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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.03.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-03-14
- Erscheinungsdatum
- 14.03.1899
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- Deutsch
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1984 Nichtamtlicher Teil. 60, 14. März 1899. »ach allen Richtungen hin befriedigenden Weise nach der Natur der menschlichen Verhältnisse niemals zu hoffen sein wird, um Probleme, denen außerdem das formale Recht der Gesetz gebung nur in gewissen Grenzen, und auch dann- nur schwer beizukommen vermag. Es ist erklärlich, wenn auch vielleicht bedauerlich, daß unter den Umständen die Einen im Unmut Uber die geringe Wirksamkeit der bestehenden Gesetze den Bogen noch weiter anspannen wollen, die Anderen in der Erkenntnis des geringen Erfolgs, der mit gesetzlichen Bestim mungen zu erreichen ist, schon das Gegebene vielleicht als zu viel betrachten. Unter den: Druck und Widerdruck dieser verschiedenen Anschauungen sind wir an dem toten Punkt angelangt, über den wir bis dahin nicht hinauskamen, und der jede legislative Verbesserung unseres bestehenden Rechts vereitelt hat. Nun bin ich der Meinung — und die verbündeten Regierungen teilen sie —, daß dieser Zustand auf die Dauer nicht möglich ist, daß deshalb, weil in gewissen Beziehungen die Meinungen im Hause so weit auseinandcrgehen, die Ge setzgebung auf dem ganzen Gebiete zur Unfruchtbarkeit ver urteilt wird. Es ist ein bedauerliches Schauspiel, welches Reichstag und verbündete Regierungen, die Faktoren der Reichsgesetzgebung, dem Lande bieten, indem sie über Fragen, die das sittliche Empfinden des Volks in weiten Kreisen doch tief berühren, zu irgend welcher abschließenden Regelung nicht gelangen können. Man sollte sich auch fragen, ob es in: Interesse der Bevölkerung liegt, daß man zwar über Einzelheiten der bisher diskutierten Vorschläge zu einer Annäherung der Anschauungen kommt, die insoweit eine Verständigung hoffen lassen, daß man aber deshalb doch praktisch zu nichts gelangt, weil man nicht in allem einen Ausgleich der Ansichten erreicht. (Sehr richtig!) Auch wenn wir die tatsächlich bestehenden Zustände auf dem hier fraglichen Gebiete uns vergegenwärtigen, wird man nicht sagen können, daß sie in ihrer Entwickelung die Unthätigkeit der Gesetzgebung, wie sic in den letzten sieben Jahren hervorgetreten ist, zu rechtfertigen vermögen. Im Gegenteil, man kann sich der Besorgnis nicht verschließen, daß wir auf diesem Gebiete in einer Periode sittlichen Nieder gangs begriffen sind. Es ist eine traurige Thatsache, die ich hier ausspreche; aber ich glaube, sie ist unwiderleglich, und ich möchte mir gestatten, aus unserer Statistik Ihnen einige Zahlen anzuführen, die, wie ich glaube, keine Meinungs verschiedenheit in dieser Beziehung aufkommen lassen. Ich habe vor mir einige Zahlen aus der Reichsstatistik von 1882 bis 1897, — nicht aus der Zeit vor 1882, weil wir für die früheren Jahre eine Reichsstatistik nicht besitzen. Wenn ich mir das Gebiet der Verbrechen und Vergehen ansehe, welches unser Strafgesetzbuch in einem besonderen Kapitel behandelt unter der Ueberschrift »Verbrechen und Ver gehen gegen die Sittlichkeit«, dann ergiebt unsere Statistik, daß auf diesem ganzen Gebiet in den 16 Jahren von 1882 bis 1897 auf je eine Million der strafmündigen Bevölkerung entfallen sind im Jahre 1882: 200 Fälle, im Jahre 1897 aber 290 Fälle. Mit anderen Worten, die Zahl der Ver brechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit ist je für eine Million Einwohner um fast die Hälfte der Ausgangszahl von 1882 gewachsen Ich glaube, für jeden, dem es mit der geistigen und sitt lichen Gesundung des Volkes Ernst ist, spricht die Wucht dieser Zahlen genügend. Sie ist nach meiner Meinung ein unwider leglicher Beweis dafür, daß die sittlichen Zustände bei uns seit 1882 sich verschlechtert haben, und sie ist, wie ich hoffe, angethan, das Haus von neuem ernsthaft vor die Frage zu stellen, ob man nicht in den