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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.11.1893
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- 1893-11-02
- Erscheinungsdatum
- 02.11.1893
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6584 Nichtamtlicher Teil. 255, 2. November 1893. das Sujet treffend und ausfällig zu machen und zwar so, daß es seinem Zweck: in dem wogenden Menschenstrom der Großstadt zu interessieren, auszusollen, entspricht. Dabei weiß er seine Stoffe vorzüglich zu unterscheiden. Zwischen den leuchtenden Farben eines Theaterplakats und den düsteren einer Ankündigung von Zolas Buch »Im Torrs« oder den »U^störss ito Toris« ist ein himmelweiter Unterschied. Im Gegensatz nun zu diesen fran zösischen Arbeiten, die mit sicherem Griffe ein einziges charakte ristisches Motiv aus dem gegebenen Stoffe herausgreifen und es keck aufs Papier bringen, tiftelt der Deutsche an seiner Plakat zeichnung so lange und so viel, bis es vor lauter Details an einer einheitlichen Idee mangelt. Dabei soll nun durchaus nicht gesagt sein, daß diese Erzeugnisse jenen in technischer und künst lerischer Beziehung unterlegen seien: im Gegenteil, sie sind häufig mit einer Liebe, einer Verschwendung an geistreichen Einzel heiten gemacht, die wir bei dem Franzosen nicht finden — aber als Plakate müssen sie eben zurückstehen. Dazu kommt noch, daß der Deutsche sich selten in der Formatgröße wie der Fran zose bewege» kann, da bei den vielen Farben, die wir verwenden, und den schwierigen Farbcnplattcn die Kosten unerschwingliche sein würden. Auch die Schrift wird bei den Franzosen möglichst beschränkt und der Zeichner kann daher über den Raum für die Hauptfigur frei disponieren, während bei uns immer »möglichst viel draufstehen« muß. Auch in der Wahl der Sujets macht sich der Unterschied zwischen französischen und deutschen Plakaten sehr bemerkbar, und man muß sagen, daß die ersteren auch hier wieder das Richtigere treffen. Das Sujet eines Plakates muß aus dem Augenblick für den Augenblick erfunden sein, es soll den Nagel auf den Kopf treffen und ohne weite Umschweife sagen, was es will — es muß also modern und volkstümlich sein. Das nun erkennen die Pariser Zeichner, indem sie dem Volk moderne, bekannte Gestalten Vorsichten, während der Deutsche gern Anleihen bei den Alten macht und ein zwar den Kenner durch geistvolle Komposition und stimmungsvolle Farben ent zückendes Tableau sertigstellt, an dem aber der Strom des Volkes achtlos vorübergeht. Ueber das Technische bei der Herstellung dieser Plakate Chörets ist folgendes zu bemerken: Die Skizze wird meistens in Pastell angefertigt, dann werden die Umrisse der einzelnen Farben auf die betreffenden Steine übertragen und dann alle Stellen, die nicht zu den jeweiligen Tonplatten ge hören, mit Gummi abgedeckt; darauf werden die Platten in der obenerwähnten Weise gespritzt und der Künstler hat es in der Hand, von den zartesten bis zu den tiefsten Nüancen zu arbeiten Die amerikanischen Plakate stehen nun zwischen de» Erzeugnissen der oben erwähnten Länder. Während sie einerseits in Bezug auf subtile und klare Ausführung der einzelnen Platte den deutschen nahestehen,, sind sie in Bezug auf Sujetausfassung den französischen ähnlich. Auch hier finden wir als erstes Ziel: Wirkung und wieder Wir kung. Gegen die Hauptfigur eines Plakates muß alles andere zurücktreten, und die Schrift wird mitunter ganz vom eigentlichen Plakate verbannt und auf einen besonderen Streifen gedruckt, der angehestet wird. Dabei sind die Plakate häufig von einer enormen Größe; solche, die eine Fläche von 1: i/, Metern haben, sind sehr häufig und nicht selten, — in Chicago z. B. oft 10 bis 12 nebeneinander -— sieht man solche von 3 bis ösacher Größe. Ein solches Riesenplakat, »der Pferde- Markt«, das ca. 3: 6 Meter groß ist, hat W. I. Morgan L Co. in Cleveland Ohio in Chicago ausgestellt. Es besteht aus 20 Stücken, und da es in 8 Farben gedruckt ist, so waren dafür 160 Steine erforderlich. Ist nun zwar der Boden einer seits allem, was Reklame heißt, in Amerika außerordentlich günstig, und giebt es deshalb für Plakate aller Art ein reiches Absatz gebiet, so muß doch auch anderseits betont werden, daß bei uns eine viel größere Zurückhaltung von seiten der Hauptab nehmer der Amerikaner: der Theater, beobachtet wird. Jedes Theater, und stände .es selbst nur im Range einer deutschen kleinen Chansonettenbühne, muß in Amerika seine 9 bis 10 ver schiedenen Plakate jede Woche, resp. bei jedem neuen Stück haben. Diese werden nun in großer Auflage gedruckt, denn jede Kneipe der Stadt bekommt ein solches und hat die Verpflichtung, es gegen Erhalt eines Freitickets zum Theater so lange auszustellen, als das betreffende Stück gegeben wird. Infolge dieser Dekorationen in allen Restaurants und Apotheken — und diese beiden Institute sind zahlreich wie Sand am Meer in Amerika — machen natürlich die Straßen einen ungemein farbenreichen Eindruck. Die Plakate selbst sind nun — und das ist das Bewunderungswürdige dabei — auch wenn sie für kleinere Bühnen verfertigt wurden, durch weg künstlerisch ausgeführt, ja in den allermeisten Fällen wirk liche Kunstwerke, die in Bezug auf Frische der Farbengebung, Keckheit der Auffassung und Virtuosität der Technik das Ent zücken des Fachgenossen bilden. Hier in Hamburg, wo ich eine Sammlung derselben dem hiesigen Museum für Kunst und Ge werbe überwiesen habe"), erregten sie in Künstlerkreisen fast noch größeres Aussehen als die französischen, weil sie im allgemeinen weniger frivol in der Auffassung sind, wenn sie auch häufig in der Darstellung von Schrcckensscenen und Greuelthaten zu viel des »Guten« thun. Die Ausführung geschieht nicht in der Spritzweise der Franzosen, sondern immer in Kreidemanier, und nur selten wird auf eine schwarze Umrißplatte verzichtet. Höchst interessant ist nun die Art ihrer Anfertigung. Die Origi nalzeichnung wird photographiert und dann durch eine Imtsroa, magica in der gewünschten Größe auf ein Blatt Papier ge worfen; darauf werden mit Kreide die Umrisse nachgezogen, das Ganze in so viele Teile zerschnitten wie die Größe der Litho graphiesteine erfordert und dann nach dem Original litho graphiert. Die meisten der Künstler, welche diese Plakate zeichnen, find Deutsche, wie man überhaupt bald in Amerika bemerkt, wie viele unserer tüchtigsten Kräfte gerade in diesem Fache alljährlich nach dorthin gehen, weil sie ihr Talent mehr ausnützen können und dieses besser bezahlt wird. Augenblicklich allerdings ist die Arbeitslosigkeit, wie in allen Branchen, auch hier sehr groß und sehr viele Anstalten arbeiten nur mit halber Kraft. Soviel über diesen wichtigen "Zweig des amerikanischen Buchgewerbes. Wenn man nunmehr die Wanderung durch die Abteilung der Vereinigten Staaten im Jndustriepalast zu Chicago beginnt, so fällt einem gleich zu Anfang in der Koje der Wintchell Printing Co. zu New Jork eine Kategorie von Druckarbeiten auf, die gleichfalls eine außerordentliche Pflege in Amerika gefunden haben: die Eisenbahnfahrpläne. Aller dings muß man dabei nicht an das denken, was man bei uns° darunter versteht; sondern diese Pläne sind infolge der eigen artigen Entwickelung des amerikanischen Eisenbahnwesens ganz anderen Genres. Bekanntlich befinden sich die Eisenbahnen in Amerika vollständig in den Händen von Privatgesellschaften, und diese machen sich gegenseitig eine wahnsinnige Konkurrenz. Tie Folgen dieser Konkurrenz sind nicht allein stete Preisunterbie tungen, sondern sie sind vor allem auch zu sehen in der ver lockenden Ausstattung der Fahrpläne, die von jeder Gesellschaft in ungeheuren Mengen ausgegeben werden.' Da die Billets, oder um mich landesüblich auszudrücken, die Tickets, viel weniger in den Bahnhöfen selbst, als in den massenhaft vorhandenen Tickst Otllcss, von denen z. B. der Broadway in New Jork und die Clark Street in Chicago wimmeln, verkauft werden, so müssen diese Fahrpläne zunächst in diesen Lokalen ausliegen. Und in der That findet man lange Tische mit ihnen bedeckt; jeder geht hinein, sieht sich an und nimmt sich mit, was er will. Für den typographischen Sammler bieten nun diese Tische eine unerschöpfliche Fundgrube der interessantesten *) Auch dem Leipziger Buchgewerbemuseum werde ich einige Duplikate zusenden, so daß dieselben dadurch auch weiteren Kreisen zu gänglich sind.
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