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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.03.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-03-15
- Erscheinungsdatum
- 15.03.1899
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- Deutsch
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61. 15. März 1899. Nichtamtlicher Teil. 2015 Meinung allgemein eine energischere Bekämpfung der öffent lichen Unsittlichkeit, und es erging dann der bekannte Kaiser liche Erlaß vom 22. Oktober 1892 an das Staatsministerium, der eine wirksamere Abwehr der öffentlichen Unsittlichkeit für notwendig erklärte, sich dabei auf die öffentliche Meinung berief und die Erwartung aussprach, daß bei den zu ergrei fenden Maßregeln die Unterstützung innerhalb der gesitteteren Kreise der Bevölkerung nicht fehlen würde. In demselben Jahre wurde uns dann seitens der verbündeten Regierungen der erste Entwurf vorgelegt; dieser ist auch hier im Plenum und demnächst eingehend in der Kommission beraten, aber wegen Schlusses der Session nicht mehr zur Beratung im Plenum gekommen. Seitdem hat er im Schoße der ver bündeten Regierungen geruht, und es ging mit ihm, wie es in solchen Fällen sehr häufig zu geschehen pflegt: wenn etwas passiert, wodurch die öffentliche Meinung unangenehm aufgeregt wird, wenn sich tiefe Schäden in der menschlichen Gesellschaft zeigen, dann wird dringend verlangt, daß Besse rung geschaffen werde, daß Wandel eintretc; ist aber dann einige Zeit darüber vergangen, ist der erste Eindruck ver wischt, dann schläft die Sache ein, und alles bleibt beim alten. So auch mit dem Vorgehen der verbündeten Re gierungen. Meine Fraktion dagegen hat sich für verpflichtet gehalten, die Angelegenheit nicht ruhen zu lassen. Wir sind in jeder der folgenden Sessionen mit Anfragen und Anforderungen wegen Wiedervorlegung des Entwurfs an die verbündeten Regierungen hier herangetreten und haben dann, als dieses erfolglos blieb, aus eigener Initiative einen Entwurf ein gebracht, zuletzt im vorigen Jahre. Dieser ist ebenfalls hier verhandelt und in der Kommission geprüft worden; es ist aber die darauf hier im Plenum wieder stattgefundene Beratung nicht zu Ende geführt, weil inzwischen die Session geschlossen wurde. Deshalb waren wir genötigt, gleich bei Beginn der Session den Entwurf wieder einzubringen. Dieser hat wesentlich die Fassung, die der frühere Entwurf durch die Beschlüsse der Kommission erhalten hat. Wir haben dabei, wie ich ausdrücklich hervorhebe, von allen weitergehen den Bestimmungen, die allerdings zu einer wirksameren Be kämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit notwendig sind, im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes abgesehen und uns damit auf das Allernotdürftigste beschränkt, damit über haupt nur etwas zu stände kommt. Inzwischen ist nun auch in dieser Session von den ver bündeten Regierungen ein Entwurf wieder eingereicht. Man hätte wohl erwarten können, daß auch dieser Entwurf sich den Beschlüssen der Kommission angeschlvssen hätte, zumal diese Beschlüsse fast durchweg mit erdrückender, jedenfalls mit sehr großer Majorität gefaßt worden sind. Das ist aber leider nicht der Fall. Der gegenwärtige Entwurf der ver bündeten Regierungen weicht wesentlich von den doch schon auf das Notdürftigste beschränkten Kommissionsbeschlüssen ab, ja er weicht sogar ab von dem ursprünglichen, schon so überaus milden Regierungsentwurf von 1892. Das gilt na mentlich von dem tz 184s., der die Verbreitung und öffentliche Ausstellung unsittlicher Schriften und Bilder behandelt. Es ist mir beim Durchstudieren des Regierungsentwurfs und speziell dieses Paragraphen nicht recht klar geworden, was eigentlich mit der Fassung des H 184a, wie sie hier in dem Regierungsentwurf beliebt ist, gegenüber dem jetzt geltenden Recht geändert und erreicht werden soll; und es ist mir des halb fast zweifelhaft, namentlich mit Rücksicht auf ein in dem letzten Jahre ergangenes Reichsgerichtserkenntnis, das einer weitergehenden Interpretation des bestehenden Z 184 zuncigt, ob es nicht vielleicht sogar besser wäre, die Fassung des