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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.03.1899
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- 1899-03-30
- Erscheinungsdatum
- 30.03.1899
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74, 30. März 1899. Nichtamtlicher Teil. 2431 Handelte es sich doch um die Frage, ob unfern Kindern Jugendschriften von absichtlich religiöser oder patriotischer Färbung vorzuenthalten seien oder nicht. Die Meinung des Hamburger Prüfungsausschusses in diesem Punkte und ihre Tragweite lassen sich nur aus genauerer Kenntnis seiner Ziele überhaupt und seiner Stellung innerhalb der vereinigten Prüfungsausschüsse beurteilen. Die Hochflut der Jugendliteratur hat seit längerer Zeit zu ernster Kritik und Sichtung angeregt. Für die höheren Lehranstalten hat der Katalog von vr. Georg El len dt, im Verlag des Hallenser Waisenhauses erschienen, maßgebende Bedeutung erlangt. Hohe Anerkennung verdient die eifrige, selbstlose Beteiligung der Volksschullehrer an dieser Arbeit, aus denen sich in der Schweiz, Oesterreich und Deutschland zu diesem Zweck besondere Kommissionen gebildet haben. Mehrere dieser deutschen Prüfungsausschüsse haben sich zu einheitlichem Wirken zusammengethan und in der seit August 1893 herausgegebenen Jugendschriften-Warte ein Organ ge schaffen, das neben den Ergebnissen einer peinlich-gründlichen Kritik auch selbständige, die Frage der Jugendlektüre be berührende Aufsätze bringt. Früher in Berlin redigiert, er scheint das Blatt seit 1896 in Hamburg, und man erkennt seitens der übrigen dem Verbände ungehörigen deutschen Prüfungsausschüsse im ganzen die Führerschaft der Hamburger Kommission an, deren hervorragende Vertreter sich sehr rege litterarisch bethätigten und der Arbeit der Ausschüsse in be sonderen Schriften die Bahnen wiesen. Es kommt hier neben anderen noch zu erwähnenden Büchern vor allem ein Buch von Heinrich Wolgast in Betracht: »Das Elend unserer Jugendlitteratur«, Hamburg 1896. Da sich die Darlegung der Bestrebungen des Hamburger Prüfungsausschusses im folgenden wesentlich an die erwähnte Arbeit von Wolgast hält, ist es wichtig vorauszuschicken, daß der Prüfungsaus schuß selbst dazu berechtigt, indem er sich wiederholt aus drücklich mit den Grundsätzen Wolgasts identifiziert.*) Als Neuerung gegenüber der bisherigen Praxis, die bei der Empfehlung von Jugendlitteratur die durch Schule und Haus bedingten Bildungsunterschiede der jungen Leser be rücksichtigen zu müssen glaubte, fällt bei dem Hamburger Prüfungsausschuß eine prinzipielle Nichtbeachtung jener Unter schiede auf. Wiederholt wird betont, daß das Verzeichnis nicht etwa nur für die Volksschulen, sondern für alle Schulen bestimmt sei. Es hängt das innig zusammen mit der Be deutung, die der Hamburger Prüfungsausschuß der nach seinem Sinn gewählten Jugendlektüre beimißt, daß sie näm lich zum Kunstgenuß erziehen solle. »Die künstlerische Ge nußfähigkeit ist nicht das Vorrecht einer höheren Schulbildung«, sagt Wolgast einmal.**) Die ästhetische Schulung des litte- rarischen Geschmacks soll bei allen Kindern erstrebt werden, und diese Schulung verspricht man sich davon, daß man ihnen nur Kunstwerke zu lesen giebt. — Drei Sätze sind es, in denen sich das Programm des Hamburger Prüfungs ausschusses entfaltet: 1) die Lektüre soll der Jugend zur edelsten Lebensfreude, zum Kunstgenuß, verhelfen; 2) die Jugendschrift in dichterischer Form muß ein Kunst werk sein; 3) die »spezifische« Jugendschrift ist zu bekämpfen. Der zweite Leitsatz folgt aus dem ersten, und der dritte ergiebt sich ohne weiteres aus dem zweiten, insofern ein litte- rarisches Kunstwerk, das auch der Jugend vollauf verständ lich ist, für Erwachsene dadurch an Genießbarkeit eher gewinnt als verlierst unter der »spezifischen« Jugendschrist aber eine solche zu verstehen ist, die sich in bewußter Selbstbeschränkung *) Vgl. z. B. Hamburg. Corresp. vom 25. und 28. September 1898. **) Vgl. Jugendschriften-Warte, Januar 1897, S. 3. zu kindlichem Denken und Empfinden herablätzt und für reiferes Alter an Reiz und Wert einbüßt. Naturgemäß wiegt in der Arbeit des Hamburger Prüfungsausschusses die kritische Thätigkeit vor. Ueber deren Stimmung und Richtung wird am besten eine Reihe von wörtlichen Anführungen aufllären, die wir im folgenden Wolgasts erwähntem Buch entnehmen. Daneben kommen in Betracht die »Beiträge zur litterarischen Beurteilung der Jugendschrift«, herausgegeben vom Hamburger Prüfungs ausschuß für Jugendschristen 1896, und eine Abhandlung von R. Roßi »Oeffentliche Bücher- und Lesehallen« 1897, die von der Lehrervereinigung zur Pflege der künstlerischen Bildung und von dem Prüfungsausschuß gemeinsam ver öffentlicht wurde. Bei Wolgast heißt es: S. 7f.:Das Ideal dieser Reformschrift steht und fällt mit der Annahme einer in absoluter Notwendigkeit sich voll ziehenden Zurückdrängung der privaten Lektüre der Kinder, lieber ein Jahrhundert hat nun schon das spezifische Kinderbuch leere Stunden unserer Jugend mit nichtigem Inhalt gefüllt Wenn die Ware, die bisher in Tausenden von Werken den Jugendschriftenmarkt beherrschte, völlig beseitigt und durch wenige an den Fingern herzählbare Kunstwerke ersetzt werden soll, so ist als Vor bedingung eine völlige Umwälzung in der litterarischen Bildung der Massen und den litterarischen Produktions und Distributionsverhältnissen zu bezeichnen. Aber auch umgekehrt! Ist eine solche Umwälzung, die der Natur der Sache nach nichts anderes als eine riesige Sinnes änderung des Volkes bedeutet, möglich ohne jene Reform der Lektüre unserer Jugend? S. 19: Die Dichtkunst kann und darf nicht das Beförderungs mittel für Wissen und Moral sein. Sie wird erniedrigt, wenn sie in den Dienst fremder Mächte gestellt wird. Gegenwärtig sind es, den politischen Zeitverhältnissen ent sprechend, mehr der Patriotismus und die Religion, die das Gewand der dichterischen Form für ihre Zwecke mißbrauchen. Der größte Teil der spezifischen Jugend litteratur besteht aus Tendenzschriften. Und wenn eine Tendenzschrist unter Umständen eine große That, vielleicht auch nach der künstlerischen Seite hin, darstellt, so ist sie doch in Rücksicht auf die geringe Urteilsfähigkeit der Kinder in der Jugendlitteratur durchaus zu verwerfen. S. 36 ff.: Wir wollen ein genußfrohes Geschlecht erziehen. Alle Asketik ist an der ununterdrückbaren Lebensfreude ge scheitert; wohl aber hat sie den Begriff des Genusses verdächtigt und die Kultur desselben hintangehalten. . . . Nicht zu unterschätzen ist die soziale Seite der Frage. Es ist gewiß für das öffentliche Leben in jedem Betracht von Bedeutung, wie die großen Massen der arbeitenden Klassen ihre ästhetischen Bedürfnisse befriedigen. .... Ein großes Interesse an der Erziehung zur litterarischen Genußfähigkeit hat die Litteratur selbst Ein wie fruchtbarer Nährboden könnte für die gute Litteratur erhalten bleiben, wenn die Jugend die Dichter lesen wollte, anstatt der bluttriefenden Hurrahskribenten und frömmelnden Poesietanten. S. 40: Nach den Ausführungen des letzten Kapitels müssen die Belehrung und Veredelung als Zwecke der dichterischen Jugendschrift abgelehnt werden um des Kunstwerks und der künstlerischen Erziehung willen. S. 47f: Der Wirklichkeitssinn, d. i. die Fähigkeit, an den Dingen, wie sie sind, genug zu Haben und an ihrer Eigenart eine gewisse Freude zu empfinden, hat eine sehr beachtenswerte moralische Seite Jene unzähligen Jugend- schriften, die, um mit Or. A. Detmer zu reden, -die Tugend in ihrer schönsten Gestalt darstellen, das Laster aber in seiner ganzen Verwerflichkeit-, tötenden Wirklich keitssinn der Kinder und das Gefühl für die einfache, natürlich simple Wahrheit S. 49:So erklärt sich dann die Thatsache, daß Schulkindern die Pointe in einer Geschichte zu fehlen scheint, wenn in der selben nicht das Gute oder das Böse seine moralische Wertschätzung erfährt. S. 53: Ein idealer Buch-Knabe ohne Fehl und Tadel. . . . muß eher niederdrückend als anspornend wirken. Engel geben keine sittlichen Impulse S. 102: Bei den hier (in Jeremias Gotthelfs Schriften) ge schilderten Leuten ist das Leben in Gott ein wichtiger Teil, ja das Wesen ihres Lebens, und ihr Denken und 324*
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