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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.10.1894
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1894-10-17
- Erscheinungsdatum
- 17.10.1894
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- Deutsch
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6444 Fertigt: Bücher. 242, 17. Oktober 1894. s43663j Leopold Wok in Kamvurg (». Leipzig). NS rama in den l i tt e r a ri sch e n Bewegungen der Gegenwart. Vorlesungen, gehalten an der Universität Bonn von Berthild Bemann, Professor der neueren deutschen Litterntnrgcschichte. —>- Erste und zweite Auflage. 1894. 4 gcl>. 5 ^8. Aus dem Jiihaltsvcrzcichnis: Die patriotische Lyrik — Dos Heldenlied — Der Nomnn (Freytag, Ebers, Spielhagcn) - Der Schillerprcis — Paul Lindau u. Genossen — Theatcrfreiheit und Operette — Richard Wagner — Die Meininger — Wildenbruch — Stürmer und Dränger von einst und heute — Ibsen — Gerhart Hnuptmauu — Sudermann. In den weitesten Kreisen der Littcratursreunde hat das Litzmannsche Buch Aufsehen erregt; nicht nur weil ein zünftiger Gelehrter, ein Vertreter der deutschen Littcraturgeschichtc vom Katheder herab die modernsten Erscheinungen der Litteratur behandelt — an sich schon ei» Ereignis —, sondern auch wegen der frischen Sprache, welche die Vorlesungen durchzieht, der freimütigen alles Gc- lehrtcnstaubcs baren Anschauungsweise. Eine Reihe von Handlungen hat schon lange die Absatzfähigkeit des Werkes erkannt und bezieht regelmäßig. Ich erlaube mir nun die verehrlichcn Handlungen, die bisher von diesem Werk noch weniger Notiz genommen haben, wieder holt auf dasselbe hiuzmvcisen und füge hier einen Auszug aus der Sudermann gewidmeten Vorlesung an. Fünfzehnte Vorlesung. . . . . Sudermann, der jetzt in der Mitte der Dreißiger steht, ist in so fern ein „besonder Loos" gefallen, als er zwischen zwei Feuer gerateil ist. Ängstlichen Gemütern gilt er als ein verwegener Umstürzler, den: nichts heilig ist und der mit seiner Frivolität und Nnsitt- lichkcit Gift und Verderben in das reine Gemüt des deutschen Volkes hineinträgt. Aber während so den einen Sudermaun für der Teufel Obersten gilt, während noch unlängst die besorgten Väter der Stadt Crcfeld durch Polizeiverbot sich gegen die Ent weihung der sittlichen Schaubühne (auf der natürlich nie Offen- bachschcn Operetten gegeben worden siud l) durch ein Sudermann- sches Drama glaubten schützen zu müssen, wollen die Neuesten von der strengsten Observanz gar nichts von ihm wissen. In ihren Augen ist er ein halber Reaktionär, sie reden von ihm in einem Ton wie etwa Eugen Richter von den Nationallibcralcn, und lassen ihn höchstens als so eine Art Paul Lindau, zweite verbesserte Auflage gelten. Nun wenn wir den entscheidenden Ton auf das „verbessert" legen, können auch wir, die wir Sudermaun weder für einen Sittenuerdcrber noch für einen litterarischen Reaktionär halten. Sudermann als Komparativ von Lindau ivohl gelten lassen. Nicht als ob wir damit zugeben wollten, daß zwischen dem flachen Routinier der siebziger Jahre, bei dem, auch wenn er die großen tiefen Register zieht, immer in der Oberstimme, wider Willen des Musikanten, Reminiszenzen an Pariser Leben anklingcn, und dein ernsten, mit eisernen Fäusten zupackenden u»d die Seelen aufrüttelnden Dramatiker der neunziger Jahre irgend eine innere Geistesverwandtschaft bestünde. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Wohl aber in dem Sinne, daß Sudcr- mann, wenn nicht alles trügt, berufen erscheint die Ausgabe rein zu losen, deren einst Lindau mit allerlei importierten Kunstmittel- chen Herr zu werden sich vermessen ; nämlich, das, was uns Deutsche der Gegenwart an sozialen und sittlichen Aufgaben beschäftigt und bedrängt, dramatisch zu gestalten. Lindau konnte, ganz abgesehen von seinen unzulänglichen künstlerischen Mitteln, diese Aufgabe nicht lösen, weil ihn: die Hauptvorbedingung dafür fehlte: der Ernst und der moralische Mut, der auf die Gefahr hin zu verletzen, die Probleme an der Wurzel faßt und, indem er ohne Rücksicht auf Freund und Feind den Finger in die offene Wunde legt, dadurch jeden Volksgenossen an seine Pflicht mahnt, mitzuwirkcn zur Heilung. Grade diese Eigenschaften aber sind es, die wir an Sudermann, je mehr er sich entwickelt, schätzen lernen, lind sie sollten unsere konfessionellen Heißsporne und ihre gedankenlosen Nachbeter schon längst darüber belehrt haben, daß dieser allerdings nicht für junge und alle Naive beiderlei Geschlechts, sondern für ernste Männer und ernste Frauen schreibende Dichter ein Recht darauf hat, nicht mit den Modeschriftstellern des Tages über einen Kamin geschoren zu werden. Sudcrmann ist der geborene Satiriker. Nicht einer von der zahmen Sorte, die nur kitzeln und krauen, sondern einer vom Schlage JuvenalS, der mit grimmiger Gcnugthuung seine Stachel- pcitschc schwingt, daß aus dem weichen wollüstigen Fleisch das Blut emporspritzt und die Messalinen, die nicht inehr erröten können, wenigstens ihr Gesicht verhüllen, damit man nicht sieht, wie im Angstschweiß ihre Schminke in Tropfen zerfließt. Aber er ist noch mehr als das. Er ist auch eiu Poet, dessen Auge in die Tiefen des menschlichen Herzens sicht, und der für das Leiden und die Leidenschaften der Menschheit, die in ihrer Qual verstummt, nun auch das lösende und befreiende Wort findet. Freilich nicht in dein Sinne jenes trivialen Idealismus, der den Begriff „Idealismus" überhaupt in Mißkredit gebracht hat, der link isch tändelnd unüberbrückbare Gegensätze durch eine Phrase, eine Pose sich auszuglcichen vermißt, sondern in dem Sinne, daß er der gequälten ringenden Menschheit seiner Zeit ihr eigenes Spiegelbild vorhält, und dem Einzelnen sein eigenes Leid als das kleine Glied an einer großen Kette zeigt, an der alle seines Volkes und seiner Zeit zu tragen haben. Am wenigsten tritt dieser Zug noch in der „Ehre" hervor, am stärksten und reinsten in der „Heimat" Augenblicklich, da Sudcrmann's Schmettert ingsschlachten und Hanptmaniis Weber über verschiedene Bühnen gehen, jüngster Zeit in Berlin an einem Abend Wildenbrnch an vier Theatern gleichzeitig vertreten ist, da die Zeitungen Lindaus Absatz besonders leicht zu erzielen sein. Ich bitte das Buch im da in Ernennung zum Theater-Intendanten in Meiningen melden, dürste Schaufenster auszustellen und den Kunden im Laden vorzulegen. Die Bezugsbedingungen sind: in Rechnung 25°/o, gegen bar 30"/<, und 7/6. Hamburg, Oktober 1894. Hochachtungsvoll Leopold Holi.
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