Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.12.1893
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1893-12-04
- Erscheinungsdatum
- 04.12.1893
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18931204
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189312045
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18931204
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-04
- Monat1893-12
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
portage-Romane und namentlich derjenigen, welche einzig den Anlaß der sittlichen Entrüstung bieten, nur einen mäßigen Bruch teil seines Absatzes ausmacht. Es ist vor allem bei diesen Zahlen hervorzuheben, daß sie nur von reinen Kolportage-Geschäften herriihren, und es ist sogar hervorzuheben, daß den Vereinen, welche die Statistik aus gestellt haben, solche Geschäfte ferner stehen, deren Betrieb die minderwertige Litteratur weniger bevorzugt; diese Zahlen geben also sicher ein Resultat, das dem, was wir beweisen wollen, höchst günstig ist. Es ist außerdem in Betracht zu ziehen, daß die beiden Ver eine die Angaben über den Absatz kompletter Werke, namentlich der Volkskalcnder, ganz ausgeschlossen haben, der bei den Grossisten doch immerhin 20,610/, ausmacht; der Münchener Verein hat davon nur Reisebücher (0,53 o/o) und Jugendschriften (7,73 0/o) angegeben. Wären die Erhebungen über diesen Teil vollständiger geschehen, so würde auch dadurch die Verhältnisziffer für den IO-Pfe»nig-Roman noch erheblich hcrabgcdrückt werde». Der Absatz von Familien-Journalen ergiebt bei den Grossisten 43,390/,, der Romane 9,84°/,, bei dem Braunschw. Verein 61,470/,, der Romane 18,210/,, bei dem Münchener Verein 52,52 0/,, Romane 20,65 0/,. Leider haben die beiden Vereine in ihren Statistiken den Absatz der Volksromane nicht spezialisiert, wie der Grossist, bei welchem die Ritter-, Räuber- und Sensationsromanc zusammen 3,20°'g des gesamten Umsatzes ausmachen, also etwa '/z der Romane überhaupt. Nehmen wir ein ähnliches Verhältnis bei den Vereinen an, so würde das in Braunschweig 6,07o/g, in München 6,88 "/g, im Durchschnitt also 5,38 °/g ergeben. Und wegen dieser 5,38«/,, welche der Umsatz der geschmähten Schund- und Schauer-Romane im Volks buchhandel ausmacht, will man diese ganzen Zweige des Buchhandels vernichten und den größten Teil des Ge samt-Buchhandels in seiner Erwerbsfähigkeit so herab- drückc», daß er der Zukunft mit großer Bangigkeit ent gegensetzen müßte. Mau sieht aus diesen wenigen Gegenüberstellungen, daß die Bedeutung des Romans gar nicht so erheblich ist; er wird im Gegenteil von den besseren Werken überwuchert, und wenn mau den natürlichen Verlauf der Dinge sich ruhig vollziehen ließe, würde der Roman, insofern er wirklich anstoßerregend ist, bald ganz verschwinden, je mehr die bessere Litteratur sich ausbreitet, denn der Absatz dieser geschmähten Romane vermindert sich von Jahr zu Jahr. Zur Zeit als die Kolportage sich auszubreiten begann, dürften nach Schätzung etwa 90 0/, dieser Litteratur ihr zugefallen sein. Vielleicht gelingt es, eine Statistik auch darüber noch zu erlangen, um darzuthun, daß das Volk sich seine Litte ratur selbst heranzieht und daß es dazu keiner Gesetze bedarf; dem gegenwärtigen Gesetze kann man das Verdienst nicht etwa zuschreiben, die Litteratur verbessert zu haben; denn gerade unter seiner Herrschaft haben die Sensationsromane wie »Scharfrichter Krauts« nnd andere jene fabelhasten Erfolge erzielt; das Gesetz hat dem Guten die Wege gehindert, das Schlechtere hat sich trotzdem Bahn gebrochen. Wenn diesem die Erfolge streitig gemacht werden sollen, so kann es nur geschehen, daß man es im freien Wettkampf mit dem Besseren bestehen läßt. Die Gesetzesvorlage geht aber mit ihrer Wirkung weit über den Volksbuchhandel hinaus, trifft auch neben dem Sortiments buchhandel de» höchst wichtigen Reisebuchhandel.