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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.03.1899
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1899-03-15
- Erscheinungsdatum
- 15.03.1899
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- Deutsch
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2016 Nichtamtlicher Teil. 61, 15. März 1899. lichkeit auf der Bühne vor sich ging, konnte die Person in Wirklichkeit jeden Abend hier ganz in demselben Aufzug sich vor Tausenden von Menschen öffentlich produzieren. Daß darin .eine Inkonsequenz liegt, wird niemand bestreiten. (Sehr richtig!) Was nun den übrigen Inhalt der beiden Entwürfe angeht, so möchte ich mit Rücksicht auf die Materie, die sich wohl weniger zur Erörterung hier im Plenum als in der Kommission eignet, hier mich nur auf einige Bemerkungen beschränken. Die Aß 181 und 182 behandeln die Kuppelei und das Zuhältertum, sind also gegen das bereits vorhandene Laster gerichtet. Nun bin ich weit entfernt, die Notwendigkeit und den Wert dieser Strafbestimmungen zu unterschätzen! allein ich kann ihnen doch nur insofern Bedeutung bei messen, als nun mit diesen Maßnahmen gegen das bereits vorhandene Laster in gleichem Schritt auch Maßnahmen ge troffen werden, die die sittlich noch unverdorbene Jugend schützen. Denn, meine Herren, darüber sind wir wohl einig: wenn eine unsittliche Jugend heranwächst, dann können alle Bestimmungen gegen die Prostitution, gegen das Zu hältertum und gegen die Kuppelei zur Eindämmung des einmal vorhandenen Lasters nur sehr wenig helfen, das Laster wird, wo es einmal vorhanden ist, sich schon Bahn zu brechen verstehen. Deshalb legen wir — meine Fraktion und ich — das Hauptgewicht auf diejenigen Bestimmungen des Entwurfs, welche bezwecken, unsere Heranwachsende, noch unverdorbene Jugend vor den Ge fahren der Unsittlichkeit zu bewahren, also auf den 8 184 und dessen Ergänzung, welche namentlich die Verbreitung und die öffentliche Ausstellung unsittlicher Bilder und Schriften unter Strafe stellt. Ich freue mich, daß wir uns in diesem Punkte jedenfalls mit der Tendenz des Antrags von Stumm begegnen. Ich habe aber Bedenken, ob eine bloße Ver schärfung des Strafmaßes, wie es anscheinend in dem An träge beabsichtigt ist, viel Erfolg haben wird, wenn nicht gleichzeitig auch die Grenzen des Anwendungsgebiets der jetzigen strafgesetzlichen Bestimmungen erweitert werden. Der A 184 des Strafgesetzbuches, wie er jetzt besteht, verbietet die Verbreitung und öffentliche Ausstellung un züchtiger Bilder und unzüchtiger Schriften. Die Recht sprechung des Reichsgerichts zu diesem Paragraphen hat dahin geführt, daß jetzt in der Praxis der Begriff »unzüchtig« vielfach eine so enge Interpretation erfährt, daß eigentlich von diesem 8 184 nur noch solche Bilder und Schriften be troffen werden, die unzüchtige Handlungen darstellen oder zu unzüchtigen Handlungen reizen, während Bilder, die die schamlosesten Nuditäten enthalten, straffrei bleiben und sich in den Schaufenstern, an öffentlichen Straßen, in den Pro spekten, auf den Ansichtskarten, auf den Photographieen breit machen können. Meine Herren, das hat zur Folge, daß man jetzt Kinder kaum noch die verkehrsreichsten Straßen der Stadt passieren lassen kann, ohne daß man fürchten muß, daß sie durch die Ausstellungen solcher Nuditäten in den Schaufenstern, deren Anblick sie sich kaum zu entziehen ver mögen, sittlich vergiftet werden. Wir, wenn wir diese Bilder sehen, haben wohl nur das Empfinden des Aergers über die Frechheit und die Schamlosigkeit, solche Dinge öffentlich auszustellen! aber die Heranwachsende Jugend — ich habe das schon im vorigen Jahre gesagt — sieht diese Bilder mit anderen Augen an! die Phantasie der Kinder wird erregt, der Anblick solcher Nacktheiten spinnt in der Phantasie weiter fort, die Sinnlichkeit und Leidenschaft wird erregt, und dann kann die Sünde mit Leichtigkeit ihren Ein zug halten. Der geheimen Sünde folgt aber ebenso sicher- später das öffentliche grobe Laster — dessen kann man gewiß sein. Ich bin in der Lage, Ihnen in der Kommission eine Kollektion von solchen Bildern, Photographieen und Ansichts karten vorzulegen, die jetzt straffrei in den Schaufenstern ausgestellt sind, von denen Sie sich aber überzeugen werden, daß der Anblick große Gefahr für die Sittlichkeit nicht allein der Jugend, sondern der Volkskreise überhaupt in sich trägt. — Meine Herren, das hat uns veranlaßt, den 8 184 Nr. 2 einzubringen, der die öffentliche Ausstellung und den Vertrieb aller solcher Bilder und Druckschriften unter Strafe stellt, die das Scham- und Sittlichkeitsgefühl gröblich verletzen. Man hat uns im vorigen Jahre bei der Verhandlung dieses Gesetzes und auch jetzt wieder in der Presse vor geworfen, daß wir die Moralität durch Polizei- und Straf- vorschriftcn in die Jugend hineinerziehen wollen. Ja, meine Herren, ich glaube, Sie können überzeugt sein, daß wohl keine Partei mehr auf dem Standpunkt steht als die unsrige, daß zur moralischen Erziehung der Jugend andere Faktoren als Polizei und Staatsanwalt berufen sind, es sind dazu berufen die Kirche, die Schule, und vor allem auch die Familie; aber wir sind auch der Meinung, daß wir in einem geordneten Staatswesen, in dem wir uns ja doch befinden, auch das Recht haben, zu verlangen, daß Schutz davor ge währt wird, daß das, was Kirche, Schule und häusliche Er ziehung vielleicht in jahrelanger Arbeit mühsam in unseren Kindern aufgebaut haben, nicht durch einen einzigen Gang über die Straße mit einem Schlage wieder niedergerissen wird. (Sehr wahr! in der Mitte.) Es ist dann ferner, sobald unser Entwurf wieder erschien, in einem Teil der Presse auch dieselbe Redensart wieder gemacht, die sich jedesmal bei der Einbringung desselben wiederholt, die Redensart von »Einengung« und »Be schränkung der Kunst und Wissenschaft«. Ja, meine Herren, ich kann mir das nur dadurch erklären, daß die Verfasser solcher Zeitungsartikel unseren Entwurf gar nicht gelesen haben, daß sie ihn jedenfalls nicht auf die feste und bestimmte Begrenzung desselben und auf die Tragweite der in ihm enthaltenen Aenderungen des bestehenden Rechts geprüft haben, daß man vielmehr einfach wieder von »Einschränkung von Kunst und Wissenschaft« gesprochen hat, weil man meint, das klinge gut. Wenn Sie, meine Herren, in unserem Ent wurf den Z 184 Nr. 2 — der ist es ja — durchlesen, dann werden Sic sich überzeugen, daß Kunst und Wissenschaft hier gar nicht getroffen werden kan n, und daß Kunst und Wissenschaft auch gar nicht getroffen werden soll; und ich ineine, es zeugt überhaupt von einer nicht sehr hohen Auf fassung von Kunst und Wissenschaft, die doch belehrend, er ziehlich, erhebend wirken soll, wenn man sagt, daß von einem solchen Paragraphen, der nichts anderes treffen soll und nichts anderes treffen kann als das Schamlose, das Un sittliche, — ich will es kurz sagen — das Gemeine, eine Einengung der Kunst und Wissenschaft zu befürchten sei. Meine Herren, gegen den 8 184 Nr. 2 ist eingewendet, daß er zu dehnbar und zu kautschukartig wäre. Wenn Sie sich ihn ruhig durchlesen, dann werden Sie finden, daß nicht allgemein die Ausstellung von Bildern oder Schriften, die das Scham- und Sittlichkeitsgefühl verletzen, durch diesen Paragraphen getroffen werden soll — obgleich doch auch darin wahrhaftig nichts gefunden werden könnte — nein, er enthält noch eine ganze Reihe wesentlicher Beschränkungen. Er setzt voraus erstens, daß die Ausstellung öffentlich, d. h. an öffentlicher Straße oder an öffentlichen Plätzen, geschieht, so daß beispielsweise der Vertrieb solcher Bilder in den Laden geschäften durch diese Bestimmung nicht getroffen würde. Er setzt zweitens voraus, daß es sich nicht etwa um Bilder han delt, von denen man einfach sagt, daß sie das Scham- und Sittlichkeitsgefühl verletzen; nein, er setzt voraus, daß es sich um Bilder handelt, die das Scham- und Sittlichkeitsgefühl in grober Weise verletzen, alsv um Fälle besonderer Art,
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