Re- gierungscntwurfs so, wie sie jetzt liegt, abzulehnen und es bei dem gegenwärtig bestehenden Rechte zu lassen, weil ich be fürchte, daß durch die jetzige Fassung die Fortentwicklung der anscheinend nun einmal begonnenen weitergehenden Inter pretation des Z 184 behindert werden könnte. Meine Herren, unser Entwurf dagegen hat sich in allen wesentlichen Punkten den Kommissionsbeschlüssen angeschlossen; nur auf einige Bestimmungen haben wir geglaubt nicht ver zichten zu dürfen, weil deren Ausschließung einen Widerspruch in das Gesetz hineintragen würde. Dazu gehört insbesondere der tz 184«. unseres Entwurfs, der denjenigen mit Strafe belegt, der öffentliche theatralische Schaustellungen von Per sonen oder ähnliche Aufführungen veranstaltet oder leitet, die durch gröbliche Verletzung des Scham- oder Sittlichkeitsgefühls Aergernis zu erregen geeignet sind. Das ist der sogenannte Theaterparagrnph. Meine Herren, Sie ersehen, daß diese Be stimmung gegen das Unwesen der Tingeltangel, der Spezia litätentheater und anderer Bühnen gerichtet ist, auf denen die Schamlosigkeit und die Verherrlichung der Unsittlichkeit sich immer dreister breit macht, und auf denen es vielfach ge radezu zu einem platten Kultus der Nacktheit und der Un sittlichkeit gekommen ist, ohne- daß auch nur eine Spur von Kunst, von künstlerischem Wert oder auch nur vou künstle rischem Beiwerk sich dabei findet. (Sehr richtig! rechts.) Ich möchte in dieser Beziehung nur Hinweisen auf den bekannten Chimay- und Barrisonskandal (sehr richtig!), der über ein Jahr lang auf unseren Bühnen sich breit machen konnte, obgleich er nichts anderes produziert hat als die wider wärtigste Nacktheit, eine widerwärtig indezente Körperstellung und ein wenig Trikot, ohne jede Spur von Kunst, so daß selbst in den Kreisen der Kiinstler und Zunftgenossen, denen man doch gewiß nicht Prüderie auf diesem Gebiet vorwerfen kann, sich eine allgemeine Bewegung gegen diesen Skandal geltend machte. Wenn Sie bedenken, daß solche und schlimmere Sachen nun das ganze Jahr hindurch, an jedem Tage, viel leicht auf hundert oder noch mehr als hundert Bühnen im Lande zur Aufführung gelangen, und daß diese Schau stellungen täglich das ganze Jahr hindurch von Tausenden und aber Tausenden von Menschen besucht sind, dann ergiebt sich von selbst, daß so etwas schließlich auf das ganze Volks leben einwirken muß. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Durch solche fortgesetzten Schaustellungen aber muß notwendig das Scham- und Sittlichkeitsgefühl im Volke geschwächt und vernichtet werden. Das Scham- und Sittlichkeitsgefühl im Volke aber ist die stärkste Schutzwehr gegen die Unsittlichkeit; wird diese Schutzwehr geschwächt oder beseitigt, dann ist die notwendige Folge, daß unser ganzes Volksleben mit der Zeit der moralischen Verseuchung überliefert werden muß. Aus diesen Gründen haben wir geglaubt, auf diesen Paragraphen nicht verzichten zu können, und ich bedaure, daß nicht auch die verbündeten Regierungen sich dazu ent schlossen haben, ihn in ihren Entwurf aufzunehmen; denn ich kann dem Regierungsentwurf den Vorwurf der Inkonsequenz wegen dieser Auslassung nicht ersparen. Der Regierungs entwurf erklärt in seinem 184a unsittliche Darstellungen für strafbar, wenn sie in Bild und Schrift geschehen. Nun ist es doch eine Inkonsequenz, diese selben unsittlichen Dar stellungen straffrei zu lassen, wenn sie körperlich und durch das lebende Wort, durch Deklamation und Gesang stattfinden und dadurch noch viel verderblicher auf die Sinnlichkeit und die Leidenschaftlichkeit einwirken. (Sehr richtig! in der Mitte.) Zu welchen Konsequenzen dies führt, zeigt der bekannte Chimaq-Fall. Die naturgetreue photographische Auf nahme dieser Person in 'ihrem Auftreten und Aufzug auf der Bühne wurde strafgerichtlich verfolgt, und der Vertrieb und die öffentliche Ausstellung dieser Photographieen auf Grund des bestehenden §184 als Vertrieb unzüchtiger Bilder bestraft und inhibiert. Während das an den photographischen Aufnahmen geschah, die doch nur das brachten, was in Wirk- 268"
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