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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.08.1892
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1892-08-01
- Erscheinungsdatum
- 01.08.1892
- Sprache
- Deutsch
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ertragenen Martyriums von dem vornehmsten Recht des Staats bürgers, gegen Uebergriffe den öffentlichen Richter in Anspruch zu nehmen, und mahnt den Vorstand, sich daran zu gewöhnen, daß auch über ihm die Autorität des öffentlichen Richters stehe. Offenbar soll hierdurch die Meinung erweckt werden, als ob »der öffentliche Richter«, das heißt die Dutzende von Richtern, welche in den Prozessen Mayer L Müller ihre Sprüche abgegeben haben, mit seltener Einmütigkeit die Anschauungen und Präten sionen der Firma Mayer L Müller als Recht anerkannt hätten. Das ist jedoch durchaus nicht so. In dem Abdruck der Ent scheidungsgründe des Landgerichts Leipzig sind viele Stellen gesperrt und fett gedruckt Folgende ganz gewöhnlich gedruckte Stelle auf Seite 22 hätte eigentlich in Lapidarschrist gesetzt werden müssen: »Angesehene Gerichtshöfe, wie das Reichsgericht und das Kammergericht und anerkannte juristische Schriftsteller wie O. Bähr stehen einander mit ihren Ansichten, ob der von dem Beklagten ein geschlagene Weg erlaubt oder verboten ist, diametral gegenüber.« Berücksichtigt man ferner, daß die Hamburger Gerichte in drei Instanzen die Ansprüche der Firma Mayer L Müller als ganz unbegründet abgewiesen haben, so steht es dieser wirklich nicht an, den »öffentlichen Richter« so ausschließlich für sich zu prätendieren. Es sei hier noch ein anderer Satz der Entscheidungsgründe angezogen. Auf Seite 15 heißt es: »Die Gewerbe-Ordnung für das Deutsche Reich wird von dem Grundsätze der Gewerbefreiheit beherrscht. Damit soll ausgesprochen sein, daß einerseits jedermann jedes Gewerbe nach seiner freien Wahl auszuüben berechtigt ist, und daß anderseits ein jeder sich die Bedingungen, unter denen er das gewählte Gewerbe betreiben will, selbst und nach freiem Belieben sestsetzen darf. Zu diesen Bedingungen gehört unter anderem auch die Bekanntmachung der Preise, die er Anderen für seine gewerblichen Leistungen berechnet.« In dieser Allgemeinheit ist der Satz an sich schon nicht richtig; denn für manche Gewerbe kann sich nicht jeder die Be dingungen selbst und nach freiem Belieben festsetzen, sondern Reichs- oder Landesgesetze schreiben gewisse Bedingungen vor, die durch Prüfungen oder dergleichen zu erfüllen sind, wie ander seits manche Gewerbetreibende vor andern desselben Gewerbes gesetzliche Bevorzugungen genießen (conk. Jnnungsgesetz). Diese einschränkende oder bevorzugende Gesetzgebung bewegt sich, gott lob! zur Zeit in aussteigender Linie. Doch abgesehen hiervon — an den citierten Satz sollen hier hauptsächlich einige Fragen ge knüpft werden: Wenn Jeder nach seinem Belieben sich die Bedingungen seines Gewerbebetriebes selbst festsetzen darf, dürfen dann nicht auch Mehrere die für sich gegenseitig gütigen Bedingungen des Gewerbebetriebes festsetzen? Wenn der Einzelne das ganz unbestreitbare Recht hat, in seinem Gewerbebetriebe zu verkaufen oder nicht zu verkaufen, an wen er will und zu welchen Preisen er will, und sich seine festen Normen darüber bilden darf — dürfen dann nicht auch Mehrere sich über solche für sie verbind lichen Normen vereinigen? Und darf eine solche freie Ver einigung von Gewerbtreibenden diese Normen auch nach ihrer exklusiven Seite nicht geltend machen gegen Einzelne, oder auch gegen Vereinigungen, die ganz andere Normen für ihren Ge werbebetrieb haben? Besteht wirklich die Gewerbe freiheit in dem Sinne des oben citierten Satzes nur für das einzelne ge- werbtreibende Individuum und nicht für eine freie Vereinigung von gewerbtreibenden Individuen? — Diese Fragen und ihre Beantwortung scheinen mir den Kernpunkt der ganzen Streitsache auszumachen; denn die Er örterungen der Entscheidungsgründe über Preisbildung, über Nötigung zum Beitritt einer Vereinigung, über Bücherpreise und Kauflust des Publikums scheinen mir, abgesehen davon, daß sie meist unzutreffend sind — oder sollten wirklich Juristen dazu berufen und fähig sein, die Frage zu lösen, ob der Buchhandel für sein Bestehen vom Verleger festgesetzte Ladenpreise und deren Jnnehaltung beim Verkaufe nötig hat oder nicht? — wirklich mehr äußerliches Beiwerk zu sein. Der Kernpunkt ist thatsäch- lich: gilt die Gewerbefreiheit nur für Einzelne, oder auch für die Vereinigung Einzelner zu einer Gesamtheit? Unlängst hörte ich in einer Tischrede die Behauptung, daß Themis nicht nur blind sei, sondern auch bedenklich hinke; das lange Gewand verhülle zwar diesen Schaden, aber man merke ihn oft genug an der Entfernung zwischen den Aussprüchen der Themis und dem Rechtsgesühl der fortgeschrittenen jeweiligen Zeitgenossen. Das wäre aber, so bemerkte Redner weiter, schon im alten Rom so gewesen und würde wohl immer so bleiben. Hoffentlich hat der Tischredner unrecht. Wenigstens sind in den schon angezogenen Hamburger Erkenntnissen (vrgl. Börsenblatt vom 16. Juni d. I.) Anschauungen zum Ausdruck gebracht, welche den buchhändlerischen Gewerbebetrieb nicht allein vom Standpunkt des atomisierten Individualitäts-Interesses auffassen, sondern auch die Berechtigung genossenschaftlicher Bestrebungen zur Geltung bringen. Es heißt dort: Wenn das Ehrgefühl der Kläger auch bei dieser Art des Vorgehens empfindlich berührt worden sei, insofern durch den Inhalt der Liste ihre Gleichstellung mit den übrigen Gewerbegenossen aufgehoben worden sei, so sei zu berücksichtigen einerseits, daß die Kläger selbst die Aufhebung dieser Gleichstellung verursacht hätten, indem sie beim Be triebe ihres Geschäftes Prinzipien festgehalten hätten, die die Mehrzahl ihrer Gewerbegenossen als mit dem Interesse des gesamten Standes unvereinbar erachte, andernfalls daß bei dieser Kollision verschiedenartiger Interessen dem Vertreter der Gegenpartei der Schutz des H 193 St.-G.-B. zur Seite stehe. Dieser Auffassung ist das zuständige Oberlandesgericht bei getreten. Es ist also die Wahrung der Gesamt-Interessen des Standes durch die Mehrzahl der Gewerbegenossen einem Einzelnen gegenüber als zulässig anerkannt und dem Börsenvereinsvorstande als Vertreter dieser Mehrheit deshalb ausdrücklich der Schutz des ß 193 Straf-Gesetz-Buchs (Wahrnehmung berechtigter Inter essen) zugebilligt. Diese Auffassung entspricht dem Zeitalter der Innungen und Genossenschaften, die heute nicht nur privatim, sondern auch von Reichswegen angestrebt werden, während wir aus der Zeit schrankenlosesten Gewerbebetriebes zu gunsten rein individueller selbstsüchtiger Ausbeutung hoffentlich immer mehr und immer schneller herauskommen Möchte auch die Recht sprechung diesen gesetzlichen Standpunkt immer mehr anerkennen. Die Firma Mayer L Müller, nachdem sie dann mit Emphase ausgesprochen hat, daß sie berechtigte Forderungen des Gesamt buchhandels anerkennt, wohlweislich aber verschweigt, was sie darunter versteht — einzelne Eigenwillige, die sich niemals den Forderungen einer Gesamtheit anschließen, giebt es in allen Ständen und Berufen — spricht darauf von einer großen Zahl von Buchhändlern, deren Ansichten sich mit den ihrigen decken, und knüpft daran eine so große Zahl von Kategorieen angeblich unzufriedener Elemente im Buchhandel, daß bei Unkundigen die Vorstellung entstehen muß, als ob eine winzige Minorität im Buchhandel durch den Börsenvereins - Vorstand ein wahrhaftes Schreckensregiment ausübe. Glücklicherweise werden für diese Behauptungen Beweise, statistische Angaben u. s. w. nicht beigebracht; es sind eben leere Behauptungen. Oder sollte wirklich schon jemand die »breite Gegenströmung« rauschen und brausen gehört haben? Genauer besehen, dürfte die »breite Gegenströmung« im wesentlichen aus jenem Dutzend gesperrter Firmen bestehen, unter welchen sich einige befinden, denen auch wohl die Herren Mayer L Müller kaum den Charakter als wirkliche Buchhändler werden beilegen wollen. Ganz gewiß ist jedoch im deutschen Buchhandel die
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