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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.03.1899
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- 1899-03-03
- Erscheinungsdatum
- 03.03.1899
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51, 3. März 1899. Nichtamtlicher Teil. 1695 Die Litteratiirkenntnis des Buchhändlers. Der Buchhändler ist der Vermittler der litterarischen Er scheinungen, der Mittelsmann zwischen Antor und Publikum, zwischen dem gebenden und nehmenden Teile in der Litte- ratur. Oester als vormals wird in unseren Tagen die Klage laut, daß dieser Vermittler wenig Anteil und geistigen Gewinn an den Büchern habe, die alljährlich in ungezählten Mengen durch seine Hände gehen, daß seine Kenntnis der Litteratur wohl in die Breite — Büchertitel und Preise — nicht aber in die Tiefe zunehme. Ehedem soll es anders gewesen sein. Da lasen die »Händler« jahraus, jahrein Bücher und Zeit schriften; was ihnen gut schien, vor ihren: Urteil bestand, das führten sie von den Messen mit nach Hause und konnten es ihren Käufern ernsthaft empfehlen. Heute sei es — so lautet der landläufige Vorwurf — anders geworden: die Bücher wären eine Ware wie jede andere, der Buchhändler achte nur auf Rabatt und Gewinn, lobe, ohne zu kennen, ihm fehle die innere Beziehung zu den Büchern, er selbst trage kein Ver langen nach den Schätzen, die er anderen so warm anpreise. Solcher Tadel ist aber nur teilweise berechtigt. Nach zwei entgegengesetzten Richtungen hat die Entwickelung des Buch handels stattgefunden. Auf der einen Seite ist ein Teil, und zwar der kleinere, wie im Vergleich mit den Berufsgenossen der anderen Länder kecklich behauptet werden darf, thatsächlich zu Kaufleuten und Krämern geworden, auf der anderen Seite ist die größere Hälfte emporgeschritten, hat immer engere Beziehungen zu den Büchern, die der Markt auf den Laden tisch schwemmte, gesucht und gefunden, und aus Gebildeten sind Gelehrte geworden, denen auch die äußere Anerkennung nicht lange versagt blieb; Universitäten und gelehrte Körper schaften haben sich beeilt, diesen treuen Helfern der Wissen schaft die Würden zu verleihen, über die sie verfügten, und in jeden: einzelnen seiner Mitglieder, dem in den letzten Jahren bonoris ounsa der Doktortitel verliehen wurde, fühlt sich mit Recht der Gesamtbuchhandel geehrt und gehoben. Und dazu sind in seinen Reihen Forscher und Kenner der eigenen Berufsgeschichte entstanden, die dieser bald einen gleichberechtigten Platz neben den übrigen historischen Fächern errungen haben werden und durch den Ausbau ihrer Diseiplin auch vielfach befruchtend auf die verwandten Wissens zweige gewirkt haben. Während die Richtungen an: Geistesleben des Buch handels solcherart immer mehr voneinander sich ent fernten, ist darüber der Mittelstand der guten alten Zeit, der sich begnügte, zu lesen und zu lernen, ohne zu lehren, zusammengeschrmnpft. Zweierlei mag mit die Ursache hier für gewesen sein: die rasch ansteigende Produktton des Bücher- s Marktes, die es auch dem ernstesten Leser unmöglich : machte, auch nur den bedeutenden Erscheinungen gerecht zu ^ werden, und die gleichzeitig ins maßlose gesteigerten Forde- / rnngen, die ein verwöhntes Publicum an den Buchhändler zu stellen begann. Er sollte alles wissen, alles gelesen, jede ein zelne Grammatik, jedes Rechenbuch gründlich auf seine Ver wendbarkeit geprüft haben, er sollte von jeder Jugendschrift wissen, ob sie spannend, romantisch oder elegisch, religiös und sittenrein sei, dabei natürlich über die Speziallitteratur der entlegensten und entgegengesetztesten Gebiete Auskunft geben können, und gar die Forderung, auf Grund einer flüchtigen Inhaltsangabe eines halb vergessenen alten Romans Titel und Verfasser desselben zu bestimmen, wird jeder Buchhändler schon wiederholt gehört haben. Um solche unbilligen Wünsche zu befriedigen, konnte natürlich die alte Art in der Erwer- werbung von Litteraturkenntnissen nicht ausreichen, und so kamen an Stelle dieser neue Bräuche auf, die bei einer be triebsamen Minderheit des Buchhandels rasche Verbreitung fanden. Man las nicht mehr die Bücher selbst, sondern nur die Prospekte und Ankündigungen, inan urteilte flott und sicher über alles und jedes, imponierte vielleicht dadurch jener kritik losen Menge, der ein selbstbewußtes Wort immer Achtung abnötigt, verstimmte aber zugleich den engeren Kreis der wirklichen Bücherfreunde, die in dem Buchhändler immer den treuen Verehrer, den feinen Kenner der Litteratur gesehen hatten. So kam die Richtung auf, die ich den journali stischen Buchhandel nennen möchte, journalistisch in dem Sinne genommen, in dem — allerdings oft sehr mit Unrecht — ein großer Teil der litterarischen Tagesproduk tion als oberflächlich und inhaltslos verurteilt wird. Gegen solche Strömungen kann nur Abhilfe geschaffen werden, indem der Buchhandel sich wie bisher streng gegen Elemente verschließt, die, nachdem sie in anderen Berufen Schisf- bruch gelitten haben, sich dem Buchhandel znwenden, ohne die allgemeinen und besonderen Kenntnisse, die dieser Stand mehr als jeder andere von seinen Mitgliedern fordert, indem auch weiter der größte Nachdruck auf eine tüchtige Vorbildung des Heranwachsenden Geschlechts gelegt wird. Mit Genugthuung muß man feststellen, daß heute so viele Söhne alter Firmen zur Universität gehen, um von dort nach vollendeten Studien bescheiden zu Pult und Ladentisch zurückzukehren. Und so läßt sich auch ein Rückgang jener oben angedeuteten »jour nalistischen Richtung« wohl beachten. Das erste Erfordernis, das man an die Kenntnisse des Buchhändlers stellt, ist Vertrautheit mit der Litteratur im engeren Sinne, d. i. mit den Dichtern und Klassikern alter und neuer Zeit. Bei der »Fülle der Gesichte« wird diese Kenntnis durch eigene Lektüre sich erst im Laufe vieler, sorg sam ausgenutzter Abendstunden erwerben lassen und dürfen Hilfsbücher und Geschichtswerke wohl helfend und ergän zend eintreten. An solchen Büchern, die den: jungen Buch händler die Kenntnis der Litteraturwerke unseres und fremder Völker vermitteln können, herrscht durchaus kein Mangel. Johannes Scherrs vor wenigen Jahren auch in diese:: Blät tern gewürdigte Geschichte der Weltlitteratur sei vor allem rühmend genannt. Einer Empfehlung bedarf dieses Werk so wenig wie Wilhelm Scherers Geschichte der deutschen Litteratur. Dazu treten an Einzeldarstellungen die textlich und illustrativ reichhaltigen Litteraturgeschichten, die das Bibliographische Institut in Leipzig verlegt, wie Wülkers englische oder Percopo-Wieses italienische und die von Suchier und Schultz-Gora vorbereitete französische Litteraturgeschichte. Neben diesen großen stattlichen Bänden möchte ich aber auch eines bescheidenen, kürzlich wieder neu aufgelegten Buches gedenken, das wie wenig andere gerade den Bedürfnissen des Buchhändlers entgegenkommt, das richtige Mittelmaß zwischen dem Zuviel und Zuwenig, zwischen den Ansprüchen des Forschers und denen des Bildungsphilisters hält. Hellmuth Mielkes Geschichte des deutschen Romans in: neunzehnten Jahrhundert*) scheint mir einmal thatsächlich in jene »Hand- und Hausbibliothek des Buchhändlers« zu gehören, in die so viele Bücher unberechtigt Einlaß fordern. Denn Mielke versteht es, im engen Rahmen eines wenig umfangreichen Bandes uns ein Bild des deutschen Romans in fast hundertjähriger Entwickelung zu geben, freilich ein Bild, mehr mit einigen sicheren Strichen hingeworfen, als in: ein zelnen, im Detail sorgfältig ausgeführt. Und das scheint mir die Kunst des Verfassers zu sein, daß er es verstand, so wenig zu geben, wo er so viel zu bieten vermochte, lieber den deutschen Roman des neunzehnten Jahrhunderts ein mehrbändiges Werk zu schreiben, ist leichter, als diese Aufgabe in einem dünnen Buche erschöpfen. Hier handelt es sich darum, die erdrückende Fülle der Namen und Titel zurückzudrängen, die Strömung *) Mielke, Hellmuth. Der deutsche Roman des neunzehnten Jahrhunderts. 3. vermehrte und verbesserte Auflage. 8«. VIII, 456 S. Berlin 1898, C. A. Schwetschke und Sohn. 227
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