*) Ueber diesen können wir mit Zahlen allerdings nicht dienen ; daß aber auch er ein nicht zu missendes Glied in der Kette der buchhändlerischen Gewerbe ist, dürfte keinem entgehen, der sich die Mühe nimmt sich darüber zu unterrichten. Dem Reisebuchhandel liegt wesentlich der Vertrieb der grö *) Vielleicht werden durch diese Darlegung einige größere Reise- geschästc veranlaßt, ähnliche Erhebungen wie vorstehende anzustellen. ßeren künstlerischen, technischen und populär-wissenschaftlichen Werke ob, deren Interessenten ausgesucht und aufgemuntert sein wollen. Nur der freien Bewegung, welche seit Einführung der Gewerbe ordnung dem Buchhandel gestattet war, ist es möglich geworden, solche monumentale Werke, wie Brockhaus' und Meyer's Kon versationslexikon, zu schassen, die nur durch immense Auflagen im stande sind, die Kosten für die Sorgfalt des Inhaltes und der Ausstattung hereinzubringen, und solche Auflagen sind eben nur zu erzielen durch jenen intensiven Vertrieb, den der Kolportage- und der Reisebuchhandel geschaffen haben. Neben diesen und ähnliche» Werken, z. B- Buch der Erfindungen rc., sind es insbesondere technische Werke, die sowohl in die Ateliers der Architekten, die Osficincn der Ingenieure, als auch in die Werk stätte des Handwerkers wandern, um ihnen Aufklärung und Fort bildung in ihrem Geschäfte zu bieten, sie anzuregen, über ihrer Hände Arbeit nachzudenken, und sie dadurch im Kampfe ums Dasein zu stärken, ihren Intellekt zu wecken und wachzuhalten. Man wird sich schwer der Ansicht anschließen können, daß den Antragstellern diese Verhältnisse gänzlich unbekannt geblieben wären. Es würde wenigstens ein Zeichen größter Leichtfertigkeit sein, wenn sie niit derartigen in das Erwerbsleben vieler Tausende eingreifenden Bestimmungen ohne genaue Kenntnis der Sachlage so viele ihrer Mitbürger wirtschaftlichem Elend überantworten wollten. Wir können selbst nicht glauben, daß bloß um des leidige» Volksromanes willen, um ihn durchaus zu verdrängen, so vieles Gute niit vernichtet werden soll. Es drängt sich vielmehr die Ueberzeugung auf, daß auch dieses überwiegende Gute, das der Buchhandel von Haus zu Haus verbreitet, den Antragstellern oder ihrer Partei ein Dorn im Auge ist. Das Volk soll an dem Volksroman nicht lesen lernen, damit es durch das Lesen anderer Dinge nicht zu selbständigem uild freiem Denken gelange und das Vertraue» zu denjenigen verliere, die allein glauben im Besitz der religiösen, sittlichen und wirtschaftlichen Wahrheit zu sein. Das Wort »Bildung macht frei« ist ihnen verhaßt, sie wollen keine freien Bürger und daher wollen sie auch keine Bildung. Je dümmer das Volk, desto besser! Das ist ihre Devise. Wer aber nicht auf diesem Standpunkt steht, der wird dem Volke weder das unschuldige Vergnügen erheiternder Lektüre, noch das Studium aufklärender und belehrender Bücher verkümmern lassen wollen. Der Arbeiter hat ebensogut das Bedürfnis, nach des Tages Last und Hitze sich der Erholung hinzugeben, und wir wüßten nicht, wie er die dazu gegönnte Zeit besser anwenden könnte, als durch Erweiterung seines Gesichtskreises, die ihm der Volksbuchhandel durch die ins Haus getragenen Bücher ermöglicht. Handelt es sich aber wirklich um die Unterdrückung schlechter Bücher, so möge man nicht einseitig Vorgehen, sondern da an fangen, wo die meisten schlechten Bücher sich breit machen und wo sie weit verderblicher zu wirken imstande sind, als bei denjenigen, die auch bei geistiger Kost eine derbere Zubereitung vertragen können, als Leute, deren Gefühl von Jugend auf an eine feinere Unterscheidung gewöhnt ist. V. Mittel zur Abwehr. Im Vorstehenden habe ich darzulegen versucht, 1) welche Mißstände das gegenwärtige Gesetz hervorge rufen hat; 2) die durch die geplante Gesetzgebung in Aussicht stehende Vernichtung des reisenden Buchhandels; 3) die Irrigkeit der Anschauung von der Gefährlichkeit des Volksbuchhandels und eine Darstellung der Litteratur, welche durch das Gesetz betroffen werden würde. Es handelt sich nun darum, schließlich sich der Mittel bewußt zu werden, mit welchen man gegen die drohende Gefahr ankämpfen kann, ja wir werden uns nicht der (Überlegung entziehen können, wie auch gegen die Schäden der gegenwärtigen Gesetzgebung l solche zu finden sind.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder