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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.10.1893
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1893-10-16
- Erscheinungsdatum
- 16.10.1893
- Sprache
- Deutsch
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6152 Nichtamtlicher Teil. 241, 16. Oktober 1893. Vttcherfeinde. Der Nationalzeitung entnehmen wir mit gefälligst erteilter Erlaubnis die folgende anmutende und belehrende Besprechung eines kürzlich in London erschienenen Buches: Andrew Long, der vielseitige Professor ok kolk lore, hat auch ein »Dbs lüdrurz?« betiteltes Buch geschrieben, das nun mehr bei Macmillan in London in zweiter Auflage erschienen ist. Wer darin ein nützliches Handbuch für Bibliothekare und solche, die es werden wollen, vermuten möchte, würde jedoch irren. Long ist eben auch ein vielseitiger Sportsman und so hat er es unternommen, ein sehr amüsantes Buch für Bibliophilen zu schreiben, was, wie wir gleich zugestehen müssen, ihm in vollem Maße gelungen ist. Er selbst sagt uns, daß das Buch für Liebhaber bestimmt ist, und zwar besonders für noch grüne Bibliophilen, die er darüber belehren will, wie sie ihre Bücher in Ordnung und in gutem Zustand erhalten, und was sie er werben und was sie meiden sollen. Es will auch kein gründ licher Wegweiser sein, aber es giebt dem Anfänger in anmuten der Form ebenso nützliche Winke und mag ihn dadurch zu um so größerem Eifer anregen. Wir wollen uns im Folgenden nur mit demjenigen Teile des Buches beschäftigen, der sich mit der Erhaltung der Bücher beschäftigt, einerseits, weil er auch für weitere Kreise, als sie Andrew Long im Auge hat, Interesse besitzt, anderseits, weil er der für die Absicht und Eigenart des ganzen Buches am meisten charakteristische ist. Insbesondere! wollen wir den von Andrew Long gehaßten und mit allen Waffen des Zornes, des Humors und schärfsten Witzes bekämpften Bücherfeinden unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Im Beginn seiner Auseinandersetzungen geht Andrew Long systematisch vor, und auch sein Ton klingt da ganz schulmeister lich. »Der Raum, in dem die Bücher untergebracht werden«, sagt er, »muß trocken, licht und luftig sein.« Ihr erster großer Feind, fährt er fort, ist dumpfe, feuchte Lust. Und er giebt eine ganze Reihe von Ratschläge», wie diese abzuwehren sei. Die Handbibliothek könne man in offenen Schränken aufstellen, nur sei darauf zu achten, daß die Bücher nicht die Mauer be rühren. Hingegen tritt er entschieden dafür ein, daß wertvollere Bücher in geschlossenen Glasschränken zu verwahren seien. Da durch Mangel an Ventilation die Schimmelbildung befördert werde, so ist er der Ansicht, die Schränke an sonnigen Tagen offen zu halten; aber am Abend möge man sie wieder schließen/ damit nicht Motten ihre Eier hineintragen. Die Bücherbretter wünscht er mit Sammet oder Chamoisleder gefüttert zu sehen, damit kostbare Einbände nicht durch die Berührung mit dem Holz leiden. Ferner empfiehlt er auch, die Rückwand mit Leder zu überziehen, um die Feuchtigkeit fern zu halten. Und so ver- steigt er sich zu immer kostspieligeren Forderungen, bis er endlich seinen Lesern als mustergiltiges Beispiel einen Bibliophilen vor stellt, der behauptete, daß ein Mensch überhaupt nur ein Buch auf einmal lieben könne, und der seinen jeweiligen Liebling stets in einer schön ausgestatteten Lederschachtel mit sich herumtrug. Glasschränke schützen die Bücher vor allem auch vor Staub, dem zweiten großen Bücherfeind. Long fordert kategorisch, daß der Liebhaber seine Bücher von Zeit zu Zeit selbst reinige. Selbst Samuel Johnson habe das gethan, der doch sonst so wenig auf Aeußerlichkeiten gehalten habe. Nichts sei an einem Buch so häßlich, als schmutzige Daumenflecken, und Long macht nachdrücklich darauf aufmerksam, daß gewöhnlich der von oben her zwischen die Blätter eindringende Staub das Material zu solchen Verunstaltungen liefere. Darum empfiehlt er, die Bücher oben mit Goldschnitt zu versehen, das sei das beste Schutzmittel gegen eindringenden Staub, der nicht nur Hauptursache der Be schmutzung, sondern auch die Brut- und Wohnstätte für Bücher würmer abgebe. Auch deren mörderische Arbeit könne man überall beobachten. Schon Lucia» weiß von ihnen zu berichten, und während man in Byzanz die Gefräßigkeit einer schwarzen Art dieser Würmer verwünschte, schreibt Blades derartige Schäden in der Bodleiana einer weißen Sorte zu. Der gelehrte Mentzelius hörte den Bücherwurm gleich einem Hahn krähen, wozu Blades bemerkt, daß es überhaupt wenig Leute gebe, die einen Bücher wurm gesehen hätten; sicherlich hätten aber noch wenigere sein Krähen vernommen. Nachdem Andrew Long noch der Gasbeleuchtung gebührende Beachtung gewidmet hat, geht er auf die Bücherfeinde in Menschen gestalt über. In erster Linie nennt er da verständnislose Eigen tümer, die in roher Weise einen vollen Bierkrug als Lesezeichen aus das aufgeschlagene Buch stellen, oder Vorstcckblätter kostbarer Bücher als Fidibus benutzen, auf die Blattränder ihre mehr oder minder weisen Glossen hinschmieren oder andere ebenso unver antwortliche Verbrechen begehen. Dann kommen die Büchereni- lehner an die Reihe. Zunächst konstatiert Long, daß unter den Bücherfreunden von jeher in Bezug aus das Verleihen ihrer Bücher zwei entgegengesetzte Meinungen geherrscht haben. Es hat immer schöne Seelen gegeben, sagt er, die es als ihre Pflicht erachteten, Bücher, deren Lektüre ihnen Nutzen und Freude be reitet hatte, unter ihren Freunden die Runde machen zu lassen. So hat sich Pirkheimer von Dürer ein Bücherzeichen zeichne» lassen mit der Inschrift: »8idi st amieis« und Grolier führte ein solches, auf dem die Worte standen: »äo. Krolsrii st awi- eorum«. Savigny ließ das seinige gar verkünden: »non midi ssä aliis«. Die Mehrzahl der Bücherfreunde huldigt jedoch einer entgegengesetzten Ansicht, und demgemäß lautet auch die Sprache ihrer Bücherzeichen ganz anders. Long citiert mehr oder minder zarte Mahnungen wie: »Der Gottlose borgt und giebt nicht zurück«, oder »Geh' zu denen, die verkaufen, und kaufe selbst«. Guilbert de Pixöricourt ließ über die Thür seiner Bibliothek die Inschrift setzen: »Del sst ls trists sort äs tont livrs xrötä, 8ouvent il sst psräu, toujours il sst pKts«, und benahm sich demgemäß jedem gegenüber, der von ihm ein Buch entlehnen wollte. Auch Andrew Long sieht in den Bücher- entlehnern Menschen, deren letzter Gedanke es ist, ein aus geliehenes Buch zu lesen, und deren vorletzter Gedanke, es zurückzuerstatten. Eine besonders eingehende und ebenso interessante Be sprechung widmet er den Bücherdieben. Im Eingänge diese- Auseinandersetzungen citiert er William Blades, der mit groß herziger Toleranz von ihnen sagt: »Wenn sie auch die Eigenr tümer schädigen, so thun sie doch den Büchern nichts, da sie diese bloß von einem Schrank zu einem andern tragen.« Das giebt natürlich über den ethischen Charakter des Bücherdiebes zu denken. Derselbe sei nicht immer ein schlechter Mensch, und in älteren Zeiten, wo man sich noch feiner auszndrücken liebte und auch die Moralisten noch nicht jeder Höflichkeit bar waren, sagten die Franzosen nicht: »un volsur äs livrss«, sondern »un ollipsur äs livrss«. Jules Janin erwähnt einen großen Pariser Buchhändler, der jedes Buch, das in den Bereich seiner Hände gelangte, alsbald einsteckte. Jedermann kannte diese seine Schwäche, so daß, wenn ein Buch bei einer Auktion, bei der er anwesend war, fehlte, es ohne weiteres ausgerufen und diesem seltsamen Enthusiasten zuerkannt wurde, der den Preis, den es erreicht hatte, regelmäßig bezahlte. Oder wenn er Bücher besichtigen ging, wurde er beim Hinausgehen von dem Aufseher gefragt, ob er nicht zufällig einen Elzevir oder einen Aldus bei sich habe, woraus er in seinen Taschen herum suchte und das betreffende Buch mit den Worten herausgab: »Ja, ja, da ist es; ich bin Ihnen sehr verbunden; mein Gott, ich bin so zerstreut«. Janin erzählt auch von einem englischen Edelmann, der dieselbe üble Gewohnheit hatte, aber freilich schließlich der Pariser Polizei in die Hände fiel. Auch Jules Janin vermag über solche Individuen nicht den Stab zu brechen, da sie eben Freunde der Bücher seien, und Andrew Long sucht diese Ansicht in einer witzigen aristotelischen Abhandlung über Bücher damit zu begründen, daß er sagt, der Bücherdieb sei
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