Sittlichkeitsfragen, die uns in den letzten Jahren beschäftigt haben, zu irgend einer, einiger maßen befriedigenden, zwar nicht alle Parteien gleich befrie digenden, aber doch den Interessen des Landes nützlichen Lösung gelangen kann. Nun, die verbündeten Regierungen unternehmen es, aus den Erwägungen heraus, die ich mir erlaubte, Ihnen vor zutragen, nochmals an das hohe Haus zu appellieren. In den Verhandlungen der Kommission des vorigen Jahres ist übereinstimmend, und sogar von denjenigen Herren, die sehr extreme Forderungen vertraten, anerkannt worden, daß auf diesem Gebiet durch Mittel der Gesetzgebung nicht allerwege Einrichtungen geschaffen werden können, die den strengen Anforderungen der Sittlichkeit entsprechen. Wir haben es hier mit Verhältnissen zu thun, die zum Teil sich ganz dem Zwange des Gesetzes entziehen. Während dies aber für einzelne Fragen praktisch anerkannt wurde, indem inan in den damaligen Beschlüssen der Kommission die Strafvor schriften entsprechend einengte und den Verhältnissen des Lebens Rechnung trug, ist das in anderen Punkten leider nicht geschehen: man hat dort in einer rigorosen Auffassung der Verhältnisse Beschlüsse gefaßt, die, wenn man unbefangen die Dinge im Leben ansieht, thatsächlich undurchführbar er scheinen müssen. Hierdurch ist ein unverkennbarer Zwiespalt in die Beschlüsse der Kommission hineingekommen. Die verbündeten Regierungen wünschen mit Ihnen zusammen den Versuch zu machen, ob sich dieser Zwiespalt nicht beseitigen läßt; sie haben Ihnen deshalb in ihrer Vorlage einen Entwurf ge bracht, der sich, nicht in allem, aber doch in vielem dem jenigen anschließt, was die Kommission der vorigen Session beschlossen hat. Sie haben allerdings in wichtigen Punkten die damaligen Beschlüsse nur als unannehmbar bezeichnen können, und ich darf hier von vornherein erklären, daß die ver bündeten Regierungen auf Bestimmungen wie die in dem be kannten Arbeitgeberparagraphen sich unter keinen Umständen einlassen werden. So ernsthaft und mit dem besten Willen des Entgegenkommens die Regierungen die Kommissionsbeschlüsse auch geprüft haben, so sind sie doch der Ueberzeugung ge worden, daß sie nicht alle den unerbittlichen Verhältnissen des Lebens genügend, so wie es eine praktische Gesetzgebung thun muß, Rechnung tragen. Die Regierungen hoffen, daß Sie, meine Herren, auch Ihrerseits bei wiederholter Prüfung der Dinge dieser Auffassung sich anschließen werden. Sollten die Regierungen in dieser Hoffnung sich täuschen, so werden sie auf einen weiteren gesetzgeberischen Versuch, eine Besserung der Verhältnisse herbeizuführen, zu ihrem lebhaften Bedauern verzichten, sie werden sich mit dem Bewußtsein trösten müssen, daß sie, wenn auch vergeblich, das ihrige gethan haben, um schweren Uebelständen entgegenzuwirken. Nun, meine Herren, liegt neben der Vorlage der Regierungen Ihnen auch ein Antrag vor, dessen Beratung mit unserer Vorlage verknüpft werden soll: das ist der Antrag der Herren Abgeordneten Prinz von Arenberg und Genossen. Die ver bündeten Regierungen haben, wie das den Gepflogenheiten entspricht, formell zu diesem Anträge eine Stellung nicht genommen; aber ihre Vorlage und meine Ausführungen ergeben zur Genüge, daß die Vorschläge, die in diesem An träge gemacht sind, den verbündeten Regierungen unannehm bar erscheinen. Nach ihrer Ansicht liegt diesen Vorschlägen eine Ueberschätzung der Wirkungen der Gesetzgebung auf dem Gebiete des sittlichen Lebens zu gründe, und auf der anderen Seite eine Unterschätzung der Interessen auf gesellschaftlichem, gewerblichem, künstlerischem, litterarischem Gebiete, welche das ganze Leben unseres Volkes durchziehen, welche von diesen Bestimmungen zum Teil tief berührt werden, ja in einer Weise verletzt werden würden, daß ein größerer Schaden daraus sich ergeben müßte, als mit dem vielfach doch nur scheinbaren Erfolg, der von den Bestimmungen des Antrags zu erwarten sein würde, sich rechtfertigen lassen könnte. Im Namen der verbündeten Regierungen kann ich Ihnen
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