Pfarrers geboren und kam nach absolviertem Gymnasium zu Schaumburg hier in die Lehre, welche Buchhandlung damals das vornehmste Sortiments-Geschäft war, wo er auch als Gehilfe noch anderthalb Jahre zubracbte, dann drei Jahre bei Jügel in Frank furt a. M. servierte und durch zwei Jahre dessen Filiale in Kissingen leitete. Im Jahre 1846 kam er in Carl Gerolds Sortiment, welches er 1867 mit Herrn Demuth käuflich erwarb und im Vereine mit diesem das schon sehr ansehnliche Geschäft zu einer Firma ersten Ranges cmporhob. Er' war ein ganz ungewöhnlich begabter Buchhändler und namentlich in der ausländischen Litteratur außerordentlich bewandert. Durch sein höchst angenehmes und liebenswürdiges Wesen war er bciallen, die ihn kannten, ungemein beliebt und geachtet. Nachdem er zwei Söhne durch den Tod verloren (einen im Alter von 23 Jahren, was ihm wohl sehr nahe ging und seine sonst gute Gesundheit untergraben haben mochte), folgt ihm im Geschäfte sein Sohn Hugo, dessen Tüchtigkeit im Vereine mit dem noch immer sehr rüstigen Freunde Demuth für das Fortblühcn dieser größten hiesigen Sortiments-Buchhandlung die beste Gewähr bietet. Die Thatsachc, daß die beiden Compagnons im besten Einvernehmen durch fünfundvicrzig Jahre zusammen arbeiteten, spricht wohl am besten für die vortrefflichen Charaktere der beiden Freunde. Er hat ein Alter von 72 Jahren erreicht. — Von Nichtvcrcinsmitglicdcrn starben am 12. Juli 1890 Herr L. Alex. Mayer im Alter von 84 Jahren, der ehemalige Besitzer der angesehenen Firma Mayer L Co , welche am 1. Juni 1862 in den Besitz seines Sohnes, Herrn Ludwig Mayer, überging; am 7. September 1890 Herr Jul. Engelmann; am 2. Oktober 1890 Herr K. B. Kober in Prag und am 7. November 1890 Herr Friede. Schuster in Lienz. — Bon hervorragenden Mitarbeitern starben in dieser Zeit Herr Jngenmey, Herr Peter Keller (Prokuristen) und Herr Alfred Grenser (Korrespondent), alle drei bei der Firma Brau müller L Sohn angestellt, welche durch diese so rasch nacheinander ein- gctretenen Todesfälle schwer getroffen wurde. — Ich möchte Sie bitten, zum Zeichen Ihrer Teilnahme sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Von den Aufgaben, die Ihr Vorstand zu erledigen hatte, steht in erster Linie die Revision des Prcßgcsctzcs, für welche in der Haupt versammlung vom Jahre 1888 eine Kommission eingesetzt wurde, lieber die Thätigkeit dieser Kommission referierte Herr E. Aug. Artaria in der Versammlung vom Jahre 1890, und wurde das Mandat erneuert. Aus Opportunitätsgründen beschloß das Komitee, statt der ursprünglich beab sichtigten Vorlage eines neuen Prcßgcsctzcs nur ciuc Petition auszu- arbeitcn, in welcher das Hauptgewicht aus die Freigabe der Kolportage gelegt wurde. Obwohl nun der Ausschuß diese Petition mit einer Ab änderung annahm, so wurde dieselbe dennoch nicht überreicht, weil nach Abdruck des Protokollcs der betreffenden Ausschußsitzung durch Herrn Trampusch in Ried eine Agitation dagegen cingeleitet wurde. Der Protest lautet: -Wir protestieren gegen die Eingabe des -Entwurfes Konegen in Sache der freien Kolportage- als Rcichsrats-Petitiou, da der Inhalt dem Großteil des österreichisch-ungarischen Buchhandels unbekannt ist und von keiner Hauptversammlung approbiert wurde. Wir verlangen, daß der Entwurf Konegen unseren Bcrtraucns- männern, den Obmännern des österreichisch-ungarischen Buchhändler- Vereines für die einzelnen Kronländer, zur Begutachtung vorgc- lcgt werde. Weiters verlangen wir, daß obgenannter Entwurf des Herrn Konegcn dcni Plenum der Hauptversammlung vom 20. Juni l. I. zur Beratung, respektive Beschlußfassung, unterbreitet werde.» Von diesem Proteste erhielten wir 88 von Bcreinsmitglicdcru und 98 von Nicht-Vercinsmitgliedern. Also zusammen 186 Proteste. An gesichts dieser beachtenswerten Kundgebung beschloß der Ausschuß auf Antrag des Herrn W. Müller, in Anbetracht daß die Hauptversammlung vor der Thüre war, den Beschluß zu reassumieren und die Petition auf die Tagesordnung zu stellen Gleichzeitig wurde die Petition vollin haltlich in der Correspondenz abgcdruckt*) und je ein Exemplar an die Obmänner der Sektionen versandt und um Begutachtung gebeten. Wenn auch dieser Ausschub besonders den beide» anderen Korporationen gegen über sehr zu bedauern war, weil er unsere Kommissions-Mitglieder in eine nicht angenehme Position brachte, so glaubten wir doch verpflichtet zu sein, die Stimmen aus den Kronländcrn zu hören und setzten des halb die Petition auf die Tagesordnung. Jedenfalls müssen wir die Aufopferung, mit welcher die Kommissions-Mitglieder in vielen zeit raubenden Sitzungen die Angelegenheit beraten haben, aufs dankbarste ») Vcrgl. Börsenblatt No. 119. 514