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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.01.1884
- Strukturtyp
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- 1884-01-16
- Erscheinungsdatum
- 16.01.1884
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- Deutsch
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L18 Nichtamtlicher Theil. 13, 16. Januar. treiben, von einer Reform der heutigen unleidlichen Zustände profi- tiren würden? Ihr seid überzeugt, daß wir diese Reform nur an streben, weil uns dadurch die Gewißheit winkt, reich, sehr reich, immens reich zu werden? O wie ihr irrt, ihr Guten! Aber dies können nur Ziffern beweisen und ich werde sie beibringen. Ich werde Nachweisen, wie auch hier dafür gesorgt ist, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, niemals, und am wenigsten, was die nächsten Jahrzehnte betrifft. Ich werde Nachweisen, daß eine Reform dem gegenwärtig schassenden Geschlecht bestenfalls nur einen mäßigen Nutzen bringen kann, daß es sich weit weniger um uns, als um Saat für die Zukunst unserer Literatur, unseres Volkes handelt. Ich werde Nachweisen, daß es ein schweres Unrecht wäre, hier von „merkantiler Gesinnung" zu sprechen. Allerdings werden dieselben Ziffern auch den Schluß ermöglichen, daß einst, in dreißig, in fünfzig Jahren, die materiellen Verhältnisse des deutschen Autors und Verlegers viel bessere sein werden, als heute. Aber braucht euch dies zu kränken? Brauchte es euch zu kränken, selbst wenn, was leider unmöglich, diese Wirkung zum Besseren und Besten schon morgen einträte? Müßte es euch nicht im Gegentheil freuen, da es ja selbstverständlich auf honettestem Wege, ohne Schädigung anderer Interessen, geschähe! Sind wir alle, die wir uns durch geistiges Schaffen oder dessen Verbreitung ernähren, ein so geringer, sind wir ein so geringwerthiger Bruchtheil der Nation, daß es für den Volkswohlstand gleichgültig ist, ob wir materiell gedeihen oder nicht? Kommt's nicht auch der Gesammtheit zu gute? Aber damit ist der Hauptpunkt der Frage, so weit sie eine nationalökonomische ist, noch gar nicht berührt. Wir wollen ihn kurz präcisiren. Was streben wir an? Die Wandlung krankhafter Verhältnisse in gesunde. An die Stelle des wüthigen, wahllosen Viellesens trete die intensive Beschäftigung mit relativ weit weniger, aber sorgsam gewählten Büchern, an die Stelle der Leihbibliothek — so weit dies möglich und so weit cs wünschenswerth —Mdie Hausbibliothek. Aber wer dies Ziel will, muß auch das Mittel wollen: das billige Buch. Ehe dies erreicht ist, kann von einer radicalen Reform keine Rede sein. Daher muß die Reducirung unserer bisherigen Bücherpreisc das Alpha und Omega unserer Be strebungen sein. Und nun beantworte man sich selbst die Frage, ob ein solches Streben nicht auch den Interessen der Gesammtheit dient?! Sollte bloß der Preis des Weizen- und Kornbrotes eine wichtige Sache sein und nicht auch der des geistigen Brotes? Die Frage des billigen Buches ist nicht bloß eine ethisch-patriotische, sie ist auch eine natioualökonomische Frage ersten Ranges. Gemeinsam ist die Noth, gemeinsam das Ziel, gemeinsam und friedlich sollte auch die Berathung sein. An uns Autoren ist es zu nächst, abzulassen von verbitterten und verbitternden Anklagen. Zur Klage haben wir Grund, nicht zur Anklage. Gegen wen sollte sie sich auch mit Fug und Recht kehren? Gegen die Verleger? Sie leiden mit uns. Gegen die Leihbibliothekare? Sind dies etwa lauter boshafte Leute, die eigens deshalb ihre Handlungen errichtet, um uns zu schaden? Die Leihbibliothek ist eine Institution, die organisch geworden ist durch den cigenthümlichen Entwickelungs gang, den der literarische Handelsverkehr in Deutschland genommen, und durch die Anschauungen und Gewohnheiten des deutschen Volkes. Selbst wenn wir unsere Augen verschließen wollten gegen das viele Gute, welches die Leihbibliothek neben vielem Schlechten gestiftet, — jedes Ding hat eben zwei Seiten, — wenn wir nur die Schatten sehen wollten und nicht auch das Licht, so glitte doch unsere Anklage von ihr ab auf jene Factoren, die sie geschaffen. Bliebe also nur das deutsche Volk. Aber auch dieses ist nicht so