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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.01.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-01-25
- Erscheinungsdatum
- 25.01.1899
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- Deutsch
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.N 20. Januar 1899. Nichtamtlicher Teil. 663 Betracht zu ziehen, zu dem der Gegenstand verwendet werden soll. Der Zweck, dem die Sache dienen soll, muß vorher genau erwogen sein, ehe an die Zierformen gedacht werden darf. So muß z. B. der Stuhl durch die Höhlung und Höhe des Sitzes, die Schweifung der Rück- und der Seitenlehnen vor allem den Zweck eines bequemen Sitzens erfüllen. Der Krug muß durch richtige Form sich bequem an- fasscn lassen und ein leichtes Ausgießen gestatten. Alle Gegenstände des Knnstgewerbes sind zunächst unerbittlich auf den Zweck zu prüfen. Dieser Grundsatz muß auch im Buchgewerbe die größte Berücksichtigung finden. So soll die Schrift, um ihren Zweck zu erfüllen, deutlich, kräftig, lesbar und frei von störenden Schnörkeln und Ver zierungen sein. Die Accidcnz soll in erster Linie zu lesen sein und nicht der Ornamcntierung dienen. Darum muß auch im Buch gewerbe der Zweck die Hauptsache, die Verzierung aber sekundär sein. 2. Das Material (der Stoff) muß echt sein, in seiner wahren Gestalt zur Erscheinung kommen, also nicht den Schein eines anderen Materials zu erwecken suchen. Leider ist heutzutage das Surrogatwesen im Geschäftsbetriebe vielfach in Anwendung. So ist es z. B. ein Fehler, wenn die Zinkgußindustrie durch ihre Erzeugnisse den Schein von echter Bronze Hervorrufen oder die Tapetcnindustrie dem Papiere den Schein von Teppichen oder Velours geben will. Ein Fehler ist cs, wenn ein Maler einem wenig edlen Holze durch Maserung den Anschein von edlerem, kost barem Holze giebt, oder wenn die Papierindustrie aus Papier Butzenscheiben herstellt, die die echten Glasbutzenscheiben ersetzen sollen. Das sind Abwege, auf die wir durch das Surrogatwesen geführt worden sind. Der Stoff sei einfach, aber echt. Aber prüfen wir uns selbst, ob nicht auch im Buchgewerbe das Surrogat- wescn herrscht, so z. B. in der Buchbinderei, wo man bei Massen- einbändcn durch Jmitationspapiere den Schein von echten Leder- bändcn und Lederrücken Hervorrufen will. Es hat sich übrigens schon die llcberzeugung Bahn gebrochen, daß gerade der ursprüngliche Stoff den Surrogaten vorzuziehen sei. Wie einfach und doch natürlich stellt sich die einfache, gut gefärbte Leinwand in ihrer natürlichen Struktur beim Bucheinbände dar. Darum soll man auch dem Material, den: Rohstoff, sein Recht angcdeihen lassen. 3. Aber auch die Technik, die Arbeitsweise sei echt. Sie haben gewiß schon oft gelacht über die in den Feuilletons der Familienblätter zu findenden Rubriken, die sich -Häusliche Kunst« oder sonstwie nennen und in denen allerlei Rezepte für Dilettanten gebracht werden, z. B. wie man echte Stickereien durch aufgetupfte Malerei oder die kostbare, wundervolle Intarsia durch Aufmalen anfertigen könne. Wohl oft haben Sie derartige Sachen mit Spott verfolgt. Aber auch im Buchgewerbe fehlt der Grundsatz, die Technik, die Arbeitsweise sei echt, noch oft. Man pflegt sehr häufig die Maschinenarbeit als etwas Minderes anzusehen, aber nur des halb, weil sie den Schein der Handarbeit beansprucht. So will ich z. B. die Bronzeindustrie mit ihren Lampen erwähnen. Diese Bronzeindustrie erzeugt Gegenstände, die ihre Vorbilder einer frühe ren Zeit entnehmen, z. B. den Pariser Bronzen des 18. Jahr hunderts. Diese alten kunstgewerblichen Arbeiten sind auf der ganzen Oberfläche von der Hand eines tüchtigen Meisters außer ordentlich fein und sauber durchziseliert. Die Hand des Meisters hat dem Guß durch diese Arbeit erst seinen Wert gegeben. Kommt nun die Industrie mit ihren Massenwaren, so ist es natürlich, daß sie die gleichen Leistungen nicht machen kann; höchstens ganz flüchtig, infolge dessen die Oberfläche nur eine rohe Durcharbeitung erhält. Aber billige Ware läßt sich auch gut machen. Wenn einer Messing stange ihre natürliche Oberfläche gelassen wird, so kann man daraus durch hübsche einfache Formen einen schönen Gegenstand schaffen. Bei einem billigen Preis kann man aber auf die Aus schmückung der Oberfläche nicht so viel Mühe und Sorgfalt ver wenden, der Gegenstand wird also den Eindruck des Gewöhnlichen, Ordinären machen. Die Maschinenarbeit soll daher ihren ganz berechtigten eigenen Stil entwickeln, nicht aber Handarbeit nach zuahmen suchen. In Deutschland sagen wir, es handle sich nicht um das Kunst handwerk, sondern um die Kunstindustrie. Wir haben uns aber vom Auslande nur deshalb überrennen lassen, weil die Kunst industrie sich bei uns ohne Stil ungenügend entwickelt hat. So ist es für das Buchgewerbe ein Fehler, wenn die reizvolle Handver goldung durch Plattendruck nachgeahmt wird. Hier verkennt die Industrie ihr eigenes Wesen. — Der Farbendruck (die Chromo lithographie) ist in Deutschland ja sehr gut entwickelt und technisch zu bewundern, auch wissenschaftlich äußerst wertvoll und von großem Verdienste, wenn er gemalte Vorbilder täuschend nachbildet; aber wir müssen uns doch fragen, ob dieses Nachnhmen auch künstlerisch recht ist. Hier hat das Plakat ein gewisses Verdienst, das der freien Kunst ihre Rechte läßt. Das ist auch der Grund, weshalb sich die Originallithographie und die sie schaffenden Künstler in letzter Zeit immer mehr hervorgemngt haben. Auch im Buchdruck sei. die Technik, die Arbeitsweise echt. Wenn ich sehe, wie häufig die imitierenden Schreibschriften angewendet werden, so scheint mir das nicht das Richtige. Die kleine Ent schuldigung, daß die Aufmerksamkeit der Empfänger mehr auf ein derart hergestelltes Druckstück gelenkt werde, dürfte wegfallen, wenn die Schreibschrift den Reiz der Neuheit verloren hat. Auf jeden Fall ist die Druckschrift das Richtigere. Der Setzer soll sich hüten, die Kunst des Lithographen nachzuahmen und allerlei Künsteleien zusammen zu bauen, da er mit eigenen Mitteln und geringerer Mühe große Wirkungen erzielen kann. Zu diesen großen drei Grundsätzen kommen noch einige for male Ansprüche, die zu beherzigen sind. Wenn wir in Deutsch land die letzten dreißig Jahre übersehen, so müssen wir eingcstehen, daß wir gar zu sehr zum Vielen und Bunten neigen. Statt ein Ornament folgerest durchzuführen, wird deren eine ganze Reihe verwendet. Das liegt freilich am Besteller; unser Volk leidet eben an der Neigung zum Vielen, zum Bunten. Wir müssen uns bilden an der großen Kunst, wir müssen das Viele und Bunte vermeiden. Wir wollen und müssen monumentale Züge aus der großen Kunst entnehmen. Wir müssen unsere Mittel nicht ver zetteln, sondern konzentrieren. Nehmen wir z. B. aus der Bau kunst das Reichstngsgebäude in Berlin, da begrüßen wir mit größter Freude, daß man nicht über jedem Fenster einen Schmuck angebracht, sondern die ganze Fläche einfach gehalten hat, um da durch die Mittel zu gewinnen, ein Portal in großer monumentaler Pracht aufzuführen. So ist auch Ihnen eine Konzentration der Mittel nötig. Betrachten wir z. B. die alten gotischen Bauten. Die ganze Fläche des Baues ist einfach gehalten, nur an einer Stelle, am Portal oder sonstwo, hat der Meister einen monumentalen Schmuck geschaffen, gleichsam uni hier seine Visitenkarte abzugeben, um zu zeigen: das kann ich leisten, hier steht mein Meisterstück. Und wie wunderbar und kräftig hebt sich ein solches Schmuckstück dann von dem einfacheren Hintergründe ab! Sodann ist ein weiterer formaler Anspruch sehr nötig zu beachten. Wir müssen die Augen öffnen für die Farben. Nichts ist in Deutschland verbreiteter, als die künstlerische Farbenblindheit, die sich historisch entwickelt hat. Zu Anfang des Jahrhunderts waren Weiß und Gold beliebt, die gar keine Farben sind. Dann kam die Renaissance, die keine klaren Farben liebte, sondern ge brochene, stumpfe Farben bevorzugte. Erst jetzt sind wir wieder an der Arbeit zu bessern. Sie haben gewiß auch schon oft genug bemerkt, daß im Buchgewerbe der Mut an echter klarer Farbe nicht weit genug geht. Darum heißt es also: den Star stechen für die Schönheit der Farben, darum also sich anschließen an die große Kunst. Gehen Sie in die Museen und betrachten Sie die alten Meister mit ihren kräftigen klaren Farben. Und wie im Kunstgewerbe die alten Meister die besten Lehrer waren, so müssen sie es auch im Buchgewerbe werden. Ich habe eine Reihe von Beispielen aus den Schätzen Ihres Deutschen Buch gewerbemuseums ausgelegt und bitte Sie, diese alten Bücher mit ihren herrlichen frischen Farben anzusehen. Auch eine Reihe von neueren Büchern und Blättern habe ich hier ausgelegt, an denen Sie treffliche Beispiele von Versuchen finden, sich die alten Meister zum Vorbilde zu nehmen. Die alten Vorbilder müssen dem Buchgewerbe als Muster dienen. Im Kunstgewerbe und im Buch gewerbe sind die alten Meister für die heute erwähnten Grundsätze und formalen Ansprüche die besten Lehrer, denn sie waren gegen uns im Vorteil. Wir wissen, daß sich bei ihnen das Hanowerk vererbte von Vater auf Sohn durch viele Generationen, wir wissen, daß es damals für das Buch noch Muße gab, nicht die heutige Hast der Setzer und Schriftgießer; wir wissen, daß die Schreib schrift der Mönche durch lange Tradition und Hebung ent wickelt war, wir wissen, daß der Satz der alten Buchdrucker aus der Uebung der Buchmaler stammte; daß der alte Meister klaren Begriff hatte für die Type und das Seitenbild, daß ferner der Künstler in Uebereinstimmung zu der Gestalt der Type das Zierstück in richtiger Größe auf den Holzstock zeichnete. Wir wissen aber auch, daß heute eine Teilung der Arbeit statt findet und stattfinden muß, daß Geschmack des Käufers und Be stellers verdorben sind, die Künstler sich nicht in das zu Schaffende versenken, die Handwerker heute ohne Anschluß an die Kunst sind. Hier einige Anregungen zur Besserung zu geben ist der Zweck der Vorträge. Am nächsten Freitag werden wir sehen, daß die alten Meister die besten Zeugen sind für das, was ein gesunder Geschmack im Buchgewerbe leisten kann. — Im Anschluß an seinen Vortrag erläuterte Herr Direktor vr. Jessen noch eine Anzahl Lichtbilder und zeigte an ihnen, wie viele Aufgaben noch in, den nächsten Vorträgen zu besprechen sein werde». — Lebhafter Beifall wurde dem Vortragenden gespendet. Viele der Anwesenden nahmen nach Schluß des Vortrags noch die aus gestellten Bücher und Blätter in Augenschein. — Der Deutsche Buchgewerbeverein, der jetzt eine besonders rege Thätigkeit entfaltet, verdient für die Veranstaltung dieser Vorträge den Dank und die Anerkennung aller Angehörigen der graphischen Kunst. — Wir wollen nicht unterlassen, hier sogleich auf den nächsten Vortrag aufmerksam zu machen und allen Interessenten den Besuch 90»
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