Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.12.1897

9146 Nichtamtlicher Teil. 282, 4. Dezember 1897. Nichtamtlicher Teil Katalog - Rundschau. i. Das Weihnachtsfest ist schon längst in den deutschen und von Deutschen bewohnten Ländern, sowie im Skandi navien, ein volkswirtschaftlicher Faktor ersten Ranges ge worden. Sein Einfluß auf das Erwerbsleben ist ein ganz bedeutender. Es giebt einzelne Geschäftszweige, die überhaupt nur diesem Feste oder vielmehr den mit ihm verbundenen Sitten und Gebräuchen ihre Blüte verdanken, eine ganze Reihe von Handels- und Industriezweigen aber läßt sich auf führen, die ohne das belebende Element des Weihnachtsfestes mit seiner schönen und allgemein geübten Sitte, sich gegen seitig durch Geschenke zu erfreuen, wohl mit weit geringerem Absätze vorlieb nehmen müßten. Wo bliebe z. B. die Spiel warenfabrikation und der Handel mit ihren Erzeugnissen, wenn nicht jedes Jahr in der Weihnachtszeit ein flottes Ge schäft erzielt und einmal Bresche in die wohlassortierten Fa briklager gelegt würde. Aehnlich steht es mit dem Handel in Galanteriewaren, der vor Weihnachten eine enorme Steige rung erfährt. Zu den Handelszweigen, die noch am meisten vom Weihnachtsfeste profitieren, gehört auch in erster Reihe der Buchhandel. Nur wenige Weihnachtstische wird man finden, wo die Gattung Buch, vom billigen unzerreißbaren Bilder buche an bis zum teuren Prachtwerke gerechnet, nicht ver treten wäre. Bücher werden immer zu den vornehmen und beliebten Geschenken gerechnet werden. Nach Kräften nutzt natürlich der deutsche Buchhandel diese Vorliebe für Bücher bei der Auswahl von Festgeschenken aus und sucht die Kauf lust des Publikums durch alle möglichen Mittel der Reklame noch zu steigern. Nachdem schon viele Monate vor dem Feste in den Verlagshandlungen, die als Spezialität Geschenklitte- ratur pflegen, und in den Großbuchbindereicn reges Leben geherrscht hat, macht sich dieses hastige Geschäftstreiben in den letzten Monaten auch nach außen hin bemerkbar. Jedes Geschäft sucht die Aufmerksamkeit des kaufenden Publikums auf sich, auf seine Artikel zu lenken. Neben der Annonce benutzt der Buchhandel zu diesem Zwecke hauptsächlich Kataloge und Preisverzeichnisse, und so kommt es, daß sich stets von Mitte Oktober an eine wahre Hochflut von buchhändlerischcn Kata logen aller Art und in den verschiedensten Ausstattungen auf den Tisch der Börsenblatt-Redaktion ergießt. Alle werden sofort in den Listen der Kataloge verzeichnet; es findet aber gewiß Interesse, wenn hier noch einmal Rundschau über eine Reihe der diesmal eingegangenen Kataloge gehalten wird. Ihre Zahl ist groß, und ganz ansehnlich mag die Ge samtsumme der Spesen sein, die der deutsche Buchhandel durch Ausgabe und Verbreitung der vielen Kataloge zum Zwecke der Erhöhung des Bücherumsatzes auf sich nimmt. Als erste — wenn man von den Antiquariats-Katalogen absieht — erscheinen die gewichtigen Barsortiments-Kataloge auf dem Plane. Ihre Bearbeitung und Drucklegung wird möglichst beschleunigt, damit sie noch von den Sortiments handlungen zu ihren Lagerergänzungen für das Weihnachts geschäft benutzt werden können. Immer mächtiger schwellen die Leipziger Barsortiments-Kataloge von Volckmar, Koehler und Staackmann, die nur gebundene Werke verzeichnen, an. Der Begriff des Barsortiments ist in letzter Zeit nament lich von Koehler und Volckmar ganz wesentlich erweitert worden. Noch vor wenigen Jahren verstand man unter Bar sortimentsartikeln eigentlich nur die Brotartikel der Sortimenter, Bücher (stumlurä rvorllb) die ihre Gangbarkeit schon erwiesen. sich beim Publikum sozusagen eingebürgert hatten. Die Auf nahme eines neuen Buches in die Barsortimentslager und -Kataloge war ein offiziell ausgestelltes Zeugnis für seine Gang barkeit und eine von den Verlegern sehr geschätzte Empfehlung. Eine Ncu-Erscheinung gar mußte früher als Empfehlungs schreiben schon einen Namen von sehr gutem Klange auf dem Titel tragen, wollte cs sofort nach Erscheinen der Ehre der Aufnahme in den »Volckmar« oder »Staackmann« teilhaftig werden. Das ist in den letzten zehn Jahren anders geworden, wohl hauptsächlich durch den Einfluß, den die Gründung eines dritten großen Barsortiments (Koehler) auf die bestehenden Verhältnisse ausübte. Der in diesem Jahre leider im besten Mannesalter verstorbene rührige und erfolgreiche Karl Franz Koehler hatte von vornherein dem von ihm gegründeten Bar sortiment die weitesten Grenzen gesteckt und weniger den Auf bau eines Barsortiments nach Muster der vorhandenen im Auge als vielmehr die Gründung eines alles umfassenden Großsortiments. Sieht man die zwei Teile des Koehlerschen Lager verzeichnisses, von denen der erste regelmäßig im März jeden Jahres erscheint und die Schulbücher, Reiscbücher, Lehrmittel, Schulwandkarten umfaßt, während der zweite, stets im Oktober zur Ausgabe gelangend, den gesamten anderen und bedeutend größeren Teil des Lagers: Weltlitteratur, Kunst und Wissenschaft, Technologie und Gewerbe, Geschenk- und Prachtwerke, Jugendschriften u. s. w. verzeichnet, näher an, so muß man staunen über die Fülle der darin aufgenommenen Litteratur. Wenn ein junger Buchhändler die im Koehlerschen Kataloge aufgenommenen Titel kennt, so genügen seine Litteraturkenntnisse selbst für das lebhafteste Sortiment, und getrosten Mutes darf er sich mit Aussicht auf eine gute Censur in »Bücherkunde« prüfen lassen. Der vorliegende zweite Teil des Koehlerschen Kataloges enthält außer dem 395 Seiten starken Hauptteil (25 Seiten Zu wachs gegen das Vorjahr): dem Verzeichnis der Bücher, Musi kalien, Atlanten, Wörterbücher, noch folgende für das Sortiment wichtige Zusammenstellungen: zunächst ein Schlagwörter verzeichnis der im Hauptteil enthaltenen Büchergruppen und Sammelwerke mit Hinweis auf. die Seitenzahlen des Katalogs, dann eine Liste gangbarer Kalender für 1898 mit allen Angaben, wie sie auch der Hauptteil des Katalogs giebt, und schließlich die Neu-Anfnahmen und Preis- änderungcn während des Drucks. Diese drei Abteilungen, mit römischen Zahlen (I—Xll) paginiert, sind dem Katalog vorgeheftet. Dem äußerst reichhaltigen Katalog schließen sich dann noch zwölf Seiten Aufnahmen französischer Litteratur in Pariser Original-Ausgaben, einige Bücher der italienischen Litteratur aus dem Verlage von Le Monnier's Nächst, in Florenz und eine systematische Zusammenstellung der im Kataloge aufgeführten Musikschulen und Liederbücher an. Und nicht genug, auch die umfangreichen Bibliotheken des deutschen Buchhandels: Hendels Bibliothek der Gesamt- litteratur, Kröners Universalbibliothek der Jugend und Re- clams Universalbibliothek können von Koehler in geheftetem und gebundenem Zustand bezogen werden, worüber drei bei geheftete Anlagen Auskunft geben. Ein so bedeutendes Lager von wissenschaftlicher und Geschenklitteratur, von Schulbüchern und Lehrmitteln darf sich in der heutigen Zeit aber nicht an der Katalogisierung seiner Schätze, der Verbreitung des Verzeichnisses darüber und einer warmen allgemeinen Empfehlung genügen lassen, es müssen tüchtige Anstrengungen gemacht werden, einen dem Umfange des Lagers entsprechenden Umsatz zu erzielen. Wir übergehen die für schnellen Bezug getroffenen bequemen Einrichtungen, den in diesem Jahr das erste Mal in Dienst