schuldig, wie wir glauben, minde stens gewiß nicht in dem Maaße, und vor allein nicht in dem Sinne schuldig, wie wir glauben. Man sage nicht, daß ich mich durch diese Vertheidigung in Widerspruch zu mir selbst bringe, zu der Betrachtung, welche ich vorhin der Familie Meyer gewidmet. Das ist ein anderes Capitel. Diese Sippe verdient jedes Sträuß chen, welches ihr je überreicht worden ist oder in Zukunft überreicht wird, — und möge dies doch ja recht ost, recht ausgiebig geschehen! Diese Meyers, welche in allen Confessionen und in allen Gauen Deutschlands zu finden sind, im hohen Adel wie im k. '1. reichen Bürgerthum, diese obersten Zehn- oder Hunderttausend verdienen jeden Nadelstich, der ihre dicke Haut, leider meist vergeblich, zu durchbohren sucht. Denn für sie gibt cs keine Entschuldigung; ihnen fehlt es weder an dem nöthigen Geld, noch an der nöthigen Einsicht; ihnen fehlt es glattweg nur am guten Willen, an Noblesse der Gesinnung. Es gibt ehrenvolle Ausnahmen unter ihnen, aber man übt kein Unrecht, wen» man von der ganzen Sippe sagt: die Leute treiben heute den unsinnigsten Luxus mit, wenn er Mode ist, und weil die Hausbibliothek in Deutschland noch nicht Mode ge worden, so sind sic nach dieser Richtung sch—parsam. . . Mit guter Absicht habe ich von ihnen gesprochen: das sind die einzigen wahr haft Schuldigen!. . . Aber das sind die Hunderttausend, nicht die Millionen. Um den Kern des Volkes, die breite Schicht, welche sich zwischen jene durch Reichthum oder Geburt privilegirten Kasten und die große, in Nacht und Armuth versunkene Masse schiebt, steht es anders. Unserem gelehrten, kaufmännischen oder gewerblichen Mittelstand, kurz dem deutschen Bürgerthum ist die Anlegung einer wirklich stattlichen und inhaltreichen Hausbibliothck bei den heutigen Bücher preisen schwer möglich. „Aber nicht unmöglich!" wendet man mir ein. Gewiß nicht, muß ich zugeben, für viele wäre es sogar nur ein kleines Opfer. „Aber warum bringen sie selbst dies kleine Opfer nicht? Warum thun sie das Mögliche nicht?" Weil dies in Sachen des Bücherkaufens leider nicht deutsche Art ist. „Deutsche Art! — darin liegt's ja eben — und du wagst es, die Leute zn verthei- digen?" Ja darin liegt's und eben darum wag' ich es. Der scheinbar wirre Knäuel läßt sich leicht zu einer schlichten und, wie ich denke, richtigen Gcdankenfolge ordnen. Wenn ich be haupte, daß der heutige Bllcherpreis dem deutschen Bürgerthum die Anschaffung „schwer möglich" macht, so meine ich damit zum geringeren Theil die rein materielle Schwierigkeit, daß eben das Geld fehlt. Sicherlich gibt es auch solche Kreise, wir sind ja kein reiches Volk. Aber andererseits ist auch die Thatsache zu verzeichnen, daß sich gerade in jenen Schichten unseres Bürgerstandes, welche oft hart mit der Sorge des Lebens zu ringen haben, viele, ja die meisten Käufer finden, auf welche das deutsche Buch überhaupt zählen darf. Arm an Geld, aber reich an Bildung opfern diese Fa milien, welche sich nie selbst die „beste Gesellschaft" nennen, aber es thatsächlich sind, jährlich eine für ihr Budget beträchtliche Summe, den kleinen Bücherschatz zu mehren. Sie thun es, weil es ihrer An schauung, ihrem idealen Bedürfnis; entspricht. Und da sie den schönen Brauch vielleicht bereits im Elternhause kennen gelernt, selbst jahrzehntelang Pflegen und ihre Kinder in gleichem Sinne er ziehen, so wird der Brauch allmählich bei ihnen und noch mehr bei ihren Kindern zur festgegründeten Gewohnheit. Andere, die viel wohlhabender sind, kaufen dennoch keine oder doch nur sehr wenige Bücher, weil sie jene Anschauung nicht theilen, jenes ideale Bedürfniß nicht oder doch nicht in dem Maaße empfin den, um sich zu einer Ausgabe zu entschließen, weil sie nicht jene löbliche, sondern leider eine ganz andere, aber nicht minder fest ge- wurzelte Gewohnheit haben, Bücher, wenn überhaupt, dann nur aus der Leihbibliothek zu lesen. Das ist gewiß sehr traurig, am trau rigsten für sie selbst; aber man begreife endlich, daß diese Anschau ung und Gewohnheit ein ebenso factischer Abhaltungsgrund ist, wie der Mangel an Geld, — noch mehr: ein ebenso zwingender Grund
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