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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.01.1899
- Strukturtyp
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- Band
- 1899-01-26
- Erscheinungsdatum
- 26.01.1899
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- Deutsch
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I? 21, 26. Januar 1899. Nichtamtlicher Teil. 693 den Absatz sogenannter Geschenklitteratur, diesen fruchtbaren Nährboden für den Ramschbazillus, aufhört. Wir hegen die Hoffnung, daß die Ueberschätzung der Kaufkraft des Publi kums für Geschenklitteratur im berufsmäßigen Verlagsbuch handel einer nüchterneren Auffassung weichen wird. Dagegen werden die Warenhäuser und Bazare an scheinend immer mehr die Fabrikation von Ramschwaren betreiben lassen, bezw. für eigene Rechnung betreiben. Zwei unserer Mitglieder besuchten am Tage nach Weihnacht — vorher ivar leider keine Zeit dazu — ein hiesiges Waren haus. Was sich dort an Jugendschriften und Bilderbüchern in größeren und kleineren Beständen noch vorfand, war alles Schund in äußerlich gleißendem Gewände, Bücher, die für Ramschzwecke von vornherein fabriziert waren. Das einzig anständige Bilderbuch z. B. war der »Struwwelpeter« in einem noch ansehnlichen Stapel; das Exemplar wurde zu 1 45 H angeboten. Alle besseren Sachen, Anthologieen, Töchteralbum, Jugendfreund u. s. w., wären, nach Aussage der Ver käuferinnen, vor Weihnacht bis auf das letzte Stück verkauft, trotz der sehr großen Bestände. Vorhanden waren auch noch zahlreich Zolasche Romane in jenen Schundausgaben, die unlängst durch das Freiburger Strafgericht als die Sittlichkeit schwer gefährdend, gebrandmarkt wurden. Ladenpreis 2 Bazarpreis 32 H. Dem Buchhandel werden durch die Warenhäuser unzweifelhaft viele Käufer entzogen; im Gebiete der Jugendschriften und Bilderbücher macht sich das auf das empfindlichste bemerkbar. Leider hat sich in Hamburg der bürgerschaftliche Ausschuß nicht mit einer allgemeinen Umsatz steuer, oder mit einer Sonderbesteuerung für die Waren häuser befreunden können. Unser vom Ausschüsse gehörter Vertreter hatte die Umsatzsteuer oder eine Sonderbesteuerung lebhaft befürwortet, als eine Maßregel ausgleichender Ge rechtigkeit gegenüber den vielfachen Schädigungen, welche die Warenhäuser dem gesamten Kleinhandel zufügen, und zwar durchaus nicht immer in reellem Wettbewerb. Wenn wir auch annehmen, daß die Ramschgeschäfte im letzten Jahre nicht an Umfang zugenommen haben, so ist dieser Krebsschaden doch leider nur allzutief schon eingefressen. Es kann nicht oft genug ausgesprochen werden, daß jedes verramschte Buch Totengräberarbeit verrichtet an den neuen und kommenden Büchern. Weitere Kreise im Publikum rechnen schon so sicher damit, daß wir selbst bei »Bismarcks Gedanken und Erinnerungen« häufiger hören mußten: »Ach, das Buch ist ja nächste Weihnacht schon viel billiger zu haben!« —Der feste Ladenpreis ist Eck- und Grundstein des deutschen Buchhandels. Er muß gehalten werden. Darum wünschen wir den betreffenden Verlegern eine starke Dosis Skepsis bei allen bezüglichen Verlagsanerbietungen und keine Ueberschwenglichkeit an eigenen Ideen und Projekten für Ge schenklitteratur. Ob in unserer Zeit der Assekuranz spekula tive Verlagsunternehmungen auf diesem Gebiete durch eine Versicherung auf Gegenseitigkeit vor dem Verramschen ge schützt werden können, mögen die beteiligten Kreise immerhin erwägen. Reisebuchhandel. Die »Vereine gegen Unwesen in Handel und Gewerbe« im Deutschen Reiche haben sich mit einer Eingabe an den Bundesrat gewandt, worin sie fordern, daß der Vertrieb von Konversationslexikons und ähnlichen Werken durch Reisende, sofern Ratenzahlungen dabei vereinbart werden, hinfort verboten würde. Die Schäden dieses Vertriebes für den Buchhandel sind gewaltig: die unzähligen Exemplare, die auf diese Weise an insolvente Leute abgesetzt werden, wandern größtenteils bald in den Handel zweiter Hand und machen die Ladenpreise der betreffenden Werke hinfällig; diejenigen Exemplare aber, die an einigermaßen solvente Leute abgesetzt werden, erschöpfen deren Kaufkraft und -Lust für andere Bücher. Das haben wir vor fünf Jahren, als die Materie reichsgesetzlich neu geregelt wurde, oft und laut in den Buch handel hineingerufen, fanden jedoch nur ein mäßiges Echo. Deshalb wuchert dieser Raubbau üppig weiter. Die Vereine gegen Unwesen gehen von einem anderen Gesichtspunkte aus: sie sagen, daß unzählige wirtschaftliche Existenzen dadurch ruiniert werden, bringen zum Beweise eine Anzahl von Beispielen und fordern deshalb Verbot dieses Vertriebes. Die Zustände sind in der That himmelschreiend. Viele, viele kleine Handwerker, selbständig und unselbständig, untere Beainte, Angestellte u. s. w. werden alljährlich ab geschlachtet von »Leuten mit wilder Gier für Ver dienst«, denn Shplock hat seinen Schein und klagt. Wie vor Jahren im Börsenblatte zu lesen war, reichte eine einzige Reisefirma monatlich 300—400 Klagen bei dem Amts gerichte ihres Ortes ein — Klagen auf unterlassene Raten zahlungen von 3 Wer aber Gerichtskosten im Deutschen Reich kennt, weiß, wie sich diese kleine Summe enorm ver vielfacht. Es ist für den schlichten Menschenverstand unbe greiflich, daß die Bestimmung des Erfüllungsortes, die im Großhandel nötig sein mag, bei solchen Hausiergeschäften Anwendung finden darf. Ehe nur ein unglücklicher Monteur, Lackierer u. s. w. in Hamburg recht begriffen hat, daß er auf Grund des von ihm ahnungslos unterschriebenen Scheines mit der Klausel »Erfüllungsort Berlin« dort verklagt worden ist, ist schon längst ein Versäumungsurteil gegen ihn er gangen, und der hamburgische Gerichtsvollzieher stellt sich zur Pfändung ein. Shplock hat seinen Schein, und keine Porcia findet in unserer formalen Rechtsprechung Gehör. Der unglückliche Schuldner muß verbluten. Warum ist er auch dem Mann mit wilder Gier für Verdienst zum Opfer gefallen? — Wahrlich, diese Zustände schreien zum Himmel! Ob sie aber deswegen von unseren Gesetzgebern gehört werden mögen, ist mindestens zweifelhaft. Unsere Gesetzgeber tagen nicht im Himmel! »Der Mann mit wilder Gier für Verdienst« ist der Typ des Reisebuchhandels. Ohne ihn geht es nicht. Die Bezeich nung entstammt übrigens einem Brief, der jetzt durch viele Zeitungen ging und von einem Geschäftsinhaber an einen Bewerber um eine Reisestelle gerichtet war.^ Es heißt darin: »Ich sah noch niemand ungeeigneter im Vertrieb religiöser Werke als gelernte Buchhändler, die, kommt es zum Treffen, schon aus reiner Beklommenheit nicht losgehen. Hier kommt es auf Energie und kühnes Auftreten an, das ich am Schlossergesellen u. s. w. viel eher wahrnehme, ganz gleichgültig, ob sie richtig deutsch sprechen oder nicht. Die Inhaber der größten Reisegeschäste fipd ehemalige Schlossergesellen oder Hausknechte, ebenso wie auch Ihr Herr . . . dort. Einen gelernten Buchhändler habe ich es hierin noch nie zu etwas bringen sehen. Seine vermeintliche »Bildung-, sein -ehrenhafter Stand» verweisen ihn zum Verkauf von Stahlfedern und Schreibheften bei kärglichem Verdienst . . . Nur einen Mann mit wilder Gier für Verdienst kann ich für diesen Posten verwenden . . . Ich bemerke, daß meine reich illu strierten . . . werke Erscheinungen ersten Ranges sind, deren Inhalt jedermann verblüfft, deshalb stehen den Reisenden auch alle Thüren offen durch Empfehlungsschreiben allerhöchster Hand: Ihrer Maj. der Kaiserin, den König von Sachsen, Preußen, Württemberg, evang. preuß. und bad. Oberkirchenrat, preuß. Hauptbibelgesellschaft u. s. w. Ich bin auf 14 Jahre hinaus mit solch großen illustrierten Werken belegt. Nächstes Jahr kommt eine gleichfalls illustrierte . . . daran in zwei Ausgaben zu 45 Heften ä 50 ->) und eine Volks ausgabe zu 25 Heften von den bekanntesten Ober-Konsistorialräten herausgegeben. Ueberlegen Sie sich also erst die Sache, prüfen Sie erst Ihre »dicke Haut- und kommen Sie erst nach erlangter Ge wißheit zu persönlicher Rücksprache.- Wir dürfen wohl annehmen, daß der Briefschreiber von derselben skrupellosen Gier erfüllt ist, die er von seinen An gestellten fordert. Uebrigens wurde Hamburg im vergangenen Jahre u. a. m. von solchen Leuten heimgesucht, die eine Predigtsammlung für 12 vertrieben und dafür Em pfehlungsschreiben von zwei hiesigen Hauptpastoren und einem